Proteste im Iran

„Die medizinische Versorgung ist gefährdet“

Interview--Frau P. Y. ist im Iran geboren und aufgewachsen, inzwischen arbeitet sie als Ärztin in Deutschland. Im Interview berichtet P. Y., die anonym bleiben möchte, über die verheerenden Zustände im Iran.

Ein Interview von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:

Frau P. Y.*, Sie sind im Iran geboren und aufgewachsen, was empfinden Sie, wenn Sie die Berichte Ihrer im Iran tätigen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen hören?

Es ist schwer, meine Gefühle in Worte zu fassen. Ich empfinde Trauer, Fassungslosigkeit, Wut und Ohnmacht. Zugleich habe ich sehr viel Bewunderung für den Mut unserer Kolleginnen und Kollegen, unter solchen für uns kaum vorstellbaren Bedingungen, Patienten und Patientinnen zu versorgen und auf die Straße zu gehen, um für die Freiheit aller einzustehen.

In Ihrer Stellungnahme berichten Sie über erschreckende Zustände. Sie schreiben außerdem, dass sich die Lage weiter zuspitzt. Welche Folgen könnte das für die Ärzte/ das Gesundheitssystem im Iran haben?

Die Folgen sehen wir bereits. Auf der einen Seite fehlen Berichten zufolge immer mehr Medikamente, darunter Antibiotika. Auf der anderen Seite ist die Versorgung der Patientinnen und Patienten gefährdet, da sie sich nicht trauen, Krankenhäuser aufzusuchen, um sich behandeln zu lassen. Denn dort werden vom Regime versendete „Sicherheitskräfte“ platziert, die die Daten der Patientinnen/Patienten aufnehmen und sie sogar potenziell festnehmen können. Es gibt leider Berichte über Menschen, die aus diesen Gründen im häuslichen Umfeld ihren Verletzungen erlegen sind. Menschen, die man hätte medizinisch versorgen können. Auf der anderen Seite werden immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die die verwundenen Patientinnen und Patienten dennoch behandeln, verschleppt und inhaftiert. Dadurch wird medizinisches Personal fehlen.

Haben Sie noch Hoffnung, dass sich die Situation im Iran verbessern wird?

Ich habe definitiv Hoffnung, dass sich die Situation im Iran bessert. Wir sprechen hier längst nicht mehr von landesweiten Protesten, sondern von einer Revolution. Meine Hoffnung für die Menschen im Iran ist es, dass diese täglichen Horrorszenarien aufhören und sie endlich ein selbstbestimmtes Leben leben können ... ganz nach dem Slogan dieser Revolution: Frau.Leben.Freiheit.

Wir können Ärztinnen und Ärzte ihren Kollegen und Kolleginnen im Iran helfen?

... indem sie deren Stimme im Iran durch Unterzeichnung von Petitionen (wie die von Háwar.help e.V.), durch Teilnahmen an Solidaritätsbekundungen und durch das Thematisieren der Ereignisse im Iran verstärken.

Vielen Dank für das Gespräch!

* Zur Person-- Frau P. Y. ist als Ärztin in der Stuttgarter Umgebung tätig. Geboren und aufgewachsen ist sie im Iran. Aus Sicherheitsgründen möchte die Interviewte nicht mit ihrem vollständigen Namen genannt werden.


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