Pro-und Kontra-Debatte

Ist TAVI schon „PCI-like“?

Pro & Kontra-- Die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) hat große Entwicklungen gemacht: Die Prozedur ist einfacher geworden, die Komplikationsraten sind gesunken usw. Doch ist bereits der Status einer „PCI-ähnlichen“-Prozedur erreicht? Prof. Axel Linke und Prof. Christian Jung sind da gegensätzlicher Meinung.

Ein Kommentar von Prof. Axel Linke und Prof. Christian Jung Veröffentlicht:
Ist TAVI schon „PCI-like“?

© Science Photo Library / Science Photo Library

PRO: Ein „PCI-like“ Setting ist heute Realität

Prof. Axel Linke, Herzzentrum Dresden

Prof. Axel Linke, Herzzentrum Dresden

© Linke

Es gibt sie bei TAVI und PCI: die einfachen oder die hochkomplexen Interventionen, bei Niedrigrisiko- oder Hochrisikopatienten. Beide Verfahren nutzen transvaskuläre Zugänge, thromboembolische Ereignisse und Blutungen zählen zu den Hauptkomplikationen. Einer TAVI geht eine komplexe Vorbereitung voraus, eine PCI erfolgt meist ad hoc. Während PCIs in erster Linie aus symptomatischen Gründen vorgenommen werden, führt die TAVI nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität, sondern auch der Prognose. Es existieren folglich zahlreiche Parallelen, aber auch einige Unterschiede zwischen beiden Verfahren.

Laut aktueller Leitlinie sollten inoperable und operable Patienten mit hohem Risiko für einen konventionellen Aortenklappenersatz (AKE) unabhängig vom Alter sowie ältere Patienten (≥ 75 Jahre) unabhängig vom zugrunde liegenden Risiko mit einer TAVI versorgt werden (Klasse 1A). Bei Patienten mit intermediärem Risiko (STS 4 % bis 8 %) und Alter < 75 Jahren empfiehlt man – wenn nichts gegen TAVI bzw. OP spricht – über beide Verfahren aufzuklären, um dem Patienten eine informierte Entscheidung zu ermöglichen (Klasse 1B).

Vorbereitung ist das A und O

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche TAVI-Prozedur ist die dezidierte Auseinandersetzung mit der angedachten Intervention. Die Vorbereitung, die präinterventionelle Bildgebung, Evaluation des Interventionsrisikos, Heart-Team-Diskussion und Patientengespräch beinhaltet, nimmt heutzutage weit mehr Zeit in Anspruch als die eigentliche TAVI. Der resultierende Erkenntnisgewinn befähigt nicht nur zur Auswahl einer geeigneten TAVI-Prothese. In geübten Händen ist heute – in Lokalanästhesie – eine Prozedurdauer von weniger als 30 Minuten die Realität, vergleichbar einer einfachen PCI.

Die Evolution der TAVI von einem hochkomplexen Eingriff zu einer PCI-like procedure findet auch in Übersee Bestätigung: In der Corona-Pandemie wurden in erfahrenen US-Zentren bis zu 50 % der Patienten am Tag der TAVI-Prozedur in die Häuslichkeit entlassen.

Eine PCI-like procedure ist aber nur dann möglich, wenn man sich perfekt auf die Intervention vorbereitet, sich neben der Möglichkeiten der TAVI auch der Limitationen der Methode bewusst ist, eigene interventionelle Fähigkeiten korrekt einschätzt und Komplikationen vermeidet. Ziel ist es, das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erreichen: anatomisch korrekt orientierte Prothese, keine kardialen Leitungsstörungen, freier Koronarzugang, keine residuelle Aortenklappeninsuffizienz, vollständig entfaltete Klappe ohne Gradient, keine sonstigen prozeduralen oder postprozeduralen Komplikationen (z. B. Blutungen, Apoplex usw.).

