Forschungsaufenthalt im Ausland: Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht
Auslandsaufenthalt-- Dr. Sebastian Ludwig und Dr. Moritz Blum verbringen jeweils ein Forschungsjahr in den USA, New York City (NYC). Sie berichten der Young DGK im Online-Interview über ihre Motivation, ihr Forschungsgebiet sowie ihre Auslandserfahrung und geben Tipps und Ratschläge für Young Cardiologists.
Veröffentlicht:
Der Berufsweg nach oben nimmt durch einen Auslandsaufenthalt womöglich an Fahrt auf.
© yganko/stock.adobe.com
Erzählt uns kurz etwas über Eure Person und Euren wissenschaftlichen Schwerpunkt, bitte.
Moritz Blum: Ich habe mich schon im Studium für Kardiologie interessiert und daher als studentische Hilfskraft in einer kardiologischen Studienambulanz mitgearbeitet. Auch meine Doktorarbeit habe ich dann in der Kardiologie – und zwar im Bereich der klinischen Forschung zum Kardio-MRT – begonnen. Im 9. Semester (2018/2019) habe ich bereits 1 Jahr am Mount Sinai Hospital in NYC (damals im Bereich der interventionellen Kardiologie bzw. kardiovaskulären Forschung) verbracht.
Nach dem Examen im Dezember 2021 habe ich nicht direkt mit der Weiterbildung begonnen, sondern bin ans Mount Sinai zurückgekehrt – nun als Gastwissenschaftler. Da sich mein Interessensgebiet mittlerweile etwas verändert hat, arbeite ich nun am Department für „Geriatrics and Palliative Medicine“ und forsche zur Palliativversorgung in der Kardiologie.

Dr. Moritz Blum, Mount Sinai Hospital, NY
© Blum

Dr. Sebastian Ludwig, UHZ Hamburg
© Ludwig
Sebastian Ludwig: Ich bin im 5. Jahr der Facharztausbildung zum Kardiologen am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg (UHZ) und meine Spezialisierung betrifft den Bereich „Structural Heart“. Seit März 2022 forsche ich zum Thema kathetergestützte Mitralklappentherapien (Reparatur und Ersatz) unter Nutzung von retrospektiven und prospektiv randomisierten Studiendaten bei der Cardiovascular Research Foundation (CRF) in NYC. Einen Tag in der Woche hospitiere ich zudem bei Dr. Azeem Latib am Montefiore Medical Center und kann hier innovative Mitralklappenprozeduren live verfolgen.
Was fasziniert Euch an Eurer Wissenschaft?
Ludwig: Ich bin über meine klinischen Interessen im Verlauf der Facharztausbildung zu meinem aktuellen Forschungsschwerpunkt gekommen. Hier in NYC betreue ich verschiedene Projekte, wobei aufgrund von Corona noch viel Arbeit im Homeoffice stattfindet.
Trotzdem spielt auch der Networking-Aspekt eine große Rolle – zumal es sich um ein spezielles Forschungsgebiet handelt, in dem es bislang wenig vorliegende Daten gibt und deren klinischer Stellenwert häufig noch unklar ist. Forschung zu dem Thema wäre in Deutschland, wo es kaum Zugriff auf diese Daten gibt, in gleichem Umfang kaum möglich.
Blum: Ich arbeite ebenfalls an Registerdaten – und zwar zur Palliativversorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz. Da die Herzinsuffizienz mit einer schlechten Prognose, schweren Symptomen und vielen schwierigen Therapieentscheidungen einhergeht, ergibt sich eine natürliche Verbindung zur Palliativmedizin – die in den USA, in Deutschland jedoch weniger, gelebt wird. Das Thema hat also Zukunft.
Was machte für Euch den Forschungsaufenthalt in den USA besonders reizvoll und lehrreich?
Blum: Es gibt hier ein tolles Fort- und Weiterbildungsangebot, das sich über zwei Departments erstreckt. Insgesamt herrscht eine „Kultur des Lernens“, von der ich sehr profitiere. Man lernt hier die „Großen“, die man sonst nur von Konferenzen kennt, persönlich kennen. Außerdem gibt es hier andere Arbeits- und Führungsstile und insgesamt somit weniger konservative Hierarchien.
