Gibt es überhaupt eine Kontroverse?

Pro/Kontra Ambulantisierung-- Prof. Bernhard Schieffer und Prof. Ulf Landmesser ziehen am Ende des Schwerpunktes ein Resümee: Eine Kontroverse existiere eigentlich gar nicht, folgern sie aus den Beiträgen. Denn eine Ambulantisierung kardiologischer Leistungen lässt sich nicht aufhalten.

Von Prof. Bernhard Schieffer und Prof. Ulf Landmesser Veröffentlicht:
Stationär oder ambulant? Bei dieser Frage sollte immer die Patientensicherheit im Fokus stehen.

Stationär oder ambulant? Bei dieser Frage sollte immer die Patientensicherheit im Fokus stehen.

© Sascha Steinach/ZB/picture allia

Versuchen wir mal eine Zusammenfassung dieses emotionsgeladenen Themas. Die Erbringung und Abrechnung kardiologisch-rhythmologisch-gefäßmedizinischer Leistungen sind grundsätzlich sowohl im ambulanten als auch stationären Rahmen möglich. Wenn man die vielen Für- und Wider-Argumente und unterschiedlichsten Aspekte der Ambulantisierung von invasiven Leistungen in der Kardiologie zusammenfasst, so steht die Patientensicherheit als wichtigstes Argument im Mittelpunkt.

1. Die exakte Patientenidentifikation und die damit verbundene Patientensicherheit sollten unser Handeln, unsere Ambulantisierungsstrategie wesentlich beeinflussen. Dies kann und muss jeder Standort, jede Sektion für sich diskutieren, evaluieren und entscheiden. Zur besseren Planung können entsprechende Krankenhausdaten helfen, diejenigen Patientinnen und Patienten zu identifizieren, die zukünftig ambulant betreut werden können, um danach die Kapazität der tagesklinischen Versorgung zu planen. Die immer älter werdenden Patienten, die z. B. in unseren beiden Kliniken, der Charité und dem UKGM Marburg (im Mittel bei knapp 70 Jahren) versorgt werden, fordern von uns, die familiären und häuslichen Gegebenheiten intensiv zu beleuchten und ggf. infrastrukturelle Maßnahmen wie Kurzzeitpflegeeinrichtungen auszubauen. Jenseits jedes ökonomisch nachvollziehbaren Standpunktes ist unseres Erachtens nicht jeder Patient für eine ambulante Versorgung geeignet. Dafür liefern uns die Kontextfaktoren das adäquate Armamentarium.

Für unsere Patienten und für die Operateure muss gelten: „Safety first!“

Andererseits gibt es jetzt schon Operationen, wie Herzschrittmacher-, ICD-, CRT- und Wund-Eingriffe, die bei geeigneten Patienten sicher ambulant durchgeführt werden können. Ob es im Patienteninteresse ist, in eine Situation wie teilweise in UK, USA oder Kanada zu kommen, wo jetzt schon auch erste TAVI-Eingriffe ambulant durchgeführt werden, wagen wir zu bezweifeln – gerade auch, weil es meist hochbetagte Patienten betrifft.

2. Lehre und Weiterbildung wird anhand der Bettenzahl und Dozenten kalkuliert. Reduzieren/minimieren wir Fächer auf eine komplette ambulante Versorgung, muss auch darüber nachgedacht werden, wie wichtige Aspekte der Lehre und Ausbildung am Krankenbett erfolgen können, klinische Verläufe könnten schwerer zu erlernen bzw. nachzuvollziehen sein. Dies kann sicherlich durch neue Aus- und Weiterbildungsmodelle ersetzt werden, die dem fixen Ausbildungsmodell der Lehre neue Perspektiven geben werden. Für die Kardiologie bedeutet die Ambulantisierung der invasiven Tätigkeiten auch einen „shift“ hin zur Ambulantisierung der Aus- und Weiterbildung.

3. Ressourcenoptimierung ist ein wichtiger Faktor für Krankenhausträger, die die hohen Investitionskosten zu tragen haben. Ambulante Prozesse zeichnen sich vor allem als personalschonend aus, denn Arbeiten in der Kernarbeitszeit ohne Wochenend- und Nachtarbeit ist lukrativ und zieht Personal an. Die Ambulantisierung bietet deshalb ein großes Potenzial für die Personalrekrutierung bei MTA-, Krankenschwestern-, MFA- und Physician-Assistance-Stellen. Auch Teilzeitarbeitsplätze im ärztlichen und nicht ärztlichen Bereich können so geschaffen werden. Nachteil bleibt aber eine neuerliche erhebliche Arbeitsverdichtung hin zu den Kernarbeitszeiten.

4. Die ambulante Vergütung nach EBM (Einheitlicher Bemessungsmaßstab, gesetzliche Krankenkassen, GKV) bzw. GOÄ (Gebührenordnung Ärzte, private Krankenkassen, PKV) haben einige Autoren diskutiert. Das Vergütungsprinzip muss sicher an die Komplexität der Eingriffe angepasst werden. Hier sind neben der ärztlichen und nicht ärztlichen personellen Leistung auch Material- und Vorhaltekosten zu berücksichtigen. Für die Sachkostenerstattung sind in diesen Fällen entweder die Kassenärztliche Vereinigung (KV) oder die GKV direkt zuständig. Neben einem Selbstbehalt bergen besonders – bei fehlender Erstattung – die Material- und Vorhaltekosten ein hohes wirtschaftliches Risiko. Dieses Risiko und die Unterfinanzierung des beteiligten medizinischen Personals durch pauschalisierte Abrechnungen nach EBM – Schätzungen des Deutschen Krankenhaus Institut gehen von einem zweistelligen Prozentbereich aus – sind wahrscheinlich die Hauptursachen für eine aktuell geringe Umsetzung ambulanter Eingriffe.

Fazit

Die zunehmende Ambulantisierung wird eine bedeutsame Veränderung unseres Faches darstellen. Widersetzen ist sicher nicht erfolgversprechend, denn der ökonomische und personelle Druck (auch der demografische Wandel) sind wesentliche treibende Faktoren. Bei geeigneten Patienten kann die ambulante Behandlung sicher im Patienteninteresse sein. Mitgestalten ist gefordert und eröffnet Möglichkeiten, unser Fach weiterhin attraktiv für den Nachwuchs zu entwickeln. Für unsere Patienten und auch für die Operateure muss jedoch gelten: Safety first!

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Prof. Dr. Ulf Landmesser, Deutsches Herzzentrum der Charité Berlin.

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