Strategien gegen Reperfusionsschäden

STEMI-- Wie lassen sich sog. Reperfusionsschäden nach PCI-Prozeduren möglichst geringhalten? Dieser Frage hat sich die Wissenschaft inzwischen intensiv gewidmet. Als vielversprechende Strategie hat sich dabei die sog. ischämische Konditionierung herauskristallisiert.

Von PD Dr. Feistritzer und Prof. Rassaf und Prof. Thiele Veröffentlicht:
Eine Blutdruckmanschette kann eine Konditionierung erzeugen.

Eine Blutdruckmanschette kann eine Konditionierung erzeugen.

© valiantsin/stock.adobe.com

Die Etablierung der primären perkutanen Koronarintervention (PCI) führte zu einem deutlichen Rückgang der Morbidität und Mortalität bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungsinfarkt (STEMI) [1, 2]. Die Verbesserung des klinischen Outcomes ist eng mit einer Verringerung der Infarktgröße assoziiert. Allerdings haben sich in den letzten Jahren die Sterblichkeitsraten auf einem gleichbleibenden Niveau eingependelt [3]. Daher sind neue Ansätze erforderlich, um die Prognose der Patienten weiter zu verbessern.

Die frühe koronare Reperfusion ist der entscheidende Faktor, um die Infarktgröße zu verringern. Jedoch verursacht die Reperfusion an sich auch irreversible Myokardschäden – ein Phänomen, das als Reperfusionsschaden bezeichnet wird [4]. In Tiermodellen konnte unter anderem gezeigt werden, dass durch eine phasenweise Reperfusion mit Drosselung des koronaren Blutflusses die Infarktgröße verringert werden kann [5].

PD Dr. Hans-Josef Feistritzer, Herzzentrum Leipzig

PD Dr. Hans-Josef Feistritzer, Herzzentrum Leipzig

© Feistritzer

Die Reduktion von Ischämie- und Reperfusionsschaden durch ischämische Konditionierung wurde auch als Ansatz zur Reduktion des Myokardschadens bei STEMI-Patienten identifiziert. Die ischämische Konditionierung kann sowohl an herzfernen Organen (remote Konditionierung) als auch am Myokard selbst erfolgen [6].

Prinzip und Pathophysiologie der Ischämischen Konditionierung

Die ischämische Konditionierung umfasst verschiedene Strategien, die darauf abzielen, Abwehrmechanismen zum Schutz vor anhaltender Ischämie zu schaffen. Ischämische Konditionierung kann vor (Präkonditionierung), während (Perkonditionierung), oder nach der Reperfusion (Postkonditionierung) erfolgen [7]. Die myokardiale Präkonditionierung wurde erstmals von Murry et al. beschrieben, der eine myokardiale Ischämie durch wiederholte, kurzzeitige Koronarokklusion herbeiführte [8]. Seither wurden verschiedene Stimuli für die Präkonditionierung getestet, darunter mechanische und thermische Belastungen sowie pharmakologische Ansätze [6]. Im klinischen Umfeld kann die herzferne (remote) ischämische Präkonditionierung durch repetitive Minderperfusion der Skelettmuskulatur, beispielsweise durch serielles Aufpumpen einer Blutdruckmanschette am Oberarm, erreicht werden [9]. Die ischämische Postkonditionierung kann nach erfolgter Reperfusion durch wiederholte Zyklen einer kurzzeitigen koronaren Reokklusion erfolgen [10].

Die der ischämischen Konditionierung zugrunde liegenden Signaltransduktionswege sind noch immer nicht vollständig geklärt. Zusammengefasst wurden mehrere wichtige Signalkaskaden identifiziert [11, 12]. Der letzte gemeinsame Weg all dieser Kaskaden ist die Verhinderung des Zelltods. Während die lokale ischämische Konditionierung durch die Freisetzung von Autakoiden, Interleukinen und Neurohormonen eingeleitet wird, umfasst die remote Konditionierung zusätzliche Wege, die den kardioprotektiven Stimulus vom herzfernen Gewebe auf das Myokard übertragen.

