Wenn nachts der Atem aussetzt …

Risikofaktor-- Schlaf wurde 2022 von der Amerikanischen Herz Assoziation AHA zu den essenziellen Faktoren für kardiovaskuläre Gesundheit addiert: Aus „Life’s Simple 7“ wurden so „Life’s Essential 8“, die „Lebenswichtigen 8“. Warum der 8. Faktor so wichtig ist, zeigt dieser Artikel zum Thema „Schlaf und kardiovaskuläres Risiko“.

Von Prof. C. Schöbel und Dr. E. Herrmann und Prof. C. Taube Veröffentlicht:
Schlecht geschlafen? Das kann sich auf Dauer negativ auf die Herzgesundheit auswirken. chameleonseye/Getty Images/iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schlecht geschlafen? Das kann sich auf Dauer negativ auf die Herzgesundheit auswirken. (Symbolbild mit Fotomodell)

© chameleonseye/Getty Images/iStock

Auch wenn immer noch kein Mediziner auf der Welt erklären kann, warum wir schlafen – die Vorteile eines ausreichend langen, ungestörten Schlafes sind nicht nur individuell erfahrbar, sondern mittlerweile auch wissenschaftlich nachgewiesen. Gesunder Schlaf ist elementar wichtig für unsere physische und psychische Regeneration, Immunregulation, Wachstum, Gedächtnisbildung und Stimmungslage. Unzureichender Schlaf beeinträchtigt nicht nur kurzfristig unser Befinden am Folgetag, sondern kann gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Menschliche Schlafarchitektur (Abb. 1)-- Hypnogramm eines typischen gesunden Erwachsenen.REM= rapid eye movement, Traumschlaf, rot; N1, N2 = Leichtschlaf, N3 = Tiefschlaf.[M] Cordelia Molloy/Science Photo Library

Menschliche Schlafarchitektur (Abb. 1)-- Hypnogramm eines typischen gesunden Erwachsenen. REM= rapid eye movement, Traumschlaf, rot; N1, N2 = Leichtschlaf, N3 = Tiefschlaf.

© [M] Cordelia Molloy/Science Photo Library

Nicht ohne Grund hat daher die American Heart Association jetzt eine ausreichende Schlafdauer als wesentlichen Bestandteil für eine ideale Gesundheit von Herz und Hirn offiziell anerkannt und in den „Life’s-Essential-8“-Wert für die kardiovaskuläre Gesundheit aufgenommen. Damit ergänzt gesunder Schlaf die bisherigen Empfehlungen zu gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung, Verzicht auf Nikotin, Verhinderung bzw. Reduktion von Übergewicht, Hypertonie, Hypercholesterinämie und Hyperglykämie.

Schlaf: Seismograf der Gesundheit

Schlaf ist überlebensnotwendig und ist gleichzeitig Seismograf unseres Gesundheitszustandes. So können Frühzeichen von gesundheitlichen Störungen häufig zuerst im Schlaf erkannt werden, da Schlaf im Vergleich zum Wachzustand natürlicherweise frei von willkürlichen physischen und psychischen Einflüssen ist. So durchlaufen wir jede Nacht mehrere Schlafzyklen, die von einer Abfolge aus Leicht-, Tief- und REM-Schlaf (rapid eye movement) gekennzeichnet sind (Abb. 1).

Akute und chronische Konsequenzen einer unbehandelten Schlafapnoe-- Unbehandelt kann eine Schlafapnoe über verschiedene physiologische Reaktionen zu manifesten kardiovaskulären Erkrankungen führen. Javaheri S et al. J Am Coll Cardiol. 2017;69:841-58

Akute und chronische Konsequenzen einer unbehandelten Schlafapnoe-- Unbehandelt kann eine Schlafapnoe über verschiedene physiologische Reaktionen zu manifesten kardiovaskulären Erkrankungen führen.

Gestörter Schlaf: ein kardiovaskulärer Risikofaktor!

Schlafstörungen führen zu einer Unterbrechung dieses natürlichen Schlafprogramms mit der bekannten kurzfristigen Auswirkung einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit am Folgetag. Chronifizierte Schlafstörungen haben längerfristige Auswirkungen. Sie erhöhen das Risiko für andere Erkrankungen – dies gilt insbesondere für Erkrankungen aus dem kardiovaskulären Formenkreis. Daher sollte gerade bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen anamnestisch immer nach Schlafstörungen gefragt werden.

