Koronarangiografie
Der transradiale Zugang im kardiogenen Schock
KHK und Herzinfarkt-- Der transradiale Zugang hat sich bei der Koronarangiografie in den letzten Jahren aus vielen Gründen als vorteilhaft erwiesen: Er reduziert das Risiko schwerer peri- und postinterventioneller Blutungskomplikationen, ermöglicht die frühe Mobilisation und erhöht den Patientenkomfort.
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Radialer Zugang-- Metaanalyse zeigte relative Reduktion der Gesamtsterblichkeit.
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Aufgrund des nachgewiesenen Netto-Nutzens wird der transradiale Zugang von der ESC wie von der AHA als Standardzugang für die Koronarangiografie und die interventionelle Revaskularisation bei stabilen Patientinnen und Patienten wie auch bei solchen mit akutem Koronarsyndrom klar empfohlen [1, 2]. Mehrere große randomisierte Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass der radiale Zugang insbesondere beim akuten Koronarsyndrom Vorteile bietet.

Prof. Dr. Christian Gleißner, Rottal-Inn Kliniken Eggenfelden
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Reduzierte Gesamtmortalität
In der 1:1-randomisierten MATRIX-Studie (n = 8404) zeigte sich für den radialen Zugang eine relative Risikoreduktion in Bezug auf die 30-Tage-Gesamtmortalität um 28 % (p = 0,045; [3]).
Auch in RIFLE-STEACS (n = 1.001) ergab sich für den radialen Zugang eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts aus kardialem Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt, Revaskularisation der Zielläsion und nicht Bypass-OP-assoziierter Blutung. Der sekundäre Endpunkt der kardiovaskulären 30-Tages-Mortalität war mit 5,2 % signifikant niedriger als beim femoralen Zugang (9,2 %; [4]).
In der RIVAL-Studie (n = 7.021) zeigte sich in einer präspezifizierten Subgruppe von 1.958 STEMI-Patienten für den radialen Zugang eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts aus Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall und nicht Bypass-OP-assoziierter Blutung von 40 %, der Gesamtmortalität sogar von 61 % [5].
Herausforderung kardiogener Schock
All diesen Studien ist gemein, dass eine spezifische Untersuchung oder Analyse von Patienten im kardiogenen Schock nicht erfolgte. Jedoch kann der radiale Zugang im kardiogenen Schock aufgrund der hämodynamischen Instabilität eine besondere Herausforderung darstellen: Schlecht tastbare periphere Gefäße aufgrund von Hypotension, ein möglicher Pacingbedarf, der eines femoralvenösen Zugangs bedarf, oder die Notwendigkeit einer hämodynamischen Unterstützung mittels Mikroaxialpumpe oder ECMO stehen dem Risiko einer Blutung und ihrer dramatischen Konsequenzen bei Patienten im kardiogenen Schock gegenüber.
Verminderte Krankenhausmortalität
Eine österreichische multizentrische Registeranalyse von 9.980 Infarktpatienten zwischen 2012 und 2018 (4.498 radial, 5.482 femoral) zeigte in der multivariablen Analyse eine signifikant um 43 % verminderte Krankenhausmortalität für den radialen Zugang bei allen Patientinnen und Patienten [6].
Interessanterweise wurden Betroffene im kardiogenen Schock signifikant häufiger über einen femoralen Zugang untersucht (12 vs. 5 %; n = 663, bzw. n = 240). Eine Interaktionsanalyse in Bezug auf einen kardiogenen Schock erbrachte einen signifikanten Effekt – allerdings dahingehend, dass der günstige Effekt eines radialen Zuganges bei Patienten im kardiogenen Schock verschwand.
Im SWEDEHEART-Register wurden zwischen 2005 und 2016 44.804 Menschen mit ST-Hebungsinfarkt hinsichtlich der 30-Tage-Gesamtmortalität analysiert. 24.299 (54,2 %) der Patientinnen und Patienten wurden radial untersucht [7]. Nach Adjustierung mittels eines Propensitiy-Scores war der radiale Zugang mit einer um 30 % signifikant reduzierten 30-Tage-Mortalität verbunden. Die Analyse zeigte hier keine Interaktion mit der Diagnose kardiogener Schock.
