Arbeits- und Strahlenschutz im Katheterlabor

Interventionelle Kardiologie-- Technologischer Fortschritt hat dazu geführt, dass Patientinnen und Patienten heute auf höchstem Niveau minimalinvasiv im Katheterlabor behandelt werden. In Zeiten zunehmenden Wettbewerbs um qualifiziertes Personal kommt dem Arbeits- und Strahlenschutz der Mitarbeiter – neben dem Schutz der Patienten – besondere Bedeutung zu.

Von Prof. Ellen Hoffmann und PD Dr. Florian Straube Veröffentlicht:
Strahlenschutz für Kopf, Schläfen, Hals, Oberarme, Torso und Schienbeine.

Strahlenschutz für Kopf, Schläfen, Hals, Oberarme, Torso und Schienbeine.

© Straube

Im Katheterlabor zu arbeiten bedeutet, sich gesundheitlichen Risiken auszusetzen. Dazu gehören neben tageslichtfreien Arbeitsplätzen und psychosozialen Aspekten insbesondere die Arbeit mit Röntgenstrahlung und ein Risiko für Haltungsschäden durch Tragen schwerer Strahlenschutzkleidung. Entsprechend zeigen Studien und Umfragen eine Häufung bestimmter Krankheitsbilder beim Katheterpersonal. So haben 50 % der interventionell tätigen Kardiologinnen und Kardiologen und 41 % des Assistenzpersonals Katarakt-Vorstufen der Augenlinse [1], die Häufigkeit für Atherosklerose der linksseitigen Halsgefäße ist erhöht [2] und ein Zusammenhang zwischen Röntgenstrahlung und vorwiegend linksseitig auftretenden Hirntumoren wird diskutiert [3].

Prof. Ellen Hoffmann, Herzzentrum München Bogenhausen

Prof. Ellen Hoffmann, Herzzentrum München Bogenhausen

© Hoffmann

PD Dr. Florian Straube, Herzzentrum München Bogenhausen

PD Dr. Florian Straube, Herzzentrum München Bogenhausen

© Jeannette Isfahanian

Das vermehrte Auftreten dieser Erkrankungen könnte durch Sekundärstrahlung konventioneller Bleischürzen oder durch die von links schräg unten auftreffende Streustrahlung erklärt werden. Insbesondere im Bereich des Kopfes und der Augen, aber auch im Bereich der Brust– bei seitlichen Öffnungen für die Arme – kann die Strahlung in den Thorax einfallen. Die kontinuierlich steigende Anzahl und die Komplexität von Untersuchungen im Katheterlabor haben das Arbeitspensum des Herzkatheter-Teams deutlich erhöht. Aufgrund des Gewichts von konventionellen Röntgenschürzen haben zudem bis zu 49 % der interventionell tätigen Kardiologen Wirbelsäulenbeschwerden [4].

Abb. 1-- Spezielle Strahlenschutzsysteme ermöglichen das Arbeiten ohne Gewicht auf den Schultern.

Abb. 1-- Spezielle Strahlenschutzsysteme ermöglichen das Arbeiten ohne Gewicht auf den Schultern.

© Straube

Neue Systeme für besseren Schutz

Bei der Planung und Ausstattung neuer Katheterlabore wird deshalb dem Strahlen- und Arbeitsschutz eine zentrale Bedeutung beigemessen. Strahlenarme, deckenmontierte Messplätze kombinieren heutzutage Angiografie, Fluoroskopie, intravaskulären Ultraschall, Hämodynamik und Physiologie (iFR und FFR) in einer Plattform, um so nicht nur einen ultraniedrigen Kontrastmittelverbrauch bei einer strahlenreduzierten komplexen Koronarintervention (ULCPCI) zu ermöglichen, sondern auch die interventionelle Klappentherapie benutzerfreundlich zu machen und Prozedurzeit zu verkürzen.

Ein beidseitiger Untertischstreustrahlenschutz sowie ein großes patientenseitiges Bleiglas mit Lamellen reduzieren zusätzlich die Strahlenexposition des Untersuchers und des Assistenzpersonals.

