PCI bei Kardiomyopathien

Unsere Vorstellungen werden erneut herausgefordert

Revaskularisierung bei Herzinsuffizienz-- Eigentlich scheint es intuitiv, eine Herzinsuffizienz im Falle einer relevanten koronaren Herzkrankheit zu revaskularisieren. Doch neue Daten fordern die zugrunde liegenden Konzepte erneut heraus.

Von Prof. C. von zur Mühlen und Prof. D. Westermann Veröffentlicht:
Eine Stentimplantation soll die Perfusion des Myokards verbessern – ein allgemein akzeptiertes Konzept.

Eine Stentimplantation soll die Perfusion des Myokards verbessern – ein allgemein akzeptiertes Konzept.

© volkan arslan/Getty Images/iStock

Im Großteil der Fälle ist eine Herzinsuffizienz durch eine koronare Herzkrankheit bedingt. Daher scheint es eigentlich intuitiv richtig, diese im Falle einer relevanten koronaren Herzkrankheit zu revaskularisieren, sei es mittels Bypasschirurgie oder perkutaner Koronarintervention (PCI) mit Stent. Dies sollte zu einer verbesserten Perfusion des Myokards mit konsekutiver Erholung der Pumpleistung führen, weil dadurch auch hibernierendes Myokard wieder funktionell aktiv wird und somit die Ejektionsfraktion verbessern könnte. Ein solches Konzept ist allseits akzeptiert, die zugrunde liegende Datenbasis aber erstaunlich schmal.

Prof. Constantin von zur Mühlen Universitäts-Herzzentrum Freiburg - Bad Krozingen

Prof. Constantin von zur Mühlen Universitäts-Herzzentrum Freiburg - Bad Krozingen

© von zur Mühlen

Bisher wird als Argument vor allem die STICH-Studie herangezogen (Surgical Treatment for Ischemic Heart Failure), in der die Bypasschirurgie mit einer optimalen medikamentösen Therapie (OMT) verglichen wurde. Im Ergebnis zeigte sich eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit nach zehn Jahren zugunsten der Bypasschirurgie, wobei dieser Unterschied nach fünf Jahren noch nicht evident gewesen war.

REVIVED-Primärergebnisse sorgen für erste Ernüchterung

Aber wie sieht die Situation bei ischämischer Kardiomyopathie und PCI aus? Dieser Frage widmet sich nun die von Perera et al. im New England Journal of Medicine veröffentlichte REVIVED-BCIS2-Studie, erstmals vorgestellt auf dem ESC 2022 in Barcelona. In die Studie wurden Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von < 35 %, einer schweren koronaren Herzkrankheit (KHK) mit Möglichkeit zur PCI, sowie einer vorhandenen myokardialen Viabilität eingeschlossen. Sie wurden entweder in die PCI-Gruppe mit unterstützender OMT randomisiert, oder in eine reine OMT-Gruppe. Der primäre Endpunkt war „Tod jeglicher Ursache“ oder eine „Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz“. Sekundäre Endpunkte waren die linksventrikuläre Ejektionsfraktion nach sechs und zwölf Monaten sowie die Lebensqualität. Insgesamt wurden 700 Patientinnen und Patienten randomisiert: 347 in die PCI-Gruppe und 353 in die OMT-Gruppe.

Nach einer medianen Beobachtungszeit von 41 Monaten ereignete sich der primäre Endpunkt bei 129 Patienten in der PCI-Gruppe und bei 134 Patienten in der OMT-Gruppe (37,2 % vs. 38,0 %; Hazard Ratio, HR: 0,99; p = 0,96). Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion war zwischen beiden Gruppen zu diesen Zeitpunkten vergleichbar; die Lebensqualität war bis Monat 12 in der PCI-Gruppe besser, der Unterschied verminderte sich aber zum Zeitpunkt 24 Monate.

Neue Daten vom ACC fordern Konzept erneut heraus

Diese Daten sorgen zunächst natürlich für eine gewisse Ernüchterung, da das Konzept des „reverse remodelings“ nach Revaskularisierung mittels PCI in der Studie nicht zu funktionieren scheint. Auch das Konzept des hibernierenden Myokards wird hierdurch natürlich herausgefordert oder gar infrage gestellt – und durch neue Daten vom ACC-Kongress 2023 in New Orleans, vorgestellt vom Studienleiter Prof. Divaka Perera vom King’s College London, nochmalig herausgefordert.

