Zukunft der Herzmedizin

Der Widerspruch als treibende Kraft

Zukunft der kardialen Bildgebung-- „In die Zukunft schauen“ verbindet man häufig mit spekulieren, Hypothesen aufstellen, es impliziert subjektive Blickwinkel. Es gibt aus meiner Sicht viele Aspekte, die man betrachten sollte, um die Möglichkeiten der kardiovaskulären Bildgebung für unsere Patientinnen und Patienten auszuschöpfen und um eine effiziente, aber auch effektive Therapieführung zu erreichen.

Von Prof. Jeanette Schulz-Menger Veröffentlicht:
Die Kardio-MRT bringt viele Vorteile, oft scheitert es aber an der Verfügbarkeit.

Die Kardio-MRT bringt viele Vorteile, oft scheitert es aber an der Verfügbarkeit.

© [M] CN/mei; MRT-Befunde: Schulz-Menger; Hintergrund: Florian Peljak/SZ Photo/pa

Viele Fragestellungen profitieren vom Einsatz der multimodalen Bildgebung. Dennoch bedürfen nicht alle Fragestellungen jedes diagnostischen Verfahrens. Jede Form der Bildgebung hat einen sinnvollen und individuellen Platz innerhalb der diagnostischen Kette. Das bedarf einer hohen Kompetenz der Ausführenden – Kompetenz bezogen auf die Methode, aber vor allem auch auf die Fragestellung und auf das Wissen rund um die Erkrankung.

Prof. Jeanette Schulz-Menger Charité Berlin

Prof. Jeanette Schulz-Menger Charité Berlin

© Schulz-Menger

Die neue Weiterbildungsordnung formalisiert den Schritt, dass wir Kardiologinnen und Kardiologen uns sowohl der Kardio-CT als auch der kardiovaskulären MRT (CMR) widmen. Die nachzuweisenden 50 Fälle sind ein guter Anfang, aber in Zukunft sollte jeder Kardiologe/jede Kardiologin die Schnittbildverfahren genauso sicher wie die Echokardiografie beherrschen. Technische Entwicklungen von Hard- und Software unterstützen die Handhabung und eine zunehmende intellektuelle und digitale Vernetzung schafft zusätzliche Erleichterung.

In internationalen Leitlinien nehmen die bildgebenden Verfahren in ihrer Vielfalt zunehmend eine zentrale Rolle ein. Ohne Zweifel ist die Echokardiografie unsere Basismethode, die durch innovative Ansätze ständig verbessert wird. Die Kardio-CT ist bei vielen Fragestellungen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, und sie geht bereits erste Schritte in Richtung nicht invasiver Koronarplaqueanalysen.

MRT muss gelernt sein

Ich werde mich hier auf die CMR fokussieren, da sie aus meiner Sicht durch die multiplen Möglichkeiten große Chancen bietet, kardiovaskuläre Erkrankungen besser zu verstehen.

Während vor einem Vierteljahrhundert die CMR noch als Spielwiese für ein paar Enthusiasten galt und die Aufnahme eines Vierkammerblickes zehn Minuten dauern konnte, hat die Methode mittlerweile einen festen Platz in der klinischen Routine. Die Bedeutung des Einsatzes der CMR spiegelt sich in mehr als 30 ESC-Guidelines wider, in denen die CMR viele Klasse-I-Indikationen hat. Das umfasst die Differenzierung von Ursachen der Herzinsuffizienz, die Diagnose einer entzündlichen myokardialen Reaktion, die Ursachenfindungen beim NSTEMI mit unauffälligen Koronarien, aber auch die Ischämiediagnostik und vieles mehr. Die größten Hindernisse liegen in der Verfügbarkeit der Methode und in der vorhandenen Kompetenz. Ein ehemaliger kardiologischer Ordinarius sagte einmal vor ca. 15 Jahren: „Das Problem der Methode liegt darin, dass Leute die Frage stellen, die die Methode nicht kennen und Leute die Frage beantworten, die die Krankheit nicht kennen.“ Und genau an dieser Kommunikationsschnittstelle arbeiten wir national und international. Es braucht die vereinte Kraft aller, um die Ausbildungsaktivitäten zu verstärken, ein Reimbursement politisch durchzusetzen und ohne Zweifel die Durchführung selbst durch Standardisierung zu vereinfachen.

Die größten Hindernisse liegen in der Verfügbarkeit der MRT und in der vorhandenen Kompetenz.

Die DGK unter der Leitung von PD Dr. Andreas Rolf treibt insbesondere die Reimbursement- und Zertifizierungsaktivitäten voran. Diese Mühen der Ebene, um Brecht zu zitieren, kann man nicht hoch genug anerkennen.

Die heutigen CMR-Techniken gestatten bereits einen hohen Grad der Standardisierung über die unterschiedlichen Hersteller hinweg. Trotzdem ist es insbesondere bei den quantitativen Techniken notwendig, Normwerte entsprechend der spezifischen Bedingungen zu verwenden. Innerhalb der gesamten Bildgebungskette, die von der Indikationsstellung über die Bilderstellung und -auswertung bis hin zum Befund reicht, werden unterschiedliche Ansätze der Künstlichen Intelligenz Einzug erhalten, die einige Erleichterungen, aber auch Herausforderungen in sich bergen. In der Zukunft wird es notwendig sein, standortübergreifende Qualitätskriterien in der Bildgebung einzuführen, die ähnlich den Kriterien in Labor und Industrie eine bessere Vergleichbarkeit von Ergebnissen ermöglichen. Entsprechende erste Anstrengungen werden bereits unternommen.

