DGK-Jahrestagung

Elektroden bei der Frau unter die Brust!

EKG-Diagnostik-- Geschlechterunterschiede in der EKG-Diagnostik sind mehr als QTc-Zeit-Veränderungen. Es gibt Unterschiede bei den EKG-Basics, bei den Arrhythmien – und einen wichtigen, der vor dem Schreiben beginnt: Die Lage der Elektroden bei der Frau.

Von Carola Göring Veröffentlicht:
EKG-Elektroden V4–V6 sollten bei Frauen unter der Brust geklebt werden.

EKG-Elektroden V4–V6 sollten bei Frauen unter der Brust geklebt werden.

© PHANIE / BURGER / Science Photo Library

Das EKG ist einer der Eckpfeiler in der Diagnose von Arrhythmien und myokardialen Ischämien. Wenn man an Geschlechterunterschiede denkt, beginnen diese beim Kleben der Elektroden, erläutert Prof. Carsten Jungbauer vom Universitätsklinikum Regensburg, und illustriert dies an einem Fall. Die 60-jährige Patientin kam am 4.2.2023 mit rezidivierenden Synkopen in die Notaufnahme. Im EKG hatte sie einen AV-Block 2. Grades, Mobitz 1, weshalb sie einen DDD-Schrittmacher bekommen hat. Eine Herzkatheteruntersuchung ergab eine mittelgradige RIVA-Stenose, die nicht interventionell behandelt werden musste. Am 11.4. kam sie zur Kontrolle in die Schrittmacherambulanz, es wurde ein EKG geschrieben. Die Mitarbeiterin rief Jungbauer dazu, weil ihr ST-Strecken-Senkungen und T-Negatierungen in den Ableitungen V4–V6 aufgefallen waren. Sie hatte vorsichtshalber ein Labor abgenommen und ein Herzecho angemeldet. Die Patientin an sich war beschwerdefrei und hatte keine Auffälligkeiten.

Was war passiert? Jungbauer verglich die EKGs vom 4.2. und 11.2. Ihm fiel auf, dass die Extremitätenableitungen und die V1–V3-Ableitungen komplett identisch waren. Daraufhin ließ er das EKG noch mal schreiben, mit der Vorgabe, die Elektroden V4–V6 unter die Brust zu kleben. Im 3. EKG findet man – anderes als im 2. – in V4–V6 eine praktisch identische Ableitung wie im 1. EKG. Das bedeutet, dass diese ST-Strecken-Veränderungen im 2. EKG darauf zurückgeführt werden können, dass es anders geschrieben wurde. Dies war tatsächlich der Fall, denn die Mitarbeiterin und die Abdruckmarken der Patientin bestätigten, dass sie V4–V6 auf die Brust geklebt hatte.

Es scheint also gar nicht so einfach, ein EKG bei Frauen richtig abzuleiten. Dabei sind die anatomischen Positionen, an denen die EKG-Elektroden geklebt werden sollen, klar benannt [1]. Es gibt auch eindeutige Guidelines der britischen Gesellschaft für Kardiologische Wissenschaft und Technologie [2]:

V4–V6-Elektroden sollen, vor allem dann, wenn die Brust die anatomischen Landmarken deutlich überragt, sanft! unter die Brust geklebt werden.

Dazu soll man mit der flachen Hand die Brust nach oben heben, und dann das EKG dort kleben, wo man es normalerweise kleben würde.

Dies wird jedoch von vielen Krankenpflegern und auch Ärztinnen und Ärzten nicht korrekt gemacht. Eine Studie von 2008 zeigt, dass 49 % des Pflegepersonals und 31 % der Ärzte (ohne Kardiologen) – „und am enttäuschendsten von allen“, so die Autoren – nur 16 % der Kardiologen die Elektroden V1 und V2 korrekt anlegen [3]. Auch V5 und V6 wurden oft falsch positioniert. Ein Review kommt zu dem Schluss, dass eine unsachgemäße Elektrodenplatzierung zu einer falschen EKG-Diagnose eines Herzinfarktes führen kann. Wie Jungbauer erläuterte, komme dazu, dass immer ein männlicher Torso als Anatomiegrundlage zum Elektrodenkleben verwendet wird.

Vor dem Hintergrund, dass Frauen mit akutem Koronarsyndrom in der Klinik sowie in der präklinischen Versorgung weniger Diagnostik und Therapien erhalten als Männer, sei eine weitere Studie aus der Notfallmedizin interessant, sagte Jungbauer. Diese hat untersucht, wie Frauen die präkordiale Elektrodenplatzierung im Rettungsdienst wahrnehmen. Dabei bevorzugten 52 % der Patientinnen die Platzierung auf ihrer Brust, 38 % war dies egal und 10 % bevorzugten die Platzierung unter der Brust. 94 % gaben an, dass sie einem präklinischen EKG unabhängig vom Geschlecht der Rettungscrew zustimmen würden.

Geschlecht berücksichtigen!

Jungbauer betonte abschließend, man müsse sich bewusst machen, dass ein falsch geschriebenes EKG bei einer beschwerdefreien Patientin einen Rattenschwanz an Diagnostik bis zum Herzkatheter triggern könne. Damit seien die Hausaufgaben klar, ergänzte PD Dr. Ute Seeland, Charité Berlin. Jeder müsse seine EKG-Schreibroutinen in der Praxis oder der Abteilung prüfen. Interessant sei auch der Genderaspekt, dass Frauen die Elektroden lieber auf die Brust geklebt haben möchten. Wer das weiß, kann seinen Patientinnen das EKG-Schreiben ganz anders kommunizieren, so Seeland: „Die EKG-Elektroden bei der Frau gehören unter die Brust, weil dadurch die Ableitung genauer und reproduzierbarer wird!“.

Fazit

Häufig kleben Kardiologen/Kardiologinnen die EKG-Elektroden bei Frauen nicht richtig an.

Die richtige Positionierung ist für die Diagnostik aber wichtig.

Quelle-- 89. DGK-Jahrestagung, vom 12. bis 15. April 2023 in Mannheim.

Literatur-- 1. Hadjiantoni A et al. Cardiol Cardiovasc Med. 2021;5(2):182-200
2. Campell B et al. SCST 2017; http://www.scst.org.uk/resources/SCST_ECG_Recording_Guidelines_2017
3. Rajaganeshan R et al. Int J Clin Pract. 2008;62(1):65-70
4. Khunti K. Health Educ J. 2014;73(5): 610-23

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