Hilft die extrakorporale Reanimation jetzt oder nicht?

Herzstillstand-- Die Wirksamkeit einer extrakorporalen Reanimation (eCPR) bei Herzstillstand scheint auf der Hand zu liegen. Doch bisherige Studien haben widersprüchliche Ergebnisse hervorgebracht. Hilft die eCPR jetzt oder nicht? Eine kritische Bewertung der Evidenzlage von 2023.

Von Prof. Dr. D. Dürschmied und Prof. Dr. T. Wengenmayer Veröffentlicht:
Die veno-arterielle ECMO bei laufender Reanimation kann Menschen mit Herzstillstand auch dann noch retten, wenn mit konventionellen Methoden kein ROSC erreicht wurde.

Die veno-arterielle ECMO bei laufender Reanimation kann Menschen mit Herzstillstand auch dann noch retten, wenn mit konventionellen Methoden kein ROSC erreicht wurde.

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Die extrakorporale kardiopulmonale Reanimation – also die Implantation eines veno-arteriellen extrakorporalen Membranoxygenierungssystems unter laufendender Reanimation – ist eine potenziell lebensrettende Maßnahme, die dann alternativlos erscheint, wenn der Kreislauf auch nach längerer Reanimationszeit nicht zurückkehrt (return of spontaneous circulation – ROSC). Pathophysiologisch erscheint das Konzept, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das fehlende Herzzeitvolumen und den daraus resultierenden Perfusionsdruck zu ersetzen, äußerst stringent und attraktiv. Diese sehr ressourcenintensive Maßnahme wird weltweit immer häufiger angewendet, wenngleich die Überlegenheit der eCPR über die konventionelle Reanimation noch nicht wissenschaftlich eindeutig geklärt ist.

Prof. Dr. Tobias Wengenmayer, Universitätsklinikum Freiburg.

Prof. Dr. Tobias Wengenmayer, Universitätsklinikum Freiburg.

© Wengenmayer

Prof. Dr. Daniel Dürschmied, Universitätsmedizin Mannheim

Prof. Dr. Daniel Dürschmied, Universitätsmedizin Mannheim

© Dürschmied

Widersprüchliche Registerergebnisse

Registerstudien zeigen eindrucksvoll, dass ein möglichst frühzeitiger Einsatz der eCPR Leben retten kann. Ein japanisches, multizentrisches Register [1] mit über 1.600 Patientinnen und Patienten zeigte einen fast linearen Zusammenhang von Dauer der Reanimation und Überleben. Die Autoren berichteten Überlebensraten von bis zu 50 bis 20 % nach 20 bzw. 60 Minuten CPR. Demgegenüber stehen Registervergleiche aus Frankreich und Belgien mit kleineren Fallzahlen. Im französischen Programm [2] wurden 525 eCPR-Patienten 12.666 konventionell reanimierten Patienten gegenübergestellt. Auch nach Propensity-Score-Matching konnte kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Überlebens festgestellt werden: In beiden Gruppen überlebten rund 8 % bis zur Krankenhausentlassung. In der eCPR-Gruppe wurden 99 % länger als 30 Minuten reanimiert (Laktat 14,5 mmol/L), während dies in der Kontrollgruppe 77 % waren (Laktat 6,9 mmol/L). Eine kleinere Studie aus Belgien (n = 112 vs. 523) wiederum ergab einen Überlebensvorteil für die eCPR: 21 % der damit behandelten Patienten überlebten die kommenden drei Monate mit günstigem neurologischen Outcome vs. 11 % der Patienten mit konventioneller CPR [3]. Solch unterschiedliche Ergebnisse aus Registern deuten unter anderem auf unterschiedliche Einschlusskriterien und Verfahrensweisen und Trainingszustände der Teams hin.

Seit 2020 sind drei randomisierte Studien zum Thema eCPR erschienen.

Klare Wirksamkeit in ARREST

In der ARREST-Studie wurden Patientinnen und Patienten mit außerklinischem Herzstillstand und refraktärem Kammerflimmern oder pulsloser ventrikuläre Tachykardie in einen eCPR- oder Standard-ALS-Therapiearm (jeweils n = 15) randomisiert [4]. Patienten im eCPR-Arm wurde im Katheterlabor des University of Minnesota Medical Center eine VA-ECMO implantiert, sofern kein ROSC erreicht wurde. Dies war bei 80 % der Patienten der Fall. Patienten mit ≥ 2 negativen prognostischen Kriterien (end-tidales PaCO2 < 10 mmHg, PaO2 < 50 mmHg oder Sauerstoffsättigung < 85 % oder Lactat > 18 mmol/L) wurden für tot erklärt. Die Überlebensraten im Krankenhaus betrugen in der eCPR-Gruppe 43 % und in der Standard-ALS-Gruppe nur 7 %. Das Überleben nach 6 Monaten lag nach eCPR bei 43 % und nach konventioneller CPR bei 0 %. Aufgrund dieser eindeutigen Überlegenheit für eCPR wurde die Studie nach Einschluss der 30 Patienten vorzeitig abgebrochen.

