Physiologische Erregungsausbreitung

Conduction System Pacing – hot or not?

Herzschrittmachertherapie-- Das „Conduction System Pacing“ (CSP) hat in letzter Zeit für positive Resonanzen gesorgt. Die Stimulationsmethode bietet die Möglichkeit einer physiologischen Erregungsausbreitung, sie geht aber auch mit Herausforderungen einher. Wo steht das Verfahren im Jahr 2022?

Von Dr. Jörn Schmitt Veröffentlicht:
His-stimuliertes EKG und initiales EKG bei postoperativem intermittierendem AV-Block III°.

His-stimuliertes EKG und initiales EKG bei postoperativem intermittierendem AV-Block III°.

© Schmitt

Die Möglichkeit und der Effekt einer direkten His-Bündel-Stimulation, als „idealste“ Form der ventrikulären Erregung über einen Herzschrittmacher, wurde erstmals im Jahr 2000 beschrieben. Damals kamen die teils deletären Effekte einer rechtsventrikulären (RV)-Apex-Stimulation, meist in Form einer „Pacemaker induced Cardiomyopathy“ (PICM), immer mehr zutage.
Dr. Jörn Schmitt, Universitätsklinikum Gießen

Dr. Jörn Schmitt, Universitätsklinikum Gießen

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Wegen technischer Limitationen und dem Aufkommen der leichter durchführbaren kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) verlor diese Herangehensweise jedoch bis vor einigen Jahren an Bedeutung. Viele Algorithmen wurden mit entwickelt, um den Anteil der RV-Stimulation zu verringern, jedoch mit mäßigem klinischem Erfolg. Hieraus ergab sich weiterhin Verbesserungsbedarf und letztlich machten technische Weiterentwicklungen (bei Schleusen und Sonden) diese Technik erneut interessant.

Risiko für PICM wird verringert

Es geht beim „Conduction System Pacing“ (CSP) jedoch um mehr als um ideal und schön stimulierte QRS-Komplexe (Abb. 1)! Die Methode bietet eine physiologische Erregungsausbreitung, die ohne Risiko für eine PICM einhergeht, also ohne Entwicklung einer Herzinsuffizienz durch einen hohen, unphysiologischen ventrikulären Stimulationsanteil. Eine PICM droht bei apikaler Stimulation bereits bei einem Stimulationsanteil von 20 %.

Herausforderungen des CSP

Demgegenüber stehen jedoch längere Prozedurzeiten und eine neuerliche Lernkurve von ca. 40–50 Implantationen für ansonsten erfahrene Implanteure, trotz inzwischen gut designter Schleusen-Systeme. Neben dem Aufsuchen des His-Bündels ist auch die Fixierung der Elektrode mit häufig höheren Reizschwellen und der daraus resultierenden kürzeren Aggregatlaufzeit eine Herausforderung. Es muss individuell abgewogen werden, was toleriert bzw. angestrebt werden kann und ab wann ein Strategiewechsel sinnvoll ist.

Abb. 1: His-stimuliertes EKG und initiales EKG bei postoperativem intermittierendem AV-Block III°.

Abb. 1: His-stimuliertes EKG und initiales EKG bei postoperativem intermittierendem AV-Block III°.

© Schmitt

Eine weitere Herausforderung stellt die Programmierung der Systeme dar. Es liegen zwar gute Programmieremfehlungen vor (z. B. Israel et al. H & E), Pre-Sets oder spezialisierte Algorithmen gibt es jedoch nicht. Sonst übliche und wertvolle Optionen wie zum Beispiel automatische Reizschwellen-Messungen sollten deaktiviert werden, da hier die Herzschrittmacher(HSM)-Systeme mit den Komponenten der Signale am HIS nicht zuverlässig umgehen können. Aus diesen Gründen wurde in den Leitlinien von 2021 der ESC lediglich eine IIb-Empfehlung sowie eine IIa-Empfehlung bei nicht erfolgreicher Sondenpositionierung im Falle einer CRT ausgesprochen (ESC-Guidelines 2021). Hier wird auch die Anlage einer „Backup“-Elektrode insbesondere bei schrittmacherabhängigen Patienten empfohlen. Neben der His-Bündel-Stimulation zählt auch das „left bundle area pacing“ (LBBAP) zum CSP. Hierbei ist es das Ziel, die Fasern des linken Tawara-Schenkels durch eine Sondenlage am Septum des rechten Ventrikels zu stimulieren.

