Schlafstörungen bei Herzerkrankungen

Immunvermittelte Denervierung-- Neue Erkenntnisse zeigen, dass eine gemeinsame Schaltzentrale von Herz und Epiphyse, das obere Halsganglion, bei Erkrankungen durch Infiltration von Makrophagen beeinträchtigt wird.

Von Karin A. Ziegler und Stefan Engelhardt Veröffentlicht:

Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird eng durch die tageszeitliche Ausschüttung von Melatonin gesteuert. Die Synthese von Melatonin erfolgt in der Epiphyse und wird zusammen mit der Melatoninausschüttung von sympathischen Neuronen streng kontrolliert, die vom Ganglion cervicale superius (engl. SCG) ausgehen. Neben Epiphysen-innervierenden Neuronen enthält das SCG auch Neurone, die das Herz innervieren.

Bei Herzerkrankungen werden häufig niedrige Melatoninspiegel und Schlafstörungen beobachtet. Diese tragen wesentlich zur Krankheitslast bei und sprechen meist unzureichend auf die Standardtherapie an. Die Mechanismen, die dem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus bei Herzerkrankungen zugrunde liegen, galten als unklar, insbesondere die Rolle der epiphysären Innervation war bislang nicht untersucht.

Makrophagen zerstören Neuronen

In einer kürzlich veröffentlichten Studie der TU München wurden die neuronalen Schaltkreise, die die Epiphyse kontrollieren, systematisch im Kontext von Herzerkrankungen untersucht. Die Ergebnisse deuten auf eine schwere und wahrscheinlich irreversible immunvermittelte Zerstörung einer spezifischen Untergruppe von sympathischen Neuronen hin, die die Rhythmik der Melatoninsekretion in der Epiphyse kontrollieren.

Makrophagenhemmung verhindert die Denervierung.

Die Analyse menschlicher und muriner Epiphysen zeigte einen unerwarteten und ausgeprägten Verlust ihrer sympathischen Innervation bei Herzerkrankungen. Da die Axone aus dem oberen Halsganglion (SCG) entspringen, wurde das SCG mittels hochauflösender Histomorphometrie, räumlicher Sequenzierung sowie Tiefen-, Einzelzell- und -kernsequenzierung weiter untersucht, um die molekularen und zellulären Grundlagen der krankheitsassoziierten Veränderungen aufzuschlüsseln und quantitativ zu bewerten.

SCG bei Herzinsuffizienz vergrößert

Interessanterweise wurde nicht nur ein Verlust der Epiphysen-innervierenden Zellpopulation, sondern auch eine signifikante Zunahme von Makrophagen bei Herzerkrankungen beobachtet. In einer prospektiven klinischen Studie, die am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt wurde, konnte mit konventioneller Ultraschalltechnik die Größe der Halsganglien (SCG) herzgesunder und herzkranker Menschen untersucht werden.

Die Auswertung zeigte eine signifikante Größenzunahme der SCG bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz im Vergleich zu herzgesunden Kontrollpersonen. Die ultraschallbasierte Messung des SCGs stellt somit einen potenziellen neuen Biomarker dar, mit dessen Hilfe Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Epiphysen-Denervierung frühzeitig diagnostiziert und identifiziert werden können.

Therapeutische Option

Die therapeutische Interferenz mit Makrophagen durch lokale Injektion von Clodronat in die Halsganglien von herzkranken Mäusen konnte die sympathische Denervierung der Epiphyse verhindern und die Melatoninspiegel wieder normalisieren. Zusammen mit anderen Versuchsreihen liefert diese Studie die mechanistische Grundlage für ein wichtiges und häufiges klinisches Problem, schlägt mögliche therapeutische Optionen vor und bietet eine Perspektive für die Entwicklung präventiver Maßnahmen. Die Studie stellt ein neues Paradigma vor, in dem eine lokalisierte Erkrankung eines Organs seine peripheren autonomen Ganglien als „Relaisstation“ einbezieht, um entfernte Organe zu beeinflussen, die gleichzeitig von diesem Ganglion innerviert werden.

Quelle-- Ziegler KA et al. Science. 2023;381(6655):285-90

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