ESC-Kongress

Herz-Kreislauf-Screening erzielt Teilerfolg

Prävention-- Ein intensiviertes Screening auf subklinische kardiovaskuläre Erkrankungen in der Bevölkerung Dänemarks hat in einer großen Studie Früchte getragen – wenn auch nur bei einer Subgruppe der dabei untersuchten älteren Männer.

Von Peter Overbeck Veröffentlicht:
Konstruktive Diskussionen gab es beim diesjährigen ESC-Kongress viele

Konstruktive Diskussionen gab es beim diesjährigen ESC-Kongress viele

© Tobias Koch/ESC

Das Studienvorhaben war ambitioniert: Aus einem intensivierten kardiovaskulären Screening bei dänischen Männern im Alter zwischen 65 und 74 Jahren sollte nach Jahren eine überzeugende Reduktion der Gesamtmortalität als primärem Endpunkt resultieren.

Dieses Ziel wurde verfehlt: In der Gruppe der Männer, die zu den Screeninguntersuchungen eingeladen worden waren, war die Mortalitätsrate mit 12,6 % versus 13,1 % nach mehr als fünf Jahren nur unwesentlich niedriger als in der Kontrollgruppe der Männer, die dazu keine Einladung erhalten hatte. Die relative Risikorektion um 5 % war statistisch nicht signifikant (Hazard Ratio, HR: 0,95; 95%-KI: 0,90–1,00; p = 0,06).

Prof. Holger Thiele twittert über die Ergebnisse der DANCAVAS-Studie.

Prof. Holger Thiele twittert über die Ergebnisse der DANCAVAS-Studie.

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Alter offenbar entscheidend

Anscheinend machte aber das Alter einen Unterschied aus: Während bei den zum Screening eingeladenen Männern im Alter zwischen 65 und 69 Jahren die Mortalität im Vergleich zu Kontrollen signifikant um 11 % abgenommen hatte (HR: 0,89; 95%-KI: 0,83–0,96, p = 0,004), zeigte sich in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen kein Effekt (HR: 1,01; 95% KI: 0,94–1,09, p = 0,747).

In einer – allerdings retrospektiven – Post-hoc-Analyse war das Screening in der Gesamtgruppe der Eingeladenen mit einer relativ um 9 % geringeren Rate für den kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität, Infarkt und Schlaganfall assoziiert (HR: 0,93, 95%-KI: 0,89–0,97, p = 0,016). Auch die Rate an Schlaganfällen war in dieser Gruppe niedriger als in der Kontrollgruppe (HR: 0,93, 95%-KI: 0,86–0,99, p = 0,035). Im Hinblick auf die Endpunkte Infarkt, Aortendissektion und Aortenruptur bestanden keine Unterschiede. Die Nachbeobachtung dauerte im Median 5,6 Jahre.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Studie kommentiert und kommt zu einem etwas anderen Schluss.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Studie kommentiert und kommt zu einem etwas anderen Schluss.

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Mehr als 46.000 Männer

In der von einer Forschergruppe um Prof. Axel Diederichsen vom Odense University Hospital initiierten DANCAVAS-Studie waren 46.611 dänische Männer im Alter zwischen 65 und 74 Jahren nach Zufallszuteilung zwei Gruppen zugeordnet worden: Während 16.736 zum Screening eingeladen wurden, dienten 29.790 ohne Einladung als Kontrollgruppe. Von den Eingeladenen nahmen knapp zwei Drittel (62,6 %) die angebotenen Screeninguntersuchungen de facto auch in Anspruch. Dazu zählten eine CT-Untersuchung auf Koronarkalk und mögliche Aorten- oder Ilikalaneurysmen, eine Messung des Knöchel/Arm-Indexes als Indikator für eine mögliche PAVK, ein Herzrhythmus-Monitoring mit Fokus auf Vorhofflimmern sowie Cholesterin- und Glukose-Messungen.

Diederichsen hat die simultan im „New England Journal of Medicine“ publizierte Studie in einer Hotline-Sitzung beim ESC-Kongress vorgestellt. Nach seinen Angaben war bei den Männern in der Screeninggruppe häufiger eine präventive Therapie mit Plättchenhemmern und Lipidsenkern begonnen worden, während bei der Behandlung mit Antikoagulanzien, Antihypertensiva und Antidiabetika keine Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe bestanden.

Das Subgruppenergebnis eines signifikanten Benefits der untersuchten Screeningstrategie in einer bestimmten Altersgruppe bedarf der Bestätigung in einer weiteren Studie, räumen die DANCAVAS-Autoren um Diederichsen ein. Sie weisen auch darauf hin, dass die unter den spezifischen Bedingungen des dänischen Gesundheitssystems erzielten Ergebnisse nicht unbedingt auf andere Länder mit unterschiedlich strukturierter Gesundheitsversorgung übertragbar sind. Offen bleibt außerdem die Frage, ob auch Frauen von einem entsprechenden Screening profitieren würden

Fazit

Ein umfassendes kardiovaskuläres Screening hat bei 65- bis 74-jährigen in Dänemark lebenden Männern keinen signifikanten Effekt auf die Prognose gehabt.

In der Subgruppe der 65- bis 69-Jährigen wirkte das Screening dagegen.

Quelle-- ESC Congress, Hotline-Session 2, 26. bis 29. August 2022 in Barcelona

Literatur-- Lindholt JS et al. N Engl J Med. 2022. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2208681

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