Innere Medizin – die Mutter der Kardiologie
Kommentar--Wir müssen als Kardiologen mitdenken, weiterdenken, umdenken, vorausdenken und neu denken, fordert Prof. Schwinger bei der Indikationsstellung von Betablockern im Kontext von Lungenerkrankungen.
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Prof. Dr. med. Robert HG Schwinger, Medizinische Klinik II, Klinikum Weiden
© Prof. Dr. Robert H.G. Schwinger
Asthma und COPD sind ungute Kofaktoren oder auch Risikofaktoren einer Herzerkrankung. Sie beeinflussen die Prognose ungünstig. Betablocker sind weder bei Asthma noch bei COPD eine „Therapieoption“! Aber so falsch wie das Dogma „keine Betablocker bei Asthma“ ist auch die Vorstellung „weniger Exazerbationen unter Betablockern bei COPD“ – wenigstens für β1-selektive Betablocker ohne intrinsisch sympathomimetische Aktivität (ISA). Wir müssen als Kardiologen mitdenken und als Internisten handeln, wie es Prof. Gerhard Riecker (*2. Februar 1926 in Karlsruhe; † 29. Juli 2022 in Pullach bei München) Generationen von Schülern vorgelebt hat – Kardiologie eingebettet in die Innere Medizin: Auch ich durfte dies prägend miterleben!
Zur Behandlung von Risikofaktoren für Herzinsuffizienz, der arteriellen Hypertonie wie auch der koronaren Herzerkrankung hat sich der Einsatz von Betablockern ebenfalls „relativiert“. Betablocker sind keine primären Antihypertonika und – bei ACS gesetzt – ist ihr Einsatz bei stabilem CCS eher wenig belegt; wir haben weiterdenken müssen. Belegt ist der negativ inotrope Effekt der Betablocker. Diese waren daher lange Zeit kontraindiziert bei Herzinsuffizienz! Erst die Pionierleistung von Karl Swedberg (Lancet 1979) und Fin Waagstein (British Heart Journal 1975), die bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie (DCM) und hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion „die negativ inotrop wirkenden“ Betablocker eingesetzt hatten, ebnete den Weg von der Kontraindikation zur „evidence based “ Indikation bei Herzinsuffizienz! Wir haben umdenken müssen. Aber die negativ inotrope Wirkung der Betablocker bleibt zu beachten – es muss erst niedrig dosiert begonnen und langsam bis zur Zieldosis hochtitriert werden. Dies bestärkt auch die ESC-Leitlinie Herzinsuffizienz von 2021, die nach Rekompensation mit Diuretika zügig den Einsatz von SGLT2-Inhibitoren, ACE-Hemmer/ARNI, Betablocker, MRA nennen – „The Big Five for Heart Failure“, bei HFrEF! Ein zu rascher Einsatz der Betablocker – vor Rekompensation z. B. mit Diuretika – kann die Herzinsuffizienzsymptomatik sogar verschlimmern. Für die neurohumoral modulierende Therapie bei HFrEF (Betablocker, ACE-Hemmer/ARNI, MRA) gilt weiterhin „mehr nützt mehr“, also Hochtitration! Wir müssen vorausdenken.
Die neue „Wunderwaffe“ der HFrEF-Therapie – SGLT2-Hemmer – verdankt ihre „Entdeckung“ der FDA-Vorgabe Diabetesmedikamente auf kardiovaskuläre Sicherheit zu prüfen. Heute sind Empagliflozin und Dapagliflozin wirksam im gesamten Spektrum von HFrEF bis HFpEF! Wir müssen neu denken: von der Sicherheit zur effektiven Therapie der Herzinsuffizienz.
Übrigens: Die ESC-Leitlinien empfehlen die gleiche Herzinsuffizienztherapie bei Patienten und Patientinnen mit und ohne Diabetes mellitus – also auch Betablocker. Von der vormaligen „Standardtherapie“ Herzinsuffizienz (zu Waagsteins Zeiten mit Digitalis und Diuretika) ist nicht viel übrig geblieben, nur die Diuretika zur Rekompensation und auf die DIGIT-HF-Studie müssen wir (noch) warten. Auch bei eingeschränkter Nierenfunktion zeigt sich die Wirksamkeit der Betablocker bei Herzinsuffizienz (JACC. 2019;74:2893).
Forschergeist, Freude am Neuen und das Verständnis Kardiologie in der Inneren Medizin zu denken, hat uns weit gebracht. „Wer staunt, stellt Fragen. Dies ist der Anfang und begründet den Dialog“, sagte Prof. Riecker. Kardiologie bleibt spannend!.