Abb. 2: Röntgen-Thorax (2-Kammer-Herzschrittmacher) mit RA- und His-Elektrode sowie stillgelegten epikardialen Elektroden; RA: rechtes Atrium.

Abb. 2: Röntgen-Thorax (2-Kammer-Herzschrittmacher) mit RA- und His-Elektrode sowie stillgelegten epikardialen Elektroden; RA: rechtes Atrium.

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Eine besondere Bedeutung bekommt das Verfahren des CSP in Zusammenhang mit einer AV-Knoten-Ablation bei therapierefraktärem und schnell übergeleitetem Vorhofflimmern. Hier besteht eine iatrogene 100 % ventrikuläre Stimulation. Diese erfordert eine sichere Stimulation, zum anderen besteht aber auch der Wunsch, eine PICM zu vermeiden, bei nicht gegebener Indikation zur CRT.

Unterschiede bei der Nachsorge

Im Rahmen der Nachsorge und Folgebetreuung von Patientinnen und Patienten mit einer CSP-Stimulation sind einige Unterschiede zu beachten. Zum einen geht die Methode, wie bereits angemerkt, mit tolerierten höheren Reizschwellen und angepassten Sensing- und Refraktärzeiten einher. Zum anderen kann es zum Einsatz von DDD-Schrittmachern (mit typischer Konnektion von atrialer und ventrikulärer Elektrode [HABE] oder His-Bündel-Elektrode [HBE] an atrialem Kanal und RV-Back-up an Ventrikelkanal bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern) oder CRT-P-Systemen kommen (an atrialem Kanal, RV-Elektrode als Backup und HBE an CS-Kanal). Auch das Röntgen-Thorax zeigt nicht das gewohnte Bild: mit atypisch liegender Elektrode am His-Bündel (Abb. 2).

Im Jahr 2022 ist das CSP sicherlich HOT! Und das trotz der beschriebenen Herausforderungen. Existierende Daten sind bzgl. der Vermeidung einer PICM und der klinischen Situation auch im Rahmen einer Resynchronisationstherapie vielversprechend. Ob das CSP auch 2030 weiterhin HOT oder gar Standard sein wird, werden technische Entwicklungen, aber vor allem auch Ergebnisse ausstehender prospektiver randomisierter Studien entscheiden.

Wer profitiert von einem CSP

Bei Patientinnen und Patienten mit einem zu erwartenden ventrikulären Stimulationsanteil > 20 % mit zusätzlich mindestens leichtgradig eingeschränkter LV-Funktion unabhängig vom Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung sollte an das CSP gedacht werden. Die zweite Patientengruppe, die besonders von einem CSP profitiert, sind Patienten, bei denen eine AV-Knoten-Ablation im Rahmen eines bisher unzureichend frequenzkontrollierten Vorhofflimmerns geplant ist.

Fazit

Das „Conduction System Pacing“ (CSP) bietet eine physiologische Erregungsausbreitung, ohne Risiko für die Entwicklung einer Schrittmacher-induzierten Kardiomyopathie.

Die Methode ist aber mit Herausforderungen und gewissen technischen Limitationen verbunden.

In den ESC-Leitlinien ist das CSP deshalb mit einer Klasse-IIb-Empfehlung bzw. Klasse-IIa-Empfehlung bei nicht erfolgreicher Sondenpositionierung im Falle einer CRT aufgeführt.

Literatur beim Verfasser

Kontakt-- Dr. med. Jörn Schmitt, geschäftsführender Oberarzt und Leiter Elektrophysiologie, Universitätsklinikum Gießen, e

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