Ausblick

Alles beginnt mit einem EKG

Zukunft der Elektrophysiologie-- Die Elektrophysiologie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt: Neue Ablationsverfahren, neue Pacing-Methoden usw.. Bereits heute können viele Rhythmusstörungen kurativ behandelt werden. Trotzdem bleibt das EKG die Basis jeder Diagnostik.

Von Prof. Christian Veltmann Veröffentlicht:
Die technischen Entwicklungen in der Elektrophysiologie sind enorm, das EKG bleibt aber die Basis.

Die technischen Entwicklungen in der Elektrophysiologie sind enorm, das EKG bleibt aber die Basis.

© Lilia Sachartschuk/stock.adobe.com

Die kardiale Rhythmologie und Elektrophysiologie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer der bedeutendsten Subspezialitäten innerhalb der Kardiologie entwickelt. Sie umfasst die Diagnostik und Therapie mittels nicht-invasiver Möglichkeiten bis hin zur invasiven Verfahren wie die Katheterablation und Behandlung mit implantierbaren Devices. Die relevanteste Schnittstelle innerhalb der Kardiologie besteht sicherlich zur Herzinsuffizienz. Hier stellen die Katheterablation und die Implantation und Nachsorge von Defibrillatoren und Devices zur kardialen Resynchronisation prognostisch relevante Therapien dar.

Prof. Christian VeltmannElektrophysiologie Bremen

Prof. Christian VeltmannElektrophysiologie Bremen

© Veltmann

Faszination Elektrophysiologie

In der Rhythmologie und Elektrophysiologie wird ein ungemein großes Spektrum an erworbenen und angeborenen Herzerkrankungen mit unterschiedlichsten nicht-invasiven und invasiven Therapieoptionen in einem Altersbereich vom Neugeborenen bis hin ins hohe Alter behandelt. Alles beginnt mit dem EKG. Über die EKG-Diagnostik ist der rhythmologische Neuling früh in die Differenzialdiagnostik und mögliche Therapieentscheidungen sowie Indikationen für invasive und operative Therapieverfahren involviert. Vorhofflimmern und atriale Tachyarrhythmien als häufigste Rhythmusstörungen bestimmen in den meisten Zentren den interventionellen Alltag. Darüber hinaus werden inzwischen viele supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien interventionell mit kurativer Intention behandelt. Das ist einzigartig in der interventionellen Kardiologie und gibt dem Untersucher ein hohes Maß an Genugtuung und Zufriedenheit.

Neben der interventionellen Therapie nimmt die Devicetherapie einen ebenso großen Raum innerhalb der Rhythmologie und Elektrophysiologie ein. Seit Jahren werden diese Devices überwiegend von Elektrophysiologen implantiert, was das Spektrum der Elektrophysiologie um das operative Feld enorm erweitert hat. Über das interventionelle und operative Tätigkeitsfeld heraus werden Patienten mit oft angeborenen strukturellen und elektrischen Kardiomyopathien behandelt. Diese Therapie fußt meist auf einer speziellen Pharmakotherapie. Auch bei diesen Krankheitsbildern stellt das EKG die Basis zur Diagnose dar. Damit bietet die Rhythmologie die Möglichkeit interventionell, operativ und nicht-invasiv tätig zu sein.

Interventionelle Elektrophysiologie

In den letzten 40 Jahren hat sich die interventionelle Behandlung von Herzrhythmusstörungen von einer Vision zu einer etablierten – häufig kurativen Therapie – entwickelt. Über die Hochfrequenzstromenergie hinaus sind neue Ablationsverfahren wie die Kryotherapie und zuletzt die Katheterablation mittels „Pulse-Field-Technologie“ in der Klinik angekommen. Die Hochfrequenzstromenergie wie die Kryotherapie ist eine gewebeunspezifische Ablationsform. Sie ist in der Lage, neben dem gewünschten Effekt auf das Myokard, auch extrakardiale Strukturen wie N. phrenicus oder Ösophagus zu schädigen und dadurch relevante, potenziell letale Kollateralschäden zu verursachen. Die Pulse-Field-Energie stellt ein myokardspezifisches Ablationsverfahren dar. Erste klinische Daten zeigen, dass sie vor allem bei der Pulmonalvenenisolation und auch zur weiteren Substratmodifikation wie die Ablation und Isolation der posterioren Wand ein schnelles, sicheres und effektives Verfahren darstellt. Potenzial hat die Methode sicherlich auch auf Kammerebene bei der Therapie ventrikulärer Tachykardien (VT). Hier sind die Erfahrungen derzeit beschränkt auf Fallberichte und kleine Fallserien. Als bail-out-Option für therapierefraktäre VT besteht die stereotaktische kardiale Radiotherapie. Hierfür ist eine aufwendige Vorbereitung mit „Merging“ von Schnittbildgebung und elektroanatomischem Map zur Definition des Zielvolumens für die Bestrahlung nötig. Die Bestrahlung selbst ist für den Patienten sehr schonend. Das Outcome ist – auch aufgrund der limitierten Erfahrung – noch nicht abschließend beurteilbar.