Prozedur wird immer mehr verschlankt

Im Gegensatz zu den Anfangstagen der TAVI hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Verschlankung der Prozedur – in Lokalanästhesie, mit „over the wire pacing“, Verzicht auf Urinkatheter, zentrale venöse Zugänge bzw. die Anlage eines kontinuierlichen transradialen invasiven Blutdruckmonitorings – kein Kompromittieren der Sicherheit bedeutet, sondern mit exzellenten Ergebnissen bei verminderter Patientenbelastung einhergeht. Dieses PCI-like setting der TAVI – bei vollständigem Heart Team – ist bei vielen Patienten in erfahrenen Zentren jetzt schon möglich.

Kontakt-- Univ.-Prof. Dr. med. Axel Linke, Technische Universität Dresden, Herzzentrum Dresden

KONTRA: TAVI hat noch nicht den Status „PCI-like“

Prof. Christian Jung,, Universitätsklinikum Düsseldorf

Prof. Christian Jung,, Universitätsklinikum Düsseldorf

© Jung

Um für das „Kontra“ argumentieren zu können, stellt sich zu allererst die Frage, was eine „PCI-like procedure“ ist? Wohl am ehesten ein interventioneller Eingriff, der ohne spezifische Vorbereitung durchgeführt werden kann, um spontan über Materialieneinsatz und Strategie zu entscheiden!?

Dem ist nicht so bei einer TAVI. Für eine TAVI gibt es einen spezifischen „Run-in“ und das ist auch der Grund, warum in Deutschland diese Prozedur in den allermeisten Fällen zweizeitig zur genannten Vorbereitung durchgeführt wird. Eine ganze Reihe an Dingen ist wichtig, zum Beispiel die interdisziplinäre Besprechung gemeinsam zwischen Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten. Dies beinhaltet die Durchsicht der Bildgebung, inklusive Kardio-CT als Goldstandard, bis hin zur Auswahl der Klappenprothese unter Berücksichtigung von anatomischen und anderen individuellen Gegebenheiten. Zudem ist bei diesen regelhaft im Alter fortgeschrittenen Patientinnen und Patienten die Vervollständigung der Revaskularisation, die Optimierung der Herzinsuffizienz bis hin zu Maßnahmen des „Patient-blood-managements“ oder der „Prehabilitation“ notwendig. Das sehen die Strukturvorgaben von Seiten des Qualitätsmanagements und auch die des Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) unmissverständlich mit dieser Detailtreue vor.

Komplikationen nach TAVI sind noch immer existent

Unbestritten hat der TAVI-Eingriff global und in Deutschland eine außerordentliche Evolution hingelegt. Komplikationsraten sind in routinierten Händen deutlich unter 2 % gesunken, sie sind dennoch existent. Hochvolumige Zentren erreichen bessere Ergebnisse, als sie in Studien und Registern publiziert werden. Die TAVI an sich ist technisch vereinfacht worden, verlangt aber dennoch viel Expertise. Fähigkeiten im Komplikationsmanagement sind gefragt, denn Komplikationen haben meist fatale Auswirkungen auf Hämodynamik und Überleben. Dieses Management verlangt Personal, Ressourcen und interprofessioneller Zusammenarbeit viel mehr ab als bei einer PCI. Natürlich ist an den meisten Zentren der Patient wach, erhält – wenn überhaupt – eine minimale Sedierung. Dennoch: Er ist nüchtern, prämediziert, Erythrozytenkonzentrate sind gekreuzt – wie bei einer Operation und nicht wie bei einer PCI.

TAVI ist da, wo die PCI vor 20 Jahren war

Kardiologinnen und Kardiologen mit langjähriger Erfahrung fühlen sich erinnert an die Zeiten der frühen PCI. Herausforderungen, Bedenken und die Evolution von Prozessen sind heute für die TAVI da, wo sie vor 20 Jahren bei der PCI waren. Von daher: Der Entwicklungsprozess ist „PCI-like“, die TAVI hat aber 2023 noch nicht den Status, dass wir von „PCI-like“ sprechen können. Die Herausforderungen an das Herzteam im Sinne eines optimalen Lebenszeitmanagements (Haltbarkeit, Koronarzugang, Schrittmacherraten, Neuroprotektion, usw.) bedeuten auch für die Zukunft, dass die Detailtreue nicht eingeschränkt werden soll und kann.

Kontakt-- Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Christian Jung, Klinik für Kardiologie, Pneumologie & Angiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

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