Ludwig: Für mich gab es zu einem Auslandsaufenthalt in NYC von Anfang an kaum Alternativen, da es Daten zu meinem Forschungsthema schlichtweg woanders nicht in diesem Umfang gibt. Letztendlich ist es auch karrieretechnisch und für den Lebenslauf toll, ein Forschungsjahr in den USA vorweisen zu können, wenngleich das nicht der treibende Faktor sein sollte. Und natürlich ist ein Auslandsaufenthalt auch kein Muss.
Wann ist Eurer Sicht karrieretechnisch der perfekte Zeitpunkt für einen Forschungsaufenthalt im Ausland und warum?
Blum: Den perfekten oder richtigen Zeitpunkt gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich habe mich sehr früh entschieden, ins Ausland zu gehen. Als Student hat man viel mehr Freiräume und auch jetzt mache ich quasi ein „Gap Year“ vor meiner Assistenzarztzeit und ich bin damit hier extrem glücklich.
Ludwig: Ich habe erst klinisch gearbeitet und mich dann entschieden, „am Puls der Forschung“ in den USA zu arbeiten. Die Zeit, die ich hier verbringe, sehe ich auf keinen Fall als für den Facharzt verlorene Zeit an. Vielmehr investiere ich in mich selbst und meine persönliche und wissenschaftliche Entwicklung – unabhängig von der klinischen Weiterbildung.
Welche Tipps habt Ihr für Young Cardiologists zur Vereinbarkeit von klinischer Ausbildung und Forschungsarbeit? Gibt es relevante Unterschiede zwischen dem deutschen und amerikanischen System?
Ludwig: Grundsätzlich gibt es in den USA ähnliche bis sogar mehr Probleme, gleichzeitig klinisch und wissenschaftlich tätig zu sein. Die Arbeitsbelastung in den Kliniken ist enorm und deswegen gibt es noch weniger forschende Assistenzärztinnen und -ärzte als bei uns. In Deutschland sind die Möglichkeiten also in mancherlei Hinsicht sogar besser!
Blum: Am Mount Sinai ist das Bild zweigeteilt: Oberärzt*innen sind oft über 50 % ihrer Zeit für Forschung freigestellt. Assitenzärzt*innen hingegen sind meistens stark in der Klinik eingebunden. Clinician-Scientist-Programme bieten eine tolle Möglichkeit, um schon früher mehr Zeit zum Forschen zu haben. .
Was sollte aus Eurer Sicht getan werden, um mehr Young Cardiologists für die Forschung zu begeistern?
Ludwig: Wichtig ist vor allem eine Forschungsinfrastruktur mit guten Möglichkeiten der Vernetzung. Für Assistenzärztinnen und -ärzte müssen Freiräume außerhalb der klinischen Verpflichtungen geschaffen werden und es muss auch eine Unterstützung seitens des*der Vorgesetzten geben.
Blum: Als junge*r Assistent*in hat man viele Möglichkeiten. Man sollte die Qualifikationen, die man durch eine in Deutschland abgeschlossene Dissertation, erworben hat, nicht unterschätzen: Sie machen einen für Arbeitsgruppen weltweit interessant und wertvoll. Wichtig ist natürlich die persönliche Motivation, wobei institutionalisierte Mentoring- und Sommer-Forschungs-Programme auch einen bedeutenden Beitrag leisten, um am jeweiligen Forschungsstandort Fuß zu fassen.
Was nehmt Ihr insgesamt an Erfahrungen mit und was möchtet Ihr gerne an Eure junge Kolleginnen und Kollegen weitergeben?
Ludwig: Ich nehme aus meinem Forschungsaufenthalt viel Positives mit. Insbesondere habe ich viel über Kommunikation gelernt. Für mich spielt vor allem die persönliche Entwicklung eine riesige Rolle bei dem Blick über den Tellerrand.
Blum: Auch wenn es noch so aussichtslos erscheint, am gewünschten Institut im Ausland einen Platz zu ergattern, sollte man es unbedingt probieren, die Initiative ergreifen, den Kontakt aufrechterhalten. Hartnäckigkeit zahlt sich aus.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Eure Zeit und die motivierenden Worte!