Nach dem Abstandsquadratgesetz nimmt die Strahlendosisleistung pro Fläche mit zunehmendem Abstand von der Strahlenquelle umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands ab. Durch großzügige Raumgestaltung ist es möglich, genügend Abstand zur Strahlenquelle zu halten. Der Einsatz spezieller und sehr leichter Headsets gewährleistet eine störungsfreie, sichere Kommunikation im Team bis in die Lager- und Aufbereitungsbereiche.

Abb. 2-- Ein spezielles System bietet Strahlenschutz für Kopf, Schläfen, Hals, Oberarme, Torso und Schienbeine.

Abb. 2-- Ein spezielles System bietet Strahlenschutz für Kopf, Schläfen, Hals, Oberarme, Torso und Schienbeine.

© Straube

Deutliche Abnahme der Strahlenbelastung nachgewiesen

Zur Entlastung der Wirbelsäule und des Haltungsapparats sowie für eine zusätzliche Reduktion der Strahlenexposition des Personals steht das Strahlenschutzsystem „Zero-Gravity“® (Biotronik) zur Verfügung. Diese Kombination aus apparativem und persönlichem Strahlenschutz ist das derzeit einzige System seiner Art. Es kann deckenhängend an einem Schienensystem befestigt werden und der Anwender klinkt sich bei Bedarf lediglich in das steril verpackte System ein. Ohne das Gewicht einer Schutzkleidung auf den Schultern zu spüren (Abb. 1) kann man sich frei bewegen, drehen oder über den Untersuchungstisch beugen mit maximaler Flexibilität. Das geht auch im Sitzen von höhenverstellbaren Untersucherstühlen aus. Alternativ wird auch eine fahrbare mobile Version ohne Notwendigkeit eines deckenbefestigten Schienensystems angeboten.

Registerdaten belegen eine deutliche Abnahme der Streustrahlung durch das System [5]. Es bietet durchgehenden Strahlenschutz für Kopf, Schläfen, Hals, Oberarme, Torso und die Schienbeine (Abb. 2). Der Bleigleichwert des vorderen Körperschilds und des Schulterschutzes beträgt mindestens 1,0 mm Pb, der Bleigleichwert des Kopfschutzes der seitlichen Körperschilde beträgt mindestens 0,5 mm Pb. In Simulationen konnte eine 16- bis 78-fache Reduktion der Strahlenexposition für den Untersucher gezeigt werden [6]. Auch klinische Daten unterstreichen die verbesserte Wirksamkeit des Systems gegenüber konventioneller Strahlenschutzkleidung in Bezug auf Strahlenexposition und Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden [7]. Für Koronarinterventionen konnte eine Reduktion der auf den Untersucherkopf einwirkenden Strahlendosis um 94 % nachgewiesen werden [8]. Das Besondere: Das System schützt auch das neben dem Anwender stehende Personal [5]. Die bestehende Evidenz hat bereits die Europäische Gesellschaft für Gefäßchirurgie in ihren kürzlich veröffentlichten Empfehlungen „Clinical Practice Guidelines on Radiation Safety“ veranlasst, den Einsatz des Strahlenschutzsystems bei Hochdosis-Interventionen mit einer IIa-Empfehlung zu versehen [9].

Lassen sich die genannten potenziellen Vorteile im Alltag praktikabel bei einer Vielzahl unterschiedlicher interventioneller Prozeduren nachweisen, ist mit einer zunehmenden Verbreitung des Systems und dem Einzug in die Herzkatheterlabore zum Zwecke der Arbeitssicherheit und Entlastung des Personals zu rechnen.

Fazit

Innovative Medizintechnik ermöglicht es den Kliniken, ihre Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und zu unterstützen.

Die Bildung stabiler Teams durch Freude und Begeisterung am Arbeitsplatz „Herzkatheter“ werden so gefördert mit dem Ziel, eine langfristige gesunde Tätigkeit zum Wohl der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen.

Literatur bei dem Verfasser/der Verfasserin

Kontakt-- PD Dr. Florian Straube, Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, München Klinik Bogenhausen, München Klinik gGmbH, Herzzentrum München-Bogenhausen;

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