Die Rhythmologie bietet die Möglichkeit interventionell, operativ und nicht-invasiv tätig zu sein.

Neben der Katheterablation hat die 3-dimensionale elektroanatomische Kartierung des Herzens, das sog. 3D-Mapping, enorme Fortschritte in der Visualisierung der Anatomie, der Substartcharakterisierung und der Klärung des Tachykardiemechanismus gemacht. Mithilfe dieser Technologien vor allem in Kombination mit Schnittbildverfahren wie dem kardialen CT und MRT ist die Hoffnung, gerade bei komplexen Substraten auf Vorhof- und Kammerebene die Erregungsabläufe nicht nur endokardial, sondern über die gesamte Myokardwand von epikardial bis endokardial nachzuvollziehen. Zudem sind vielversprechende Verfahren zur Visualisierung der Herzanatomie auf dem Weg, um die Strahlendosis weiter zu reduzieren oder künftig womöglich ganz darauf verzichten zu können. Dazu gehört die MRT-gestützte Katheterablation, die gänzlich ohne Röntgenstrahlung auskommt und der Katheter „realtime“ im Herzen visualisiert werden kann. Aktuell ist die Zahl der behandelten Patienten überschaubar. Ob sich das Verfahren in Zukunft durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Devicetherapie

Die klassische Devicetherapie bestand bis vor wenigen Jahren aus antibradykarder, antitachykarder und kardialer Resynchronisations-Therapie (CRT) mittels transvenöser oder – eher seltener – epikardial implantierter Elektroden. Inzwischen haben elektrodenlose Herzschrittmacher Einzug in die Versorgung erhalten. Mit diesen Systemen können Elektroden- und Taschen-assoziierte Komplikationen vermieden werden. Aktuell sind diese Systeme als 1-Kammer-Schrittmacher zur rechtsventrikulären Stimulation verfügbar. Ein elektrodenloser 2-Kammer-Schrittmacher mit transvenös impantierter Kapsel im rechten Vorhof und einem Device im rechten Ventrikel wird gerade in einer klinischen Studie erprobt.

Vieles hat sich im Bereich der CRT getan. Unter der CRT ist nicht nur die klassische biventrikuläre Stimulation zu verstehen, sondern auch die physiologische Stimulation des spezifischen Reizreistungssystems („conduction system pacing“). Hier gab es in den letzten Jahren eine rasende Entwicklung über die His-Bündel-Stimulation (HBP) bis hin zur Stimulation des linken Faszikels („left bundle branch area pacing“, LBBA-Pacing) zur synchronen elektrischen Aktivierung der Ventrikel. Gerade das LBBA-Pacing scheint technisch einfacher und verlässlicher als das HBP. Zur Optimierung der Resynchronisation kann die linksventrikuläre Stimulation über den Koronarsinus mit der Stimulation des spez. Reizleitungssystems am His-Bündel oder auch des linken Faszikels kombiniert werden. Inwieweit die Stimulation des Reizleitungssystems die konventionelle biventrikuläre Stimulation ablösen wird, müssen in zum Teil schon laufenden Studien zeigen.

Ausbildung und Qualitätssicherung

Um eine hohe Qualität in der Elektrophysiologie und Rhythmologie zu gewährleisten, sind neben einer kritischen Prozedurzahl die Kooperation des Zentrums mit angegliederten Fachabteilungen sowie Standards in der apparativen Ausstattung und Ausbildung nötig. Wünschenswert wäre ein der Facharztausbildung ähnliches Curriculum, um der Komplexität des Faches gerecht zu werden. Sicher sind bei dieser strukturierten Ausbildung auch spezielle Patientengruppen wie Kinder und Jugendliche sowie Patienten mit angeborenen Herzfehlern zu berücksichtigen, deren Therapie eine besondere Expertise bedarf. Zudem muss die Steigerung des Frauenanteils in der Elektrophysiologie Priorität haben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Sorge vor Strahlungsexposition sind laut Umfragen Hauptgründe, keine Karriere in diesem Fach anzustreben. Um die Elektrophysiologie weiblicher zu machen, steht die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle im Vordergrund. Daneben erscheint die Reduktion der Strahlenbelastung durch moderne 3D-elektroanatomische Mappingverfahren, wenn nicht auf „zero“, dann auf „near-zero“-fluoroscopy, möglich.

Fazit

Die Elektrophysiologie ist eines der facettenreichsten und spannendsten Fächern innerhalb der Kardiologie.

Durch technische Weiterentwicklungen im interventionellen und operativen Bereich können viele Rhythmusstörungen bereits heute mit kurativer oder zumindest prognostischer relevanter Intention behandelt werden.

Trotz aller Innovation beginnt aber weiterhin jede Therapieentscheidung mit einem EKG.

Kontakt-- Prof. Dr. Christian Veltmann, Elektrophysiologie Bremen

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