Prague OHCA verfehlt den Wirksamkeitsnachweis

Die Prague-OHCA-Studie untersuchte ein ganzes Bündel an Maßnahmen bei insgesamt 256 Patienten mit beobachtetem Herzstillstand bei vermuteter kardialer Genese [5]. Mit einer invasiven Strategie wurden die Patienten frühzeitig in das Prager Uniklinikum transportiert, um dort eCPR und invasive Abklärung und Therapie durchzuführen. Die Vergleichsgruppe wurde vor Ort nach Standard-ALS therapiert. Auch diese Studie wurde frühzeitig abgebrochen, diesmal jedoch nicht wegen Überlegenheit, sondern weil präspezifizierte Vergeblichkeitskriterien des Studienprotokolls erfüllt waren. Mit geringen oder keinen neurologischen Beeinträchtigungen (CPC 1 oder 2) überlebten nach 180 Tagen in der invasiven Gruppe 31,5 % und in der konventionellen Gruppe 22 % der Patienten (p = 0,09). Der Herzfunktion erholte sich bei 43,5 % nach eCPR und bei 34,1 % in der Kontrollgruppe nach 30 Tagen (ohne pharmakologische oder mechanische Unterstützung, p = 0,12). Relevante Blutungen traten in 31 % nach eCPR und 15 % in der Kontrollgruppe auf. Ein Crossover war explizit erlaubt: 9 von 124 der invasiven Strategie zugewiesenen Patienten wurden konventionell behandelt und 11 von 132 der konventionellen Strategie zugewiesenen Patienten wurden frühinvasiv behandelt.

Möglicherweise war die Studie nicht hinreichend gepowert, um signifikante Ergebnisse liefern zu können. So waren in der invasiven Gruppe signifikant mehr Patienten am Leben (30,6 vs. 18,2 %; p = 0,02). Dennoch sind die Ergebnisse sicherlich hypothesengenerierend und zeigen die Notwendigkeit weiterer Studien.

Keine bedeutenden Unterschiedein INCEPTION

Die INCEPTION-Studie randomisierte Patientinnen und Patienten nach OHCA an 10 Cardiac-Arrest-Zentren in Holland [6] in eine eCPR (n = 70) oder eine konventionelle CPR-Gruppe (n = 64). Ähnlich wie in der ARREST-Studie wurden nur Patienten eingeschlossen, die einen schockbaren Rhythmus aufwiesen und nach 15-minütiger Reanimation keinen ROSC erreicht hatten.

Mit nur geringen oder keinen neurologischen Schäden überlebten nach 30 Tagen 20 % in der eCPR-Gruppe und 16 % in der konventionellen CPR-Gruppe (p = 0,52). Auch nach 6 Monaten änderte sich dieses Verhältnis nicht. Die teilnehmenden Zentren waren allesamt erfahrene ECMO-Zentren, ein spezifisches Protokoll für die Versorgung der Patienten im Rahmen der Studie gab es jedoch nicht. Im Vergleich zu den beiden anderen genannten prospektiven, randomisierten Studien war die Zeit von Eintreffen im Krankenhaus bis zur laufenden ECMO länger. Die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse war in beiden Gruppen ähnlich.

Fazit

Alle genannten Studien untermauern, dass die eCPR in erfahrenen und entsprechend ausgestatteten Zentren möglich ist, ohne dass relevante Sicherheitsbedenken gefunden wurden.

Die randomisierten Studien sind relativ klein, zeigen aber allesamt numerische Vorteile für die eCPR im Vergleich zu konventioneller CPR hinsichtlich des Überlebens mit gutem neurologischen Outcome.

Zukünftige Studien sollten 1. ausreichend gepowert und stringent designt sein, 2. das prä- und intraklinische Management protokollbasiert regeln und 3. multizentrisch durchgeführt werden. Das Training der behandelnden Teams scheint ein wesentlicher Faktor für höhere Überlebensraten zu sein.

Wenn mit herkömmlichen Möglichkeiten über längere Zeit kein ROSC erreicht wird, scheint die eCPR eine alternativlose Therapie zu sein. Die aktuellen Daten suggerieren, dass die eCPR früh initiiert werden muss, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Prof. Dr. Daniel Dürschmied, Universitätsmedizin Mannheim, Prof. Dr. Tobias Wengenmayer, Universitätsklinikum Freiburg,

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