Blutungsgefahr überwiegt Insultrisiko

Kommentar--

Ein Kommentar von Prof. Dr. Christian Meyer Veröffentlicht:

Patienten, die sogenannte atriale Hochfrequenzepisoden, aber noch kein im EKG dokumentiertes Vorhofflimmern aufweisen, stellen im klinischen Alltag eine zunehmende Herausforderung dar. Die häufig in Herzschrittmacher-/Defibrillator-Speichern dokumentierten AHRE-Episoden können mit einem erhöhtem Schlaganfallrisiko einhergehen und Betroffene werden häufig antikoaguliert. Die Datenlage ist hierzu jedoch nicht eindeutig. In der multizentrischen NOAH-AFNET-6-Studie wurde nun die Wirksamkeit und Sicherheit einer oralen Antikoagulation bei Menschen mit AHRE (aber ohne im EKG dokumentiertes Vorhofflimmern) die Behandlung mit Edoxaban mit einer Kontrollgruppe (Placebo oder ggf. ASS 100 mg/Tag) randomisiert verglichen. Die vorzeitig abgebrochene Studie liefert wichtige neue Einblicke:

Prof. Dr. Christian Meyer-- EVK Düsseldorf

Prof. Dr. Christian Meyer-- EVK Düsseldorf

© Meyer

Abweichend von der erwarteten Ereignisrate lag die Inzidenz an ischämischen Schlaganfällen mit rund 1 %/Jahr in beiden Gruppen überraschend niedrig. Dem gegenüber stand eine erhöhte Rate an Blutungen unter einer Antikoagulation. Trotz eines hochselektionierten Studienkollektivs wird die zunehmend verbreitete Praxis, Menschen mit AHRE umgehend zu antikoagulieren, damit deutlich infrage gestellt. Dennoch bleiben relevante Details offen. Wichtig ist dabei, dass AHRE in verschiedenen Studien, sowie den jeweiligen Geräte-Herstellern und -Generationen unterschiedlich definiert bzw. detektiert werden. Ebenso unterscheiden sich teilweise implantierbare Ereignisrekorder in den analysierten Signalen und Detektionsalgorithmen von Herzschrittmachern/Defibrillatoren. Es ist auch davon auszugehen, dass es sich bei einer relevanten Anzahl der AHRE um stabile atriale Tachykardien handelt, die sich möglicherweise in diesen Patientengruppen im Hinblick auf das Schlaganfallrisiko vom Vorhofflimmern unterscheiden. Dies und andere Dinge erschweren eine Verallgemeinerung und erfordern eine individualisierte Risikoabschätzung und Therapieplanung, insbesondere für Menschen mit AHRE, die aktuell bereits antikoaguliert werden.

Fazit: Werden AHRE entdeckt sollte eine konsequente Dokumentation der Arrhythmien im Oberflächen-EKG angestrebt und die Antikoagulation reevaluiert werden. Weitere Daten gilt es abzuwarten, um zusätzliche Klarheit im optimalen Umgang mit AHRE zu schaffen. Insbesondere die Ergebnisse der ARTESiA-Studie (NCT01938248) sind in diesem Zusammenhang wichtig. Hier wird in 130 Zentren bei Patienten mit AHRE randomisiert die Behandlung mit Apixaban vs. ASS untersucht. Der Abschluss der ARTESiA-Studie wird für Ende des Jahres erwartet.

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