Wearables in der präventiven Kardiologie
Standortbestimmung-- Wearables sind im Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Auch in der kardiologischen Versorgung spielen sie zunehmend eine Rolle. Manche Devices können sogar ein 1-Kanal-EKG schreiben. Prof. Dörr ist Experte für neue Präventions- und Behandlungsmethoden und verrät, was Wearables in der Prävention jetzt schon können.
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Daten von Wearables spielen schon jetzt eine Rolle in der Sprechstunde. (Symbolbild mit Fotomodell)
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Herr Prof. Dörr, was denken Sie – können Wearables zur Prävention von Herzerkrankungen beitragen oder Krankheiten sogar verhindern?
Davon bin ich überzeugt. Wearables können bereits heute verschiedene Gesundheitsparameter wie Herzrhythmus, Blutdruck, Aktivitätsniveau oder Stress überwachen, um Risikofaktoren für Herzerkrankungen frühzeitig zu erkennen. Der rasche technologische Fortschritt wird es ermöglichen, dass in Zukunft noch viel mehr gesundheitsrelevante Informationen mit Wearables erfasst und verarbeitet werden können. Allerdings sollten sie keine alleinige Lösung sein, sondern Teil eines ganzheitlichen präventiven Ansatzes, der unbedingt auch regelmäßige ärztliche Gesundheitsuntersuchungen und Konsultationen umfasst.

Prof. Marcus Dörr-- Komm. Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald
© Dörr
Wearables und Apps können Nutzer zu einem gesünderen Lebensstil motivieren, beispielsweise zur Steigerung der körperlichen Aktivität, indem sie die tägliche Schrittzahl überwachen und Aktivitätsziele setzen. Einige Geräte erlauben auch eine Stressüberwachung und Biofeedback zur Stressreduktion. Zunehmend sind auch Wearables verfügbar, die den Blutdruck bestimmen. Diesbezüglich muss aber auf die häufig fehlenden Validierungsdaten hingewiesen werden. Besonders gut sind die Daten bereits hinsichtlich der Detektion von Vorhofflimmern mittels Wearables. Hier ist zwischen photoplethysmografischen Verfahren (PPG) und Wearables mit 1-Kanal-EKG zu unterscheiden. PPG weisen eine gute diagnostische Güte auf, aber erlauben derzeit keine direkte Diagnose während Wearables mit 1-Kanal-EKG Arrhythmien unmittelbar diagnostizieren können.
Werden andere Devices wie z. B. Loop-Rekorder dadurch überflüssig werden?
Implantierte Ereignisrekorder werden der Goldstandard bleiben. Wearables können aber eine Lücke schließen und eine kontinuierliche Rhythmusüberwachung bei Risikopatienten ermöglichen, bei denen implantierbare Geräte nicht indiziert sind oder nicht vergütet werden.
Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem präventiven Einsatz von Wearables, verwenden Sie diese bereits im klinischen Alltag?
Aufgrund fehlender Finanzierung und Vergütung werden sie noch nicht regelmäßig eingesetzt. Jedoch bringen Patienten zunehmend Wearable-Daten zur Sprechstunde mit, die wertvoll für die Betreuung sein können. Wir erforschen den Nutzen von Wearables intensiv in verschiedenen Studien.
Wir haben jetzt viel über die Vorteile von Wearables gesprochen. Es gibt aber auch die Sorge, dass diese zu einer Art Datenüberflutung beitragen und Ärzte dadurch überlasten könnten. Sehen Sie solche Gefahren, und wie ließe sich das durch einen sinnvollen Einsatz verhindern?
In Zukunft muss gewährleistet werden, dass die Daten valide und zuverlässig sind und nur gesundheitsrelevante Daten umfassen. Des Weiteren wäre eine nahtlose Integration in die bestehenden Gesundheitssysteme wichtig. KI-gestützte Datenanalysen könnten bei der Vorverarbeitung helfen, um den Arbeitsaufwand für Ärzte zu minimieren.
Die meisten Hersteller von Wearables berücksichtigen Sicherheitsaspekte. Dennoch bleiben potenzielle Risiken hinsichtlich Datenspeicherung und -weiterleitung. Benutzer sollten sich dessen bewusst sein und die Datenschutzrichtlinien des Herstellers überprüfen. Bessere gesetzliche Regelung sind zukünftig notwendig.
Ein Blick in die Zukunft: Was glauben Sie, werden in 10 bis 20 Jahren alle die Menschen ab einem gewissen Alter Wearables tragen, um ihren Herzrhythmus zu kontrollieren?
Wearables werden bereits viel früher eine große Rolle bei der Überwachung von Herzrhythmus oder anderen Vitalfunktionen spielen. Der schnell voranschreitende Fortschritt der Technologie und der KI-basierten Analysemöglichkeiten wird entscheidend dazu beitragen. Für eine breite Anwendung müssen aber auch die oben angesprochenen Herausforderungen bezüglich Zuverlässigkeit und Datensicherheit schnell gelöst werden.
Vielen Dank für das Gespräch!