ACC-Kongress

Komplexe Läsionen: Hinsehen lohnt sich

Perkutane Koronarintervention-- Wer bei komplexen Koronarläsionen eine intravaskuläre Bildgebung zur Hilfe nimmt, tut den Patienten einen Gefallen. Nicht nur Zielgefäßinterventionen, auch klinische Ereignisse sind seltener.

Von Philipp Grätzel Veröffentlicht:
Der Einsatz des intravaskulären Ultraschalls verbesserte die Ergebnisse bei komplexen PCI-Prozeduren.

Der Einsatz des intravaskulären Ultraschalls verbesserte die Ergebnisse bei komplexen PCI-Prozeduren.

© Pitchayanan Kongkaew / Getty images / iStock

Sind Interventionen an komplexen Läsionen ohne intravaskuläre Bildgebung bald ein Kunstfehler? Die bei der ACC-Tagung in New Orleans vorgestellten und zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlichten Ergebnisse der RENOVATE-COMPLEX-PCI-Studie sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache. Wer sich bei den perkutanen Interventionen (PCI) von intravaskulärem Ultraschall (IVUS) oder optischer Kohärenztomografie (OCT) helfen ließ, der reduzierte das Risiko primärer Endpunktereignisse – Zielgefäßversagen, definiert als kardialer Tod, Myokardinfarkt im Zielgefäß oder klinisch getriebene Revaskularisation – um rund 40 %. Etwa 22 Patienten mit komplexen Läsionen müssen mit intravaskulärer Bildgebung versorgt werden, um im Vergleich zu Angiografie-gesteuerter PCI eines der genannten Ereignisse zu verhindern (7,7 % vs. 12,3 %; Hazard Ratio, HR: 0,64; 95%-KI: 0,45–0,89; p = 0,008).

Alle Endpunktkomponenten reduziert

Die RENOVATE-COMPLEX-PCI-Studie wurde in New Orleans von Prof. Joo-Yong Hahn vorgestellt, Direktor der Interventionellen Kardiologie am Samsung Medical Center in Seoul. An der randomisierten, nicht verblindeten Studie nahmen 1.639 Patientinnen und Patienten teil, im Median 66 Jahre alt und ein Fünftel Frauen. Im Bildgebungsarm konnte die Art der Bildgebung frei gewählt werden, drei von vier Operateuren entschieden sich für den IVUS. Bei den Läsionen bot sich ein buntes Bild, mehr als eine Läsion war die Regel. Bei jeweils rund einem Fünftel der Patienten lagen Bifurkationsläsionen bzw. chronische Okklusionen (CTO) vor, jeder sechste hatte eine ostiale Läsion, ein gutes Zehntel einen ungeschützten Hauptstamm. Diffuse langstreckige Läsionen hatte mehr als jeder zweite, und PCI-Eingriffe an mindestens zwei Koronarien waren bei mehr als jedem dritten nötig.

Die intravaskuläre Welt hat gesprochen, die Frage ist jetzt, ob die Community auch zuhört.

Zitat Dr. Wayne Batchelor

Die mediane Nachbeobachtungszeit für den oben genannten primären Endpunkt betrug 2,1 Jahre. Was die einzelnen Endpunktkomponenten angeht, zeigte sich ein relativ homogenes Bild. Das Ergebnis ist nicht ausschließlich durch die Revaskularisationen getrieben, auch Infarkte und kardiale Todesereignisse waren bei Einsatz der Bildgebung jeweils in ähnlichem Umfang reduziert. So trat ein Myokardinfarkt im Zielgefäß bei 3,7 % bzw. 5,6 % der Patienten auf, ein kardiales Todesereignis bei 1,7 % bzw. 3,8 %. Den kombinierten klinischen Endpunkt „Infarkt im Zielgefäß oder kardialer Tod“ erreichten 5,3 % bzw. 8,5 % der Patienten. Das war statistisch signifikant (HR: 0,63; 95%-KI: 0,42–0,93).

Längere Interventionszeit, aber nicht mehr Nierenschäden

Der Preis, der für diesen Erfolg gezahlt werden musste, war relativ gering. Es wurde rund 10 % mehr Kontrastmittel benötigt, aber bei den kontrastmittelinduzierten Nephropathien gab es keinen Unterschied. Die mediane Zeit für die Prozedur betrug 53 Minuten bei Angiografie-Steuerung und 70 Minuten bei Einsatz der Bildgebung. Im Mittel wurden in beiden Gruppen 1,5 Läsionen versorgt. Hahn wies in seinem Vortrag darauf hin, dass sich die beiden Bildgebungsmodalitäten hinsichtlich der Endpunktreduktion relativ ähnlich verhielten, es gab keinen offensichtlichen Vorteil für das eine oder andere Verfahren.

Die ersten Reaktionen auf die RENOVATE-COMPLEX-PCI-Ergebnisse fielen ausgesprochen positiv aus: „Die intravaskuläre Welt hat gesprochen, die Frage ist jetzt, ob die Community auch zuhört“, sagte Dr. Wayne Batchelor, Direktor der Interventionellen Kardiologie am Inova Herzzentrum in Fairfax, Virginia. Dr. Faisal Rahman von der John Hopkins Universität wies auf Twitter darauf hin, dass es eine starke Kontinuität der Bildgebungsstudien von IVUS-XPL über ULTIMATE und ROCK II bis hin zu RENOVATE-COMPLEX-PCI gebe, es sich also nicht um einen Ausreißer handele. Ins selbe Horn stieß Dr. Akl Fahed vom Massachusetts General Hospital, ebenfalls auf Twitter: „Können wir jetzt bitte eine Klasse-I-Leitlinienempfehlung haben?“

Fazit

Der Einsatz der intravaskulären Bildgebung bei PCI von komplexen Läsionen verbesserte die Prognose deutlich.

Dabei gab es kaum Nachteile durch die Verwendung der Bildgebungsmodalitäten.

Literatur-- Lee JM. N Engl J Med. 2023; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2216607

Quelle-- Late Breaking Clinical Trials II. ACC-Kongress 2023, 4. bis 6. März 2023, New Orleans

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