Lohnt es, jede Bradykardie aufzuspüren?

Langzeit-Monitoring-- Ein intensiviertes Screening auf Vorhofflimmern steigert auch die Rate an Bradykardie-Diagnosen beträchtlich, zeigt eine Post-hoc-Analyse der LOOP-Studie. Experten sehen darin ein zweischneidiges Schwert.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:

Durch ein fortlaufendes Rhythmusmonitoring mittels implantierbarer Loop-Rekorder lässt sich nicht nur bisher unerkanntes Vorhofflimmern aufspüren. Ein solches Screening bringt offenbar in nicht wenigen Fällen weitere „Zufallsbefunde“ mit sich, wie eine Post-hoc-Analyse der randomisierten LOOP-Studie deutlich macht. Laut dieser Auswertung steigert ein implantierter Loop-Rekorder die Häufigkeit neu diagnostizierter Bradykardien um das Sechsfache im Vergleich zur üblichen Versorgung. Die höhere Detektionsrate führte zu einem deutlichen Anstieg an Schrittmacherimplantationen. Bedauerlicherweise hatte dieser aber keinen Einfluss auf die Prognose der Patienten in Bezug auf das Auftreten von Synkopen und Fällen von plötzlichen Herztoden.

Screening als „zweischneidiges Schwert“

Die beiden US-Kardiologen Prof. Mark Schoenfeld und Dr. Kristen Patton sehen die höheren Diagnose-Raten, die ein intensiviertes Arrhythmie-Screening mit sich bringt, deshalb als „zweischneidiges Schwert“. Ein verstärktes Monitoring erhöhe eindeutig die Sensitivität für die Detektion lebensbedrohlicher Arrhythmien, was offensichtliche Vorteile haben könne in einer gefährdeten Patientenpopulation, schreiben sie in einem Editorial zur Studie. Auf der anderen Seite besteht ihrer Ansicht nach bei einem solchen Monitoring die Gefahr von Überdiagnostik und Übertherapie, die nicht ignoriert werden könne.

Bereits die Primäranalyse der LOOP-Studie hatte in Fachkreisen die Frage nach dem klinischen Nutzen eines intensivierten Arrhythmie-Screenings aufgeworfen. 6.004 Patientinnen und Patienten in einem Alter ≥ 70 Jahren mit einem hohen Schlaganfallrisiko, aber bis dato ohne Vorhofflimmern-Diagnose, sind im Rahmen der Studie 1:3 randomisiert worden: entweder wurde bei ihnen ein Loop-Rekorder (ILR) implantiert oder sie erhielten die übliche Versorgung mit regelmäßigen Hausarztbesuchen. Während der gut fünfjährigen Studiendauer war die Vorhofflimmern-Detektionsrate in der ILR-Gruppe um das gut Dreifache erhöht, auf die Schlaganfallrate ausgewirkt hatte sich das aber nicht.

In der aktuellen Post-hoc-Analyse haben die Autoren um Dr. Søren Zöga Diederichsen nun die während der Studienzeit detektierten Bradyarrhythmie-Neudiagnosen in beiden Gruppen miteinander verglichen. Wenig überraschend war die Detektionsrate in der ILR-Gruppe mit 20,8 % um ein Vielfaches höher als in der Kontrollgruppe mit 3,8 % (Hazard Ratio, HR: 6,21; p < 0,001). Allerdings waren die in der ILR-Gruppe nachgewiesenen Bradyarrhythmie-Episoden in den meisten Fällen asymptomatisch (79,8 %), wohingegen in der Kontrollgruppe – erwartungsgemäß – hauptsächlich symptomatische Bradyarrhythmien erkannt worden sind (zu 76,2 %). Am häufigsten wurden Sinusknotendysfunktionen, gefolgt von hochgradigen AV-Blöcken diagnostiziert.

Die höhere Detektionsrate in der ILR-Gruppe führte dazu, dass bei diesen Patienten signifikant häufiger Schrittmacher implantiert wurden als in der Kontrollgruppe (4,5 % vs. 2,9 %; HR: 1,53; p < 0,001). Dieser Anstieg an Pacing-Therapien hatte gesamt betrachtet aber keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Synkopen (2,2 % vs. 2,7  %; HR: 0,83; p = 0,34) und plötzlichen Herztoden (1,2 % vs. 1,1 %; HR: 1,11; p = 0,71).

Diskussionen um die klinische Relevanz

„Bei mehr als 1 von 5 über 70-jährigen Personen mit kardiovaskulären Risikofaktoren kann eine Bradyarrhythmie diagnostiziert werden, wenn ein kontinuierliches Langzeitmonitoring auf Vorhofflimmern eingesetzt wird“, fassen die Autoren die Ergebnisse zusammen. Nichtsdestotrotz stellen Diederichsen und sein Team die klinische Bedeutung solch zufällig entdeckter Befunde zur Diskussion: Wenn Rhythmusstörungen in einem asymptomatischen subklinischen Stadium detektiert werden, stelle sich die Frage, ob abnormale Befunde ein klinisches Problem repräsentierten, das einer Diagnose und Behandlung bedarf, oder ob sie lediglich einen Risikomarker ohne Implikationen darstellten.

Dass eine Bradyarrhythmie womöglich eher als Risikomarker einer nicht arrhythmischen Erkrankung und weniger als eigenständige Erkrankung zu betrachten ist, postulieren auch die Editorial-Verfasser. Ihre Vermutung begründen sie mit einem weiteren Ergebnis der aktuellen LOOP-Analyse: Die allgemeine Diagnose einer Bradykardie war nämlich signifikant mit dem Auftreten von Synkopen, mit dem kardiovaskulären Tod und der Gesamtmortalität assoziiert. Dieser Zusammenhang zeigte sich aber unabhängig von dem jeweiligen Studienarm. Sprich, es scheint so, als hätte die Schrittmachertherapie zumindest in einigen Fällen nicht die gewünschte Wirkung gebracht (z. B. Synkopen verhindert). „Die Ergebnisse der LOOP-Studie deuten somit an, dass wir den medizinischen Kontext, unter dem es zu Bradykardien kommt, womöglich überdenken müssen“, geben Schoenfeld und Patton zu bedenken.

Fazit

Ein Langzeit-Screening mit Loop-Rekordern steigert die Detektionsrate von Bradyarrhythmien beträchtlich.

Die klinische Bedeutung solcher zufällig entdeckter Arrhythmien ist allerdings unklar.

Literatur-- Diederichsen SZ et al. JAMA Cardiol. 2023; https://doi.org/10.1001/jamacardio.2022.5526

Schoenfeld MH, Patton KK. JAMA Cardiol. 2023; https://doi.org/10.1001/jamacardio.2022.5541

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