Hier stellen die schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS), allen voran die obstruktive Schlafapnoe (OSA), die häufigsten organischen Schlafstörungen dar. Bei der OSA kommt es im Schlaf zu einer Verengung bzw. zum Kollaps der oberen Atemwege im Halsbereich mit konsekutiven Sauerstoffentsättigungen, kurzfristigen Weckreaktionen mit assoziierter Sympathikusaktivierung und nächtlichen Herzfrequenz- und Blutdruckschwankungen. Dies begünstigt im Weiteren u. a. die Entwicklung von arterieller Hypertonie, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz sowie neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz.

Obstruktive Schlafapnoe: Prävalenz steigt mit Alter

Dabei wird die Anzahl der Atmungsstörungen pro Stunde (Apnoe-Hypopnoe-Index = AHI) zur Diagnosestellung verwendet und der AHI bestimmt auch den Schweregrad. Aktuelle epidemiologische Studien weisen hohe OSA-Prävalenzraten auf dem Niveau einer Volkserkrankung nach. Das Lebensalter stellt dabei den Hauptrisikofaktor dar (Tab. 1).

Wenn nachts der Atem aussetzt …

© Quelle: Benjafield AV et al. Lancet Respir Med. 2019;7:687-8

Therapiemöglichkeiten der OSA

Neben der nächtlichen Überdrucktherapie (PAP) als Erstlinientherapie steht mittlerweile eine Reihe an Alternativtherapien zur Verfügung, die individualmedizinisch bei PAP-Intoleranz eingesetzt werden können: Unterkieferprotrusionsschiene, Rückenlageverhinderungs-Maßnahmen oder Nervus-hypoglossus-Stimulationstherapie. Natürlich sollten bei bestehender Adipositas begleitende gewichtsreduzierende Maßnahmen umgesetzt werden, die allein jedoch selten zu einer kompletten OSA-Remission führen.

Neben den schlafbezogenen Atmungsstörungen können jedoch auch chronische nicht organische Ein- und Durchschlafstörungen (chronische Insomnien) oder nächtlich periodische Beinbewegungsstörungen im Rahmen eines Restless-Legs-Syndroms mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sein.

Sensoren ermöglichen mehr Diagnostik zu Hause

Aktuell stellt die Schlaflabor-Untersuchung, die sogenannte Polysomnografie (PSG) den diagnostischen schlafmedizinischen Goldstandard dar. Die Weiterentwicklung von kontaktarmen oder -losen Sensoren ermöglicht hier eine zunehmende Verlagerung der schlafmedizinischen Diagnostik in die Häuslichkeit der Patienten. So kann Schlaf nicht nur in der gewohnten Umgebung, sondern auch über mehrere Nächte hinweg gemessen werden. Dies erlaubt auch die Beurteilung der individuellen Nacht-zu-Nacht-Dynamik z. B. von schlafbezogenen Atmungsstörungen. Gleichzeitig können im Schlaf Vitalparameter über mehrere Stunden gemessen werden. Dies könnte zukünftig auch bestehende Managementprogramme von chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz ergänzen. Ein weiterer Vorteil einfacherer Sensorik liegt auch in der besseren Umsetzung primärpräventiver Maßnahmen zur Verhinderung von chronischen Schlafstörungen – ganz im Sinne von Kurt Tucholsky: „Gebt den Leuten mehr Schlaf – sie werden wacher sein, wenn sie wach sind!“.

Fazit

Schlafstörungen, insbes. schlafbezogene Atmungsstörungen, sind kardiovaskuläre Risikofaktoren. Sie haben eine hohe Prävalenz, die mit zunehmendem Alter steigt.

Schlafbezogene Atmungsstörungen können mit verschiedenen Verfahren behandelt werden.

Daher sollten Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen immer nach Schlafstörungen gefragt werden.

Kontakt-- Prof. Dr. Christoph Schöbel, Universitätsmedizin Essen, Ruhrlandklinik, Klinik für Pneumologie, Zentrum für Schlaf- und Telemedizin, christoph.schoebel@rlk.uk-essen.de

Literatur bei den Verfassern/der Verfasserin

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