In der vorgestellten Analyse wurden von 610 der insgesamt 700 Studienteilnehmer und Studienteilnehmerinnen die Daten zur myokardialen Vitalitätsprüfung analysiert, wobei in 79 % der Fälle eine kardialen Magnetresonanztomografie mit Late Gadolinium Enhancement (LGE) vorlag. Bei der Charakterisierung wurde zwischen normalen, dysfunktional vitalen (= potenziell hibernierendem Myokard) sowie avitalen (= Narben) Myokardsegmenten differenziert. Dann wurden die Vitalitätscharakteristika aus diesen Untersuchungen in Bezug zum primären Endpunkt gesetzt (Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz).

Dabei resultierte eine Zunahme des Anteils an vitalem Myokard von 10 % (also die Summe aus normalem und dysfunktional vitalem/hibernierendem Myokard) in einer Reduktion klinischer Ereignisse. Dieser Effekt war jedoch nicht sehr ausgeprägt mit einem p-Wert von 0,048 (HR: 0,93; 95%-KI: 0,87–1,00). Die Menge an hibernierendem Myokard allein stand unter diesem Aspekt ebenfalls in keiner signifikanten Beziehung zum klinischen Endpunkt (HR: 0,98; 95%-KI: 0,93–1,04; p = 0,56); auch eine funktionelle Erholung der Auswurffraktion stellte sich im Verlauf nicht ein.

Trotzdem sind die Daten kein „Todesstoß“ für Vitalitätsdiagnostik

Insgesamt zeigen diese Daten also ernüchternd, dass eine Revaskularisierung im Patientenkollektiv dieser Studie zu keiner Rekrutierung von hibernierendem Myokard und somit zu keiner Verbesserung klinischer Endpunkte führt – und somit das Konzept des hibernierenden Myokards bei dem REVIVED-Kollektiv nicht funktioniert. Ähnlich verhielt es sich bezüglich des Narbengewebes: Mit der Zunahme von dessen Anteil am Ventrikelvolumen um 10 % erhöhte sich die Rate an klinischen Ereignissen signifikant mit einem p-Wert von 0,009 (HR: 1,18; 95%-KI: 1,04–1,33). Letztlich zeigen diese Daten, dass bei ischämischer Kardiomyopathie die Ergebnisse von Viabilitätstests nicht zur Selektion von Patienten für eine PCI genutzt werden können, was auch der Autor der Studie auf Nachfrage bestätigte. Trotzdem soll dies kein „Todesstoß“ für die Anwendung einer Viabilitätsdiagnostik vor PCI sein – sie sollte erst mal in Bezug auf das REVIVED-Kollektiv gesehen werden.

Selbstverständlich gehaltene Prinzipien immer wieder hinterfragen

Einen wichtigen Aspekt bestätigen uns allerdings die Daten der REVIVED-Studie: Die Effektivität einer OMT darf nicht unterschätzt werden, und muss essenzieller Bestandteil aller Therapiestrategien bei Patienten mit KHK und eingeschränkter Pumpfunktion sein. Ein bisschen erinnert die Situation gleichwohl an die anfängliche Diskussion bei der ISCHEMIA-Studie, die auch unerwartete Ergebnisse ohne Vorteil einer PCI bei stabiler Angina pectoris ergab, und zeitgleich den Wert einer optimalen medikamentösen Therapie beeindruckend zeigte.

Unserer Ansicht nach lehrt uns die Studie, dass wir für selbstverständlich gehaltene Vorstellungen immer wieder wissenschaftlich hinterfragen müssen, natürlich aber auf der Basis aktueller interventioneller und medikamentöser Therapiekonzepte. Die Konzepte ändern sich heutzutage aber so schnell, dass Langzeitergebnisse über fünf bis zehn Jahre bei deren Publikation häufig schon nicht mehr auf einer leitlinienkonformen Therapie basieren. Trotzdem werden wir mit großer Spannung die weiteren Langzeitdaten der REVIVED-Studie erwarten, die uns helfen werden, die Strategien von PCI und Bypasschirurgie bei Patienten mit KHK und eingeschränkter Pumpfunktion einordnen zu können.

Fazit

Bei Patienten mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion < 35 % und KHK verbesserte die PCI, unterstützt durch eine OMT, nicht die Gesamtsterblichkeit oder Hospitalisierung im Vergleich zu einer alleinigen OMT.

Der Vergleich mit einem chirurgischen Ansatz bei einem ähnlichen Patientenkollektiv aus der STICH-Studie ist im Moment noch nicht möglich, da Ergebnisse jenseits des 5-Jahres-Zeitraumes fehlen.

Das Konzept des hibernierenden Myokards muss auf Basis der Analyse der Daten aus der Viabilitätsdiagnostik zumindest für das hier untersuchte Patientenkollektiv infrage gestellt werden.

Literatur beim Verfasser

Kontakt-- Prof. Dr. Constantin von zur Mühlen, Universitäts-Herzzentrum Freiburg - Bad Krozingen, Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,e.

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