Ärztinnen und Ärzte im Iran

Wenn die medizinische Versorgung von Verletzten mit Verhaftungen endet

Proteste im Iran-- Nach dem Tod von Mahsa Amini sind im Iran landesweit Proteste ausgebrochen. Viele Mediziner im Iran haben sich den Protesten angeschlossen. Ärztlich tätige Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland* berichten über die verheerenden Zustände vor Ort.

Von ärztlichen Kolleginnen und Kollegen Veröffentlicht:
Eine iranische Frau protestiert in Teheran gegen die Repression des Regimes.

Eine iranische Frau protestiert in Teheran gegen die Repression des Regimes.

© Social Media/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Zanjan, eine Stadt im Nordwesten Irans, 26.10.2022: Die Allgemeinchirurgin Dr. Parisa Bahmani nahm an diesem Tag an friedlichen Protesten gegen die Repression des Regimes teil. Es kam zu einer zunehmenden Eskalation seitens der sog. Sicherheitskräfte unter Anwendung von Schlagstöcken, Tränengas und Schusswaffen. Es wurde mit scharfer Munition auf die umstehenden Protestierenden geschossen. Sie wurde von einem Geschoss im Kopf getroffen und starb. Bahmani ist damit eine von mehreren Todesopfern der Revolutionsbewegung im Iran, die nach dem Tod von Mahsa Jina Amini ausgebrochen ist. Amini ist am 16.9.2022 an den Folgen der Gewalteinwirkung durch die sogenannte Sittenpolizei an schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus verstorben.

Wir laden Sie herzlich dazu ein, dass auch Sie die Stimme unserer Kolleg*innen im Iran werden.

Appell an die Leser*innen der Cardio News

Am 5.11.2022 wurde in der Fachzeitschrift The Lancet ein Artikel veröffentlicht, der auf die Proteste durch die Ärzteschaft und Pflegekräfte im Iran sowie die Behinderung der Patientenversorgung in den Kliniken aufmerksam macht. Aus verschiedenen übereinstimmenden Berichten ist zu entnehmen, dass sich mittlerweile zahlreiche Ärztinnen und Ärzte den Protesten angeschlossen haben. Sie fordern vom Regime u. a. schriftlich die Bewahrung der medizinischen Neutralität, die zu einer flächendeckenden Versorgung der Menschen, ungehindert ihrer politischen Überzeugung, ihrer Herkunft oder ihrer Ethnie, verpflichtet. Dies ist festgeschrieben in der Deklaration von Helsinki vom Juni 1964, die für alle medizinischen Berufe weltweit bindend ist. Dr. Moyaed Alavian, Vorsitzender des Tehran Medical Council, trat aufgrund der schweren Repressionen durch das Regime zurück. Auch viele Medizinstudierende schließen sich den landesweiten Protesten an und riskieren neben ihrem Leben ihre Studienzulassung und damit ihre Zukunft als Arzt bzw. Ärztin.

Ärzte werden gezwungen, medizinische Berichte zu fälschen

Stellen Sie sich vor, Sie werden inhaftiert, weil Sie Menschen mit schweren Verletzungen wie etwa Schusswunden behandeln, die diese Menschen von Demonstrationen davongetragen haben. Ärztinnen und Ärzte werden gezwungen, medizinische Befunde zugunsten des Regimes zu fälschen. So wurden Kolleginnen und Kollegen einem Bericht zufolge dazu gezwungen, die operative Entfernung einer Schusswunde als Tumoroperation zu deklarieren.

Iranische Studierende der Al-Zahra-Universität in Teheran protestieren.

Iranische Studierende der Al-Zahra-Universität in Teheran protestieren.

© SalamPix/ABACAPRESS/picture alliance

Anderen Quellen zufolge nehmen Sicherheitskräfte die Personalien von den im Rahmen der Proteste verletzten Patientinnen/Patienten auf, um sie umgehend nach der Notversorgung zu inhaftieren. Einige Patienten wurden sogar während der stationären medizinischen Versorgung entführt und an unbekannte Orte verschleppt. Krankenwagen ohne Nummernschilder sollen die Menschen statt ins Krankenhaus – wie diese hofften – direkt in Haftanstalten gefahren haben.

Menschen haben Angst, ins Krankenhaus zu gehen

Daraus resultiert eine große Angst, sich überhaupt in medizinische Behandlung zu begeben. Deshalb hat sich ein Netzwerk engagierter international und national tätiger Kolleginnen und Kollegen gebildet, die Betroffene mit (Schuss)wunden, Hämatomen, offenen Frakturen oder Schädelbasisfrakturen zum Beispiel im Hinblick auf Wundversorgung oder antibiotische Therapie telemedizinisch beraten. Ärztinnen und Ärzte behandeln Patientinnen und Patienten zudem teilweise im Untergrund. Dabei stehen sie vielfach vor dem seit vielen Jahren bestehenden Problem, dass Medikamente, Materialien zur Wundversorgung sowie medizinische Gerätschaften im Iran nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Die Lage hat sich inzwischen akut zugespitzt.

Eine leere Halle, Tränengas vernebelt den Blick, Todesangst steigt auf. Eine Ärztin, die nicht mit ihrem Namen genannt werden möchte, versteckt sich nach der Teilnahme an einem Protest in einem verlassenen Gebäude. Dem Tod näher als dem Leben.

Demonstrationen gegen das iranische Regime auch in Deutschland, z.B. in Berlin am 22.10.22 mit ca. 80.000 Teilnehmern.

Demonstrationen gegen das iranische Regime auch in Deutschland, z. B. in Berlin am 22.10.22 mit ca. 80.000 Teilnehmern.

© Jochen Eckel/picture alliance


Kontakt-- Sie können uns unter folgender E-Mail kontaktieren: aerzteproteste@gmail.com

Quellen-- Devi S. Lancet. 2022;https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)02157-2
https://iranhumanrights.org/2022/10/iran-protests- doctors-treating-wounded-protesters-face-deadly-state-violence/
https://www.cbsnews.com/news/iran-news-protests-deaths-people-shot-afraid-hospital-arrest-us-doctors-help/
https://eaworldview.com/2022/11/iran-protests-spread-v-security-forces/
https://www.instagram.com/_dr.kay_/?hl=de


Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Arrhythmierisiko nach COVID-19

Chancen und Möglichkeiten

Bessere Prognose im Cardiac Arrest Center