Klinische Daten zur ischämischen Konditionierung

Zahlreiche Studien zeigten eine Verringerung der enzymatischen Infarktgröße durch ischämische Konditionierung bei STEMI-Patienten. In all diesen Studien wurde die herzferne ischämische Konditionierung als Prä-, Per- oder Postkonditionierung durch Extremitätenischämie unter Verwendung einer Blutdruckmanschette durchgeführt [13–15]. Andere Studien, darunter die große CONDI-2/ERIC-PPCI-Studie, konnten keine signifikante Verringerung der enzymatischen Infarktgröße nachweisen [16, 17]. White et al. berichteten über eine Verringerung der Infarktgröße, gemessen mit der kardialen Magnetresonanztomografie (MRT), während andere Studien keinen signifikanten Effekt auf die MRT-Infarktgröße zeigten [15, 18].

Die LIPSIA-CONDITIONING-Studie zeigte einen geringeren Myokardschaden im MRT mit einer kombinierten Strategie aus ischämischer Perkonditionierung und lokaler Postkonditionierung [19]. In einer anderen Studie wurde ein kleineres myokardiales Ödem im MRT als Ausdruck der Myokardischämie nach ischämischer Postkonditionierung nachgewiesen, während bei anderen MRT-Parametern keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden konnten [14].

Die Reperfusion an sich verursacht ebenfalls irreversible Myokardschäden.

Daten, die einen positive Effekt der ischämischen Konditionierung auf das klinische Outcome belegen, sind rar. Post-hoc-Analysen der LIPSIA-CONDITIONING-Studie deuten darauf hin, dass sich die Langzeitprognose bei kombinierter Per- und Postkonditionierung im Vergleich zur konventionellen Behandlung verbessert [20]. Dieses Ergebnis ist auf eine signifikante Reduktion neuer Herzinsuffizienz-Diagnose zurückzuführen. Die Langzeitergebnisse der CONDI-Studie zeigten eine niedrigere Rate des kombinierten klinischen Endpunkts sowie der Gesamtmortalität in der Konditionierungsgruppe [21]. In der großen CONDI-2/ERIC-PPCI-Studie, an der zehnmal mehr Patienten teilnahmen als an den vorangehenden Studien, führte eine ischämische Konditionierung durch Armischämie nicht zu einer Verbesserung des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz) nach zwölf Monaten [17]. Eine weitere Beobachtungsstudie deutet darauf hin, dass eine ischämische Konditionierung bei STEMI-Patienten mit kardiogenem Schock oder Zustand nach Herzstillstand mit einem besseren Outcome nach 90 Tagen im Vergleich zur Standardbehandlung einhergeht [22].

Ausblick

Die ischämische Konditionierung könnte insbesondere bei Hochrisiko-STEMI-Patienten von klinischem Nutzen sein [23]. Unter anderem konnte gezeigt werden, dass die kardioprotektive Wirkung der ischämischen Konditionierung mit der Ischämiedauer zunimmt [24]. Dementsprechend könnte die ischämische Konditionierung vor allem in Regionen mit weniger gut ausgebauten STEMI-Netzwerken von Vorteil sein. Daher sollte der Effekt der ischämischen Konditionierung in einer Hochrisiko-STEMI-Population getestet werden.

Eine entsprechende randomisierte Studie wurde von den Autoren bereits initiiert und befindet sich in der Rekrutierungsphase mit rund 100 bisher eingeschlossenen Patienten (RIP-HIGH-Studie, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04844931). Die Ergebnisse dieser Studie werden die zukünftige klinische Bedeutung der ischämischen Konditionierung bei Infarktpatienten maßgeblich beeinflussen.

Fazit

Die ischämische Konditionierung stellt eine Strategie dar, um Reperfusionsschäden nach PCI-Prozeduren zu verringern.

Eine ischämische Konditionierung kann vor (Präkonditionierung), während (Perkonditionierung) oder nach der Reperfusion (Postkonditionierung) erfolgen.

Bisherige Studien deuten auf einen Nutzen hin, Daten zum klinischen Outcome sind allerdings rar. Die laufende randomisierte RIP-HIGH-Studie untersucht die Wirksamkeit bei Hochrisiko-STEMI-Patienten.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- PD Dr. med. Hans-Josef Feistritzer, Herzzentrum Leipzig

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