Postprozeduraler kardialer Schock nach femoralem Zugang
Interessanterweise kam es allerdings postprozedural bei Patienten mit femoralem Zugang signifikant häufiger zur Ausbildung eines kardiogenen Schocks, ohne das der Mechanismus hinter dieser Beobachtung eindeutig geklärt werden konnte. Eine Ursache könnte darin liegen, dass relevante Blutungen die Entwicklung eines kardiogenen Schocks bei Patientinnen und Patienten mit akutem Infarkt befördern oder gar auslösen können. Im CRUSADE-Register (71.277 NSTEMI-Patienten) zeigten Patienten mit relevanter Blutung ein fünffach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kardiogenen Schocks (p < 0,0001; [8]).
Eine Metaanalyse untersuchte 2015 die Daten von insgesamt 8.131 Personen im kardiogenen Schock (2.321 radialer Zugang, 5.180 femoraler Zugang; [9]). Nach Adjustierung zeigte sich für den radialen Zugang eine signifikante relative Reduktion für die Gesamtsterblichkeit von 45 % (p < 0,001). Ebenso war die Rate unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse nach Adjustierung beim radialen Zugang nach 30 Tagen um 37 % und damit signifikant niedriger.
Niedrigere Rate an dialysepflichtiger Niereninsuffizienz
Eine Subanalyse der CULPRIT-SHOCK- Studie untersuchte 673 Patienten (118 radialer Zugang, 555 femoraler Zugang, [10]). Auch hier war die Mortalitätsrate nach 30 Tagen für die Radialisgruppe signifikant reduziert und auch die Rate dialysepflichtiger Niereninsuffizienz war nach 30 Tagen niedriger. Diese Unterschiede waren allerdings nach einem Jahr nicht mehr signifikant. Eine beim ESC 2022 von Gargiulo et al. präsentierte Metaanalyse (21.600 Patienten; 10.775 radial) unterstützt diese Daten: Nach Adjustierung war das 30-Tage-Mortalitätsrisiko um 24 % reduziert [11].
Möglicher Selektionsbias
Bei all diesen Analysen kann ein Selektionsbias vorliegen, dass also der radiale Zugang eher bei Patienten gewählt worden sein könnte, die primär kreislaufstabiler waren und per se ein niedrigeres Mortalitätsrisiko hatten. Randomisierte Studien sind daher essenziell, um eine wirklich evidenzbasierte Empfehlung aussprechen zu können. Festzuhalten ist weiter, dass für im radialen Zugang versierte Untersucher dieser Weg im kardiogenen Schock sicher dem femoralen Zugang vorzuziehen ist. Ausnahmen stellen womöglich Fälle dar, bei denen bereits initial klar ist, dass ein extrakorporaler kardiozirkulatorischer „Life Support“ (ECLS) erforderlich wird, der ohnehin eines femoralen Zugangswegs bedarf.
Fazit
Es gibt zwar Hinweise, dass der radiale Zugang im kardiogenen Schock Vorteile bzgl. der 30-Tage-Mortalität hat, noch fehlen dazu aber randomisierte Studien.
Aktuell wird empfohlen, dass der im radialen Zugang versierte Untersucher diesen dem femoralen Zugang im kardiogenen Schock vorziehen sollte, wenn es keine Kontraindikationen gibt.
Quellen--
1. AHA Guideline, https://doi.org/10.1161/cir.0000000000001038
2. ESC Guideline, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy394
3. MATRIX-Studie, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(15)60292-6
4. RIFLE-STEACS-Studie, https://doi.org/10.1016/j.jacc.2012.06.017
5. RIVAL Studie, https://doi.org/10.1016/j.jacc.2012.07.050
6. Austrian PCI Registry, https://doi.org/10.21037/cdt-20-97
7. SWEDEHART, https://doi.org/10.1177/2048872620908032
8. CRUSADE Registry, https://doi.org/10.1161/cirulationaha.108.828541
9. Metaanalysis by Pancholy et al. https://doi.org/10.1016/j.ahj.2015.05.001
10. Metaanalyis by Gargiulo et al. https://doi.org/10.1161/ CIRCULATIONAHA.122.061527
11. CULPRT-SHOCK subanalysis, https://doi.org/10.1016/j.ahj.2020.04.014