Cholesterinsenkende Therapie bei Älteren richtig dosieren

Statine & Co-- LDL-cholesterinsenkende Therapien stellen einen etablierten Baustein in der kardiovaskulären Primär- und Sekundärprävention dar. Neben der unstrittigen Evidenz zur Wirksamkeit dieser Therapien für die Gesamtpopulation ist diese für die ältere Patientengruppe jedoch zunehmend geringer.

Von Prof. Harald Rittger Veröffentlicht:
Bei einer cholesterinsenkenden Therapie bei älteren Patientinnen und Patienten müssen Risiko und Nutzen sorgfältig abgewogen werden. (Symbolbild mit Fotomodellen)

Bei einer cholesterinsenkenden Therapie bei älteren Patientinnen und Patienten müssen Risiko und Nutzen sorgfältig abgewogen werden. (Symbolbild mit Fotomodellen)

© Yakobchuk Olena/stock.adobe.com

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von LDL-Cholesterin-modifzierenden Therapien in dieser Altersgruppe ist seit längerem Gegenstand wissenschaftlichen Diskurses.

Im vergangenen Jahr wurde von der AG 29 Gerontokardiologie der DGK in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie ein Konsensuspapier publiziert, welches die aktuelle Situation in der Behandlung dieser Patientengruppe darstellt.

Die bestehende Datenlage stützt sich bislang auf Subgruppenanalysen von randomisierten Studien, eine randomisierte Studie, die ausschließlich die Patientengruppe > 70 Jahren eingeschlossen hat, sowie mehrere Metaanalysen. Diese belegen, dass gerade diese Patientinnen und Patienten als Hochrisikogruppe von einer cholesterinsenkenden Therapie mindestens in gleichem Maße wie jüngere Patientinnen und Patienten profitieren. Da geriatrische Syndrome wie Gebrechlichkeit, Komorbidität und Polypharmazie das Risiko für unerwünschte Ereignisse erhöhen, muss jedoch die Balance zwischen Risiko und Nutzen für jede Person sorgfältig abgewogen werden.

Im Gegensatz zur Bedeutung für den Abbau vieler anderen Pharmaka spielt z. B. eine eingeschränkte Nierenfunktion im Alter für die Statintherapie nur eine untergeordnete Rolle. Die Substanzen werden verstoffwechselt und über die Faeces ausgeschieden. Nur Pravastatin wird in geringem Umfang (ca. 20 %) renal eliminiert. Eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion ist bei den Statinen daher kaum notwendig. Da die meisten Statine eine hohe Plasmaeiweißbindung aufweisen (zwischen 88 % Rosuvastatin und 99 % Pitavastatin) kann eine im Alter häufige Hypalbuminämie eine Dosisanpassung notwendig machen, insbesondere im Hinblick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), besonders Muskelschmerzen und Rhabdomyolysen.

Häufigstes Problem bei der Statintherapie geriatrischer Patientinnen und Patienten ist jedoch das Interaktionspotenzial bei Multimorbidität und konsekutiver Polymedikation. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Konkurrenz verschiedener Pharmaka um hepatische Eliminationswege, besonders die Cytochrom P450 Oxidasen.

Der Nutzen für die ältere Patientengruppe wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Die Datenlage ist in den letzten Jahren mit der Publikation neuer Metaanalysen und von retrospektiven Kohortenstudien zwar größer geworden, gleichwohl besteht nach wie vor eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der Behandlung mit hohen Dosen von Statinen.

Die ältere Patientengruppe stellt therapeutisch insofern ein Dilemma dar, da Inzidenz und Prävalenz einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung mit fortschreitendem Alter zunehmen, die für den individuellen Patienten verfügbare Zeit bis zur Wirksamkeit von präventiven Maßnahmen gleichzeitig sinkt.

Dabei ist die Evidenz, insbesondere im Hinblick auf die Primärprävention, in dieser Altersgruppe gering. Zur Veranschaulichung bedeutet das, dass ältere Patientinnen und Patienten ein um 40 % höheres Risiko pro Jahr haben, ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Gleichzeitig zeigt eine kürzlich publizierte US-Studie von Patientinnen und Patienten, die aufgrund eines ACS behandelt worden waren, dass 50 % der älteren Personen ohne die Verschreibung eines Statins entlassen wurden [1].

