DGK-Jahrestagung

Wann ein gesundes Leben nicht reicht

Medikamentöse Prävention-- Ein gesunder Lebensstil kann viel zur kardiovaskulären Prävention beitragen. Wann dieser an seine Grenzen kommt und mit Medikamenten nachgeholfen werden sollte, verrät ein Experte bei der Jahrestagung.

Von Joana Schmidt Veröffentlicht:

Ein für die Herzgesundheit optimaler Lebensstil setzt sich zusammen aus Bewegung, Nichtrauchen und einer gesunden Ernährung wie die mediterrane Variante. Das gilt für alle Patienten und Patientinnen. Wann zusätzlich medikamentös behandelt werden sollte, erläuterte Prof. Ingo Hilgendorf vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen. In seinem Vortrag ging es vor allem um Nicht-Sekundärpräventionspatienten, definiert als Personen, die zwar erkrankt, aber noch nicht atherosklerotisch erkrankt sind. Sie haben z. B. Diabetes, chronische Nierenerkrankungen, Hypertonie oder Dyslipidämie. Je nach Art und Progress der Erkrankung und zusätzlicher Risikofaktoren ist ihr kardiovaskuläres Risiko moderat bis sehr hoch.

Medikamentöse Möglichkeiten

Die größten kardiovaskulären Risikofaktoren in wohlhabenden EU-Ländern sind Rauchen und Diabetes, gefolgt vom erhöhten Cholesterin, Hypertonie, Bewegungsmangel und Adipositas. „Bewegt man einen Raucher zum Nichtrauchen, kann man sein kardiovaskuläres Risiko innerhalb von fünf bis zehn Jahren wieder auf das eines Nichtrauchers reduzieren“, so Hilgendorf. In einer Studie gelang das mit Nikotinersatzprodukten wie Kaugummis oder Pflastern etwas besser als ohne. Die E-Zigarette sei dagegen keine gesunde Alternative. Adipositas ist zwar deutlich weniger risikosteigernd als Rauchen, aber hochprävalent. In einer Studie ging eine Gewichtsreduktion mit bariatrischer Chirurgie bei stark adipösen Personen mit einem erniedrigten Risiko für Herzerkrankungen und Tod einher. „Ob sich das auch mit Medikamenten erreichen lässt, ist noch unklar, es wird aber am Effekt von GLP1-Rezeptorantagonisten geforscht, die beim Abnehmen helfen können“, berichtete der Kardiologe. „Bei Diabetes gilt zusammengefasst: Wir sollten wegkommen vom Insulin und mehr mit modernen Therapeutika arbeiten, das sind orale SGLT2-Hemmer oder GLP1-Rezeptorantagonisten in Spritzenform“.

„Eine Daumenregel bei Hypertonie ist: Wenn Sie den Blutdruck über wenige Jahre um je 5 mmHg senken können, können sie 5 % kardiovaskulär bedingte Todesrate einsparen – und natürlich hat das auch positive Effekte auf andere Endpunkte wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz“, riet der Experte. In der Hypertonieleitlinie wird nach wie vor eine Obergrenze von 130(–139)/ 80(–89) mmHg genannt. Ab Werten über 160 mmHg sollte man medikamentös therapieren, und zwar frühzeitig mit Kombinationen, lautet die Empfehlung.

LDL-Zielwerte hängen vom Risiko ab

„Ein normaler LDL-Cholesterinwert ist nicht gleichbedeutend mit einem gesunden“, so Hilgendorf. In einer Studie hatte die Hälfte der Personen mit KHK ein optimales LDL-C < 110 mg/dl, bevor sie wussten, dass sie krank waren. Sobald der Wert über 70 steige, fange man bereits an, atherosklerotische Läsionen einzusammeln, so der Kardiologe. „Jeder Patient mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen war zuvor ein Primärpräventionspatient“, fügte er hinzu. LDL-C-Werte hängen vom kardiovaskulären Risiko ab – „one size fits all“ gelte hier nicht. Leitlinienbasierte Zielwerte bei moderatem, hohem und sehr hohem Risiko seien jeweils ein LDL-C von < 100, < 70  bzw. < 55 mg/dl. „Das gelingt in der Regel nur mit Medikamenten“, so Hilgendorf. Für die Risikoberechnung in der eigentlichen Primärprävention ohne Vorerkrankungen empfiehlt er den SCORE2, der auf der Homepage des BNK zu finden ist (www.scores.bnk.de/score2--2021-.html). „Je früher Sie anfangen, Patienten und Patientinnen mit familiärer Hypercholesterinämie herauszufischen und ihnen Statine oder andere Medikamente zu verschreiben, desto eher können sie einen Unterschied beim ereignisfreien Überleben machen“, resümierte der Experte

Fazit

Oftmals ist es nur reine Lebensstilmaßnahmen nicht möglich, das kardiovaskuläre Risiko ausreichend zu senken.

Gerade bei Patientinnen und Patienten mit Hypertonie oder erhöhtem LDL-Cholesterin kann eine frühe medikamentöse Therapie die Prognose wesentlich beeinflussen.

Quelle-- 89. DGK-Jahrestagung, 12.–15. April 2023, Mannheim

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