KI und Digitalisierung

Während auf der einen Seite fragestellungsorientierte, klare, standardisierte Scanprotokolle etabliert werden, muss aber die Flexibilität erhalten bleiben, differenzialdiagnostisch symptomgesteuert zu agieren. Wenn man in die Zukunft schaut, werden ohne Zweifel viele Entwicklungen auf einer innovativen Forschung begründet sein. In dieser liegt eine große Kraft von uns allen, die hoffentlich in Zukunft leichter und besser vernetzt werden kann. Eine bessere Digitalisierung und ein Datenschutz, der Persönlichkeitsrechte schützt, aber auch einen vernetzten Wissenszuwachs erlaubt, sind Wünsche für die Zukunft – die wir eigentlich sofort brauchen.

Es sind viele Punkte, die sicherlich die zukünftige Entwicklung mit beeinflussen werden.

Der Blick in die Zukunft hat so einen gewissen Glaskugeleffekt, aber mit der Zeit gehend kann man ChatGPT (https://chat.openai.com) befragen. Da werden die folgenden Punkte für die Zukunft der kardiovaskulären Bildgebung genannt:

„Künstliche Intelligenz als revolutionierender Faktor unter dem Aspekt, dass Krankheitsmuster und Anomalien entdeckt werden, die dem menschlichen Auge entgehen.“ Davon bin ich auch überzeugt, auch wenn wir dem Gartner Hype cycle (https://www.gartner.com) folgend sicher noch oft desillusioniert werden. Aus meiner Sicht gibt es mehrere Aspekte: einmal die vereinfachte Quantifizierung, die aber noch einer erheblichen Qualitätskontrolle bedarf, aber uns Zeit zum Denken geben wird. Der andere Aspekt ist die zunächst noch KI-gestützte Diagnoseführung.

Erfreulicherweise nennt ChatGPT auch Hybridimaging, molekulare Bildgebung und 3-D-Druck. Alle drei Aspekte werden heute schon angewendet und haben die Chance, die Kardiologie zu revolutionieren.

In der CMR gibt es durch die enge Interaktion mit Kolleginnen und Kollegen aus den MINT-Fächern immer neue Entwicklungen, die uns die Detektion auch kleinster kardiovaskulärer Veränderungen erlauben wird. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: hochaufgelöste 3-D-Techniken, die Darstellung und Differenzierung von Fett und Narben auch in den dünnen Wänden der Atrien und des rechten Ventrikels erlauben, sind in Evaluierung und werden sicher zur Risikostratifizierung von Erkrankungen beitragen können. Durch andere Entwicklungen werden wir auf eine EKG-Triggerung verzichten können und sie werden uns multiparametrische 3-D-realtime-CMR gestatten. Dadurch wird die einfache, schnelle Durchführung des Scans möglich werden und bei einigen Indikationen auch kontrastmittelfrei. Spannende Forschungsprojekte in diesen Bereichen werden sicherlich viele werdende Kardiologinnen und Kardiologen auch von der Bildgebung begeistern. Genau auf dieser Generation liegt die Hoffnung, da sie ihre eigene Zukunft gestalten können.

Ein Gedanke sei noch der „lifespan“ gewidmet. Es wird nötig sein, zeitnah, wenig belastende CMR-Methoden zu etablieren, um auch sehr kranke und sehr alte Patienten untersuchen zu können. Erfreulicherweise gibt es bereits jetzt Untersuchungsabläufe, die auch in freier Atmung ausreichend gute Qualität erzielen. Ganz am anderen Ende des Lebens – nämlich am Anfang – gibt es ein aus meiner Sicht sehr wichtiges, aufstrebendes, aber herausforderndes Feld mit der fetalen CMR bei kongenitalen Erkrankungen. Erste Ergebnisse zeigen, dass durch sie insbesondere bei der Anatomie der Gefäße über das Echo hinaus wesentliche Informationen herausgearbeitet werden können.

Während die sich schnell entwickelnden MRT-Sequenzen aus meiner Sicht die Intelligenz eines MRT-Scanners abbilden, sind natürlich auch technische Entwicklungen bei der Hardware zu erwarten. Dabei spielen sowohl größere Bohrungen eine Rolle, um auch der im Umfang wachsenden Bevölkerung einen Zugang zu ermöglichen, aber auch Feldstärken von 0,55 bis 7 Tesla, die nicht in einen Wettstreit treten, sondern bei unterschiedlichen Fragestellungen und angepasst an die Umgebung eingesetzt werden sollten. Es beginnt auch ein Umdenken bei der „sustainability“ der MRT-Systeme, denn – wie wir alle miterleben – ist Energieeffizienz, aber auch die Wiederverwendbarkeit von Material zukunftsweisend und entscheidend.

Aber welchen Aspekt der Zukunft man auch betrachtet, man sollte mit Hegel und anderen Philosophen gehen und Widersprüche als treibende Kräfte des Fortschrittes auffassen. Nur durch die Offenheit, Widersprüchen nachzugehen, mit Widerständen umzugehen, wird man Neues entdecken.

Kontakt-- Prof. Jeanette Schulz-Menger; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Experimental Clinical Research Center, Kardiologie und Helios Klinikum Berlin-Buch,

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