TAVI-Prozeduren

Schützt „das Sieb“vor Schlaganfällen?

Embolieprotektion bei TAVI-- Bei fast allen TAVI-Patienten wird mindestens kleinteiliger Debris von Protektionssystemen abgefangen – ein klinischer Vorteil liegt nahe, neue Studien enttäuschen, aber nicht komplett

Von Prof. Oliver Husser und Prof. Mohamed Abdel Wahab Veröffentlicht:

Für viele ist der Einsatz zerebraler Protektion (CEP) bei TAVI ein „No-Brainer“ nach dem Motto: „Mehr Debris im Sieb – besser für unsere Patienten.“ Jedoch konnten Beobachtungsstudien, die Hinweise auf einen klinischen Benefit gezeigt haben, nicht alle Skeptiker überzeugen. Diese verweisen auf die niedrige Schlaganfallrate bei Low-Risk-Patienten (3,4 % bei EVOLUT, < 1 % bei PARTNER 3), einen potenziellen Schaden durch routinemäßigen Einsatz des zusätzlichen Devices, eine Verlängerung der Prozedur und vermehrte Kosten.

Auf der Suche nach Evidenz

Die PROTECTED-TAVR-Studie wollte Evidenz schaffen: Es wurden 3.000 Patienten zu TAVI mit und ohne CEP mit dem Sentinel Device (Boston Scientific) randomisiert. Der primäre Endpunkt, „Schlaganfall jeglicher Genese innerhalb von 72 Stunden oder vor Entlassung“, trat bei 2,3 % der Patienten mit CEP und bei 2,9 % ohne CEP auf (95%-KI: –1,7 bis 0,5; p = 0,30). Somit verfehlte die Studie die Signifikanz.

Die Autoren um Samir R. Kapadia schlussfolgern: „Die Verwendung eines CEP-Device während der TAVI führte nicht zu einer signifikant niedrigeren Inzidenz von periprozeduralen Schlaganfällen, aber auf der Grundlage des 95%-Konfidenzintervalls um dieses Ergebnis können die Ergebnisse einen Nutzen der CEP während der TAVI nicht ausschließen.“ Umgekehrt könnte man aber auch sagen, dass ein Schaden nicht ausgeschlossen sei. In anderen Studien im gleichen Journal fiel das Urteil klarer aus: So wurde z. B. die PARAGON-Studie mit einem p-Wert von 0,06 als negative Studie bewertet.

Aber: Primärer Endpunkt verfehlt

PROTECTED TAVR wollte einen Unterschied von absolut 2 % von jedwedem Schlaganfall zwischen beiden Gruppen mit einer Power von 90 % zeigen. Dies gelang nicht. Von 15 im Vorfeld definierten sekundären Endpunkten war „behindernder Schlaganfall“ um 0,8 % weniger häufig mit CEP als ohne (0,5 % vs. 1,3 %, 95%-KI: –1,5 bis –0,1%, also signifikant). Statistisch gesehen ist es nicht zulässig, bei Nichterreichen des primären Endpunktes sekundäre Endpunkte in den Fokus zu nehmen.

Es gibt jedoch Gründe dies zu tun. Denn wir sind angehalten, die Gesamtheit der Evidenz zu beachten. Der p-Wert kann als Kontinuum gesehen werden, der das Ausmaß der Unsicherheit eines Therapieeffektes angibt. Somit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen gibt, bei immerhin 30 %. Auch wenn eine Reduktion schwerer Schlaganfälle mit CEP plausibel und verlockend ist, sollten positive sekundäre Endpunkt hypothesengenerierend gesehen werden.

Die richtige Interpretation von PROTECTED TAVR wäre: Die Schlaganfallrate ist mit und ohne CEP gleich. Ob schwere Schlaganfälle verhindert werden, müssen dedizierte Studien zeigen.

Was bleibt?

Die mögliche Verhinderung schwerer Schlaganfälle mit einer CEP könnte für eine zukünftige routinemäßige Anwendung sprechen, sollten Studien dies zweifelsfrei belegen. Bis dahin bleibt die Anwendung einer CEP dem Operateur überlassen. CEP als heilsbringendes Werkzeug auf Basis sekundärer, nicht gepowerter Endpunkte zu vermarkten ist problematisch.

Die BHF-PROTECT-TAVI-Studie und eine geplante Metaanalyse werden weitere Evidenz liefern, um diese Technik zum Wohle unserer Patienten einzusetzen. Bis dahin ist eine routinemäßige Anwendung von CEP bei TAVI diskutabel.

Fazit

Die PROTECTED-TAVI-Studie verfehlte den primären Endpunkt: Der Einsatz von CEP konnte die periprozedurale Schlaganfallrate während einer TAVI nicht signifikant reduzieren.

Möglicherweise werden schwere „behindernde“ Schlaganfälle durch CEP reduziert. Dies muss in weiteren Studien geprüft werden.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Prof. Dr. Oliver Husser, Augustinum Klinik München, Prof. Dr. Mohamed Abdel Wahab, Herzzentrum Leipzig,

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