Beide Klappen oder nur eine behandeln?
Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz-- Wenn Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz gemeinsam auftreten, verschlechtert das die Prognose erheblich. Eine kombinierte Behandlung beider Klappen erscheint deshalb sinnvoll, doch gibt das die Studienlage auch her?
Veröffentlicht:Der Anteil an Patienten mit gleichzeitig bestehender schwerer Mitralinsuffizienz (MI) und moderater bis schwerer Trikuspidalinsuffizienz (TI) ist hoch, insbesondere bei Patienten mit rheumatischen Klappenfehlern (ca. ein Drittel der Patienten) und ischämischer MI, etwas geringer bei Patienten mit primärer MI. Das kombinierte Auftreten beider Klappenfehler geht mit einer deutlich schlechteren Prognose einher, was das Überleben und die Entwicklung einer Herzinsuffizienz anbelangt [1].
Darüber hinaus entwickelt ein erheblicher Teil von Patienten nach einer chirurgischen Mitralklappenreparatur erst spät eine TI und es mangelt an Prädiktoren, die eine entsprechende Progression der TI vorhersagen lassen, was die Entwicklung einer adäquaten Behandlungsstrategie bei diesen Patienten erschwert [2].
Chirurgische Betrachtungen
Retrospektive Analysen und kleinere randomisierte Studien konnten belegen, dass eine simultane Therapie beider Klappen bessere echokardiografische und funktionelle Ergebnisse nach sich zieht. Wenn zum Zeitpunkt der Diagnosestellung neben einer schweren MI folgende drei bzw. vier Konstellationen vorliegen, wird bei einem chirurgischen Vorgehen entsprechend aktueller Richtlinien die gleichzeitige Behandlung beider Klappen empfohlen:
1. eine moderate bis schwere TI ist nachweisbar,
2. der Trikuspidalklappenanulus ist dilatiert (≥ 4 cm oder ≥ 2,1 cm/m², selbst wenn die TI nur moderat oder mild ist),
3. eine Rechtsherzinsuffizienz ist dokumentiert und/oder
4. eine pulmonale Hypertonie liegt vor.
Diese Empfehlung ist dadurch begründet, dass in diesen Fällen eine gleichzeitig bestehende signifikante TI mit einem ungünstigeren Ergebnis assoziiert ist und das additive OP-Risiko für eine gleichzeitige Trikuspidalklappenreparatur (TVR) relativ gering ist [3]. Dies wird auch gestützt durch eine randomisierte Studie, in der bei chirurgisch kombiniertem Vorgehen ein geringeres Maß an Trikuspidalklappeninsuffzienz nachgewiesen wurde, zu Kosten allerdings von AV-Blockierungen und hohen Schrittmacherraten (> 14 %) [4].
Trotz dieser Empfehlungen ist das strategische Vorgehen bei einer Koexistenz beider Klappenfehler selbst in großen kardiochirurgischen Zentren variabel, was durch eine dünne Datenlage bezüglich der Langzeithaltbarkeit und des Einflusses auf das Überleben nach gleichzeitiger TVR erklärt sein mag. Auch der Einfluss der Ätiologie der MI (degenerativ vs. sekundär vs. rheumatisch) auf den natürlichen Verlauf einer TI nach Mitralklappen-OP und die Auswirkungen der TVR bei den unterschiedlichen Ätiologien auf die Prognose ist noch nicht hinreichend geklärt.
Interventionelle Betrachtungen
Alternativ zur chirurgischen Therapie hat sich in den letzten Jahren die Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur der Mitralklappe (M-TEER) in den Leitlinien sowohl bei primärer als auch bei sekundärer MI bei selektierten symptomatischen Patienten mit hohem/prohibitivem operativen Risiko, einer geeigneten Klappenmorphologie und einem absehbaren Nutzen für den Patienten als Empfehlung etablieren können. Auch die Transkatheter-Edge-to-Edge-Therapie einer TI (T-TEER) konnte in der Therapie selektierter symptomatischer Patienten mit hohem chirurgischen Risiko Erfolge verzeichnen [4].
In 32–45 % der mittels M-TEER behandelten Patienten ist mit einer moderaten-schweren TI zu rechnen [5, 6]. Da nunmehr für beide Klappenfehler effiziente perkutane Therapieverfahren zur Verfügung stehen, bleibt die Frage des strategischen Vorgehens bei Vorliegen einer kombinierten MI/TI zu klären. Im Gegensatz zu der aktuell empfohlenen chirurgischen Strategie, die auf die gleichzeitige Therapie beider Klappen abzielt, wäre prinzipiell bei Einsatz von perkutanen Verfahren aufgrund des im Vergleich zum chirurgischen Vorgehen deutlich niedrigeren interventionellen Risikos für den Patienten eine zweizeitige Reparatur (z. B. zunächst M-TEER, dann T-TEER bei Bedarf) plausibel denkbar. Auch konnte gezeigt werden, dass es in 25 % der Fälle eine erfolgreiche Behandlung der MI zu einer Reduktion der TI führt [7]. Die kombinierte Therapie scheint der isolierten Therapie bezüglich Symptomverbesserung, Steigerung des Herzzeitvolumens (gemessen mittels kardialer Magnetresonanztomografie) und tendenziell in Hinblick auf die Rate an Hospitalisierungen überlegen (Abb. 1) [8]. In einer größeren retrospektiven Analyse zeigte sich bei kombinierter Therapie sogar ein Überlebensvorteil. Allerdings stellt die Gruppe von Patienten mit isolierter MI-Therapie auch ein historisch älteres Kollektiv dar und wurde mit Systemen der ersteren Generation behandelt, randomisierte Daten fehlen [9].
Somit scheint zum jetzigen Zeitpunkt ein sequenzielles Vorgehen mit initialer Behandlung der MI sowie zweitzeitiger Therapie der höhergradigen TI sinnvoll. Dieses Vorgehen entspricht der geringen Invasivität der Transkathetertherapien und vermeidet ein Eingriff bei geschätzt 25 % der Patienten. Bei ausgeprägter Fragilität und Rechts-Links-Shunt über dem atrialen Septum nach MI-Behandlung kann auch ein initial kombiniertes Prozedere diskutiert werden.
Fazit
Im Rahmen einer chirurgischen Therapie werden in der Regel eine schwere symptomatische MI und eine moderate-schwere TI kombiniert behandelt, um spätere Eingriffe mit erhöhtem Risiko zu vermeiden.
Bei einem interventionellen Vorgehen wäre prinzipiell aufgrund des niedrigeren interventionellen Risikos eine zweizeitige Therapie möglich.
Die kombinierte Therapie (einzeitig oder zweizeitig) scheint zu stärkerer Symptomreduktion und geringeren klinischen Ereignissen zu führen.
Randomisierte kontrollierte Studien sind notwendig, um die Patientenselektion zu optimieren und eine Therapieempfehlung abzuleiten.
Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser
Kontakt-- Dr. Nina Wunderlich, Asklepios Klinik Langen, Prof. Dr. Philipp Lurz, Herzzentrum Leipzig