Cholesterinsenkende Therapie bei Älteren richtig dosieren
In die Sekundärprävention sind zur Therapieoptimierung LDL-C-Kontrollen nötig.jarun011/stock.adobe.com

In die Sekundärprävention sind zur Therapieoptimierung LDL-C-Kontrollen nötig.jarun011/stock.adobe.com

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Die Leitlinien der ESC zur Behandlung von Dyslipidämien [2] aus dem Jahre 2019 stellen fest, dass die Statineinnahme mit zunehmendem Alter abnimmt, was zum einen dem Verschreibungsverhalten, zum anderen jedoch auch der mangelnden Compliance in dieser Patientengruppe geschuldet ist. Darüber hinaus reflektiert dieses Verschreibungsverhalten die bestehende Unsicherheit bei Ärztinnen und Ärzten über den Nutzen einer Statintherapie bei älteren Personen.

Mit einer Klasse-IA-Gewichtung empfehlen die neuen ESC-Leitlinien zur Hyperlipidämie ältere Patientinnen und Patienten im Rahmen der Sekundärprophylaxe im gleichen Maße wie jüngere Patientinnen und Patienten einer Statintherapie zuzuführen. Diese Empfehlung basiert auf den Ergebnissen der Cholesterol Treatment Trialists´ metaanalysis [3], die zeigen konnte, dass eine relative Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse für alle Altersgruppen vorhanden ist. Eine Statintherapie im Rahmen der Primärprävention wird aufgrund der bestehenden Datenlage nur für Patienten unter 75 Jahren empfohlen, für die Patientengruppe > 75 Jahre wird eine Klasse-IIb-Empfehlung ausgesprochen. Weitere Evidenz diesbezüglich wird von der derzeit laufenden STAtin therapy for REducing Events in the Elderly (STAREE)-Studie (NCT02099123) sowie von der Pragmatic Evaluation of Events and Benefits of Lipid-Lowering in Older Adults (PREVENTABLE) Studie (NCT04262206) erwartet. Gleichzeitig mahnen die Leitlinien für die ältere Patientengruppe zur Vorsicht bei Polypharmazie und Niereninsuffizienz und raten in diesem Fall zu einer vorsichtigen Dosistitration.

Ausblick

Der Einleitung einer cholesterinsenkenden Therapie muss stets eine sorgfältige Abwägung des Nutzens und des potenziellen Schadens einer jeglichen Therapie vorangehen. Der Gesamtnutzen einer Therapie mit Statinen hängt vom absoluten Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung ab. Aus diesem Grunde ist der zu erwartende Effekt in der älteren Patientengruppe für eine kardiovaskuläre Erkrankung aufgrund des höheren Risikos größer. Statinassoziierte Myopathien und Myalgien sind häufige Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie.

Laut ESC-Leitlinien nimmt die Statingabe mit zunehmendem Alter ab.

Da geriatrische Syndrome wie Gebrechlichkeit, Komorbidität und Polypharmazie das Risiko für unerwünschte Ereignisse erhöhen, muss die Balance zwischen Risiko und Nutzen für jede Person sorgfältig abgewogen werden. Insbesondere im Hinblick auf die Sturzgefährdung im Alter muss eine muskuläre Beeinträchtigung in diese Entscheidung miteinbezogen werden. Auch wenn Daten aus randomisierten Studien zeigen, dass Statine bei > 65-Jähringen sicher und gut verträglich sind, müssen vor Einleitung und während der laufenden Therapie die Präferenzen der Patientinnen und Patienten miteinbezogen werden. Nicht erhöhtes Alter per se, sondern der individuelle Patientenzustand sollte über die Frage erweiterter cholesterinmodifizierender Therapien entscheiden.

Kontakt-- Prof. Harald Rittger, Klinikum Fürth, Harald.Rittger@klinikum-fuerth.de

Literatur beim Verfasser

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