Gesundheitspolitische Herausforderungen

Sturmwarnung im stationären Bereich

Unwetterprognose 2023-- Ein „perfekter Sturm“ entsteht, wenn gleichzeitig schwerste Unwetterphänomene auftreten. In der Krankenhauslandschaft drohen Unwetterwarnungen, zum Teil verursacht durch Tief „Krankenhausvergütung“ und Tief „Personalmangel“.

Von Prof. Dr. Volker Schächinger Veröffentlicht:
Faktoren, die die Krankenhauslandschaft im Jahr 2023 belasten werden.

Faktoren, die die Krankenhauslandschaft im Jahr 2023 belasten werden.

© Schächinger

60 % der Krankenhäuser schrieben 2022 rote Zahlen, die Prognose für 2023 sieht noch düsterer aus. Auch wenn der stationäre Krankenhausbereich seit langem sturmerprobt ist, brauen sich gravierende Herausforderungen zusammen: Neben bekannten, aber ungelösten Problemen wie Digitalisierung, Investitionsstau und ausufernde Bürokratie stehen Ambulantisierung (siehe Beitrag von Prof. Stellbrink auf Seite 17), die angekündigte Reform der Krankenhausvergütung (3. Stellungnahme der Regierungskommission) sowie der gravierende Personalmangel im Fokus.

Tief: „Krankenhausvergütung“ zieht Ausläufer nach

Die Stellungnahme zur „Grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung“ der Regierungskommission schlägt vor, das DRG-System teilweise (40–60 %) durch Vorhaltekosten zu ersetzen. Die Abkehr vom „Hamsterrad“ DRG und damit eine Grundfinanzierung der Notfallinfrastruktur, einschließlich Personal, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Krankenhäuser sollen hierfür in drei Level eingeteilt werden (I: Grund-, II: Regel-/Schwerpunkt- und III: Maximal-Versorger), ergänzt durch Spezialfälle (u. a. Uni- und Fachkliniken). Für jedes Level sollen medizinische Leistungsgruppen definiert werden, die dort erbracht werden müssen und dürfen. Wenngleich gut gewollt, kann sich der Reformvorschlag zu einem Tornado auswachsen: Durch die Hintertür wird aus der Reform der Krankenhausvergütung eine der Krankenhausstruktur, was aber exklusiv Aufgabe der Länder ist. Um das Ziel eines einheitlichen Portfolios für alle Krankenhäuser eines Levels – mit bis dato heterogenen Schwerpunktsetzungen – zu erreichen, müsste zuerst einmal kräftig investiert werden. Bei der in NRW begonnenen Krankenhausstrukturreform geht man von einem Investitionsvolumen von 2,51 Milliarden Euro über 5 Jahre aus. Die von der Regierungskommission vorgeschlagenen Mindeststrukturvoraussetzungen bergen das Risiko, dass viele Häuser die geforderten Kriterien nicht erfüllen können und somit von ihrer derzeitigen Versorgungsstufe finanziell herunter „geweht“ werden.

Personal: Starke Böen sorgen für Verwehungen

Der Personalmangel ist einer der drängendsten Herausforderungen sowohl aufseiten der Pflege als auch der Ärzte. Mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) ist die Finanzierung der Pflege gelöst worden, allerdings auf Kosten von neuer Bürokratie und einem Verlust an Flexibilität. Nach dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) wird ab dem 1.1.2023 eine neue Personalbemessung (PPR 2.0) erprobt, die ab 2025 scharf gestellt und sanktioniert wird. Das Gesetz verhindert jedoch auch Entlastungen der nicht ausreichend vorhandenen Pflege, da ein „Skill-Mix“ (z. B. MFA-Stationsassistenz) nicht finanziert wird.

In Anbetracht des Ärztemangels kommt der Weiterbildung eine zentrale Rolle zu. Die Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnungen (WBO) der Landesärztekammern im stürmischen Umfeld stellt eine Herausforderung an alle Kliniken dar, die gemeinsam mit den Assistenzärzten bewältigt werden muss. Neue Berufsgruppen, wie die „Physician Assistants“ bieten Chancen, aber auch noch viel Klärungsbedarf hinsichtlich deren Einsatzes und Einordnung im Team.

Unwetter-Vorhersage für 2023

Der aufziehende Sturm ist vermutlich nicht perfekt im Sinne der maximalen Katastrophe, bietet aber Potenzial für größeren Flurschaden. Im Sinne der Schadensbegrenzung gilt es, unsere Kernaufgaben – die Patientenversorgung und Weiterbildung unserer Mitarbeiter – nicht aus den Augen zu verlieren. Wirtschaftliches Handeln sollten wir bejahen, wo durch effizientere Abläufe Patienten und Klinik profitieren; überbordende Bürokratie ist unwirtschaftlich.

Fazit

Es wäre wünschenswert, wenn sich Bund und Länder auf ein abgestimmtes Konzept, welches die Versorgung angemessen sicherstellt, einigen würden.

Die Gesundheitspolitik sollte über Förderung gewollter Strukturen und nicht über die Abstrafung kaum umsetzbarer Vorgaben gesteuert werden.

Kontakt-- Prof. Dr. Volker Schächinger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischen Krankenhausärzte e.V. (ALKK),

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