Herzinsuffizienz-Therapie

Drei Schritte zur optimalen Therapie

Herzinsuffizienz-- Die Herzinsuffizienztherapie im Alltag ist oft nicht optimal: Die Dosis simmt nicht und/oder es werden nicht alle notwendigen Medikamente verordnet. Dieser Algorithmus soll die Umsetzung einer leitliniengerechten Herzinsuffizienztherapie in den Praxisalltag unterstützen.

Von Dr. Amr Abdin und Prof. Michael Böhm Veröffentlicht:
Herzinsuffizienz-Medikamente sollten auf die volle Dosis auftitriert werden.

Herzinsuffizienz-Medikamente sollten auf die volle Dosis auftitriert werden.

© von Lieres/stock.adobe.com

In den letzten 15 bis 20 Jahren wurden bemerkenswerte Fortschritte in der Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz (HI) erzielt [1]. Eine leitliniengerechte Therapieoptimierung der chronischen HI (CHI) wird bei jedem Patientenbesuch dringend empfohlen, um die Prognose von Patienten mit HI und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) zu verbessern [2].
Dr. Amr Abdin Universitätsklinikum des Saarlandes

Dr. Amr Abdin Universitätsklinikum des Saarlandes

© Abdin

Prof. Dr. Michael Böhm Universitätsklinikum des Saarlandes

Prof. Dr. Michael Böhm Universitätsklinikum des Saarlandes

© Böhm

Jedoch wird die Mehrheit der Patientinnen und Patienten in der Praxis mit Dosen behandelt, die unter denen liegen, für die eine Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen wurde, was auf die Sorge der Ärzte vor unerwünschten Nebenwirkungen zurückzuführen ist. Ebenso erhält ein erheblicher Anteil immer noch nicht alle prognoseverbessernden Medikamentenklassen [3–6]

Der Zeitfaktor spielt auf dem gesamten Weg des HI-Patienten eine wichtige Rolle [1, 3]. Wir schlagen daher ein praktisches Vorgehen bei stabiler HI vor, unabhängig davon, ob der Patient mit akuter Dekompensation (stationär) oder ob er bei einer regelmäßigen Kontrolluntersuchung (ambulant) vorstellig wird [4].

Schritt I: Initiierung

In beiden Situationen ist die rasche Einleitung der HI-Therapie für die Prognose unerlässlich [3]. Die klinische Bedeutung eines raschen Therapiebeginns wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen [1– 4]. Die Einleitung und Optimierung einer leitliniengerechten CHI-Therapie könnte für Patienten bereits bei oder vor der Klinikentlassung wegen HI wichtig sein, um einen frühen Tod und eine erneute Hospitalisierung zu vermeiden [3, 4]. Der erste wichtige Schritt ist die gleichzeitige Initiierung der vier verfügbaren, nachweislich prognoseverbessernden Medikamentenklassen: Renin-Angiotensin-Aldosteron-Inhibitoren (RAASi), Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA), Betablocker (BB) und Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren (SGLT2i) [3, 4]. Unabhängig von der klinischen Situation sollte die Gabe aller vier Medikamente bei allen HFrEF-Patienten so früh wie möglich geschehen. Daneben kann die gleichzeitige Einleitung und Fortführung der einzelnen Substanzen Verträglichkeit, Adhärenz und Persistenz des Vierfach-Therapieschemas verbessern [2, 4].

Entscheidungspfad-- Bei allen HFrEF-Patienten (ohne besondere Merkmale), bei jeder Patientenvisite (lebenslang), von allen Ärztinnen und Ärzten (unabhängig von der Spezialisierung).

Entscheidungspfad-- Bei allen HFrEF-Patienten (ohne besondere Merkmale), bei jeder Patientenvisite (lebenslang), von allen Ärztinnen und Ärzten (unabhängig von der Spezialisierung).

© Modifiziert nach: Abdin A, et al. ESC HF 2022

Schritt II: Titration

In einem aktuellen US-Register mit 2.588 HFrEF-Patienten erhielten etwa 70 % der infrage kommenden Patienten zu keinem Zeitpunkt der Nachbeobachtung die angestrebte Dosis, und nur bei wenigen wurde die Dosis im Verlauf erhöht [7]. Nach Therapiebeginn sollten RAASi, MRA und BB bei den Patientenbesuchen bis zur maximal verträglichen Dosis titriert werden [1–4]. Bei SGLT2i ist keine Dosistitration nötig [4]. Die erwartete Wirksamkeit und Verträglichkeit sind die wichtigsten Faktoren, die bei der Titration zu berücksichtigen sind. Obwohl eine Aufwärtstitration bis zur Maximaldosis in Betracht gezogen werden sollte, ist die Einleitung aller vier Medikamentenklassen von größerer Relevanz [4–6].

An der kürzlich veröffentlichten STRONG-HF-Studie nahmen rund 1.600 Patientinnen und Patienten mit akuter HI aus 87 Kliniken in 14 Ländern teil, die nicht mit den optimalen Medikamenten behandelt wurden [8]. Die Patienten wurden randomisiert: zu einem hochintensiven Therapiearm oder zur üblichen Versorgung. Die Teilnehmer erhielten während des Klinikaufenthaltes zunächst die Hälfte der optimalen Dosis von HI-Medikamenten. Dazu gehörten RAASi, BB und MRA. In Woche 1 nach Entlassung wurde die Verträglichkeit dieser Medikamente überprüft. In Woche 2 wurde auf die volle Dosis hochtitriert. In der 3. Woche wurde die Verträglichkeit der Medikamente in voller Dosis überprüft, und nach 6 Wochen wurden die Patienten erneut untersucht. Durch das intensivierte Therapiemanagement ist die Inzidenzrate für Todesfälle und erneute Klinikeinweisungen wegen HI (primärer kombinierter Endpunkt) nach 180 Tagen signifikant von 23,3 % (usual care) auf 15,2 % gesenkt worden (p = 0,0021). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion von 34 %.

Eine der wichtigsten Strategien zur Verbesserung der Titration ist die Durchsetzung von Protokollen für die Aufdosierung, die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung vor Ort und eine Erweiterung des klinischen Aufgabenbereichs von Krankenschwestern und Apothekern [4]. Wichtig ist auch, Hausärzten eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Koordination der Patientenversorgung zuzuweisen, um die Therapietreue zu verbessern und Nebenwirkungen zu vermeiden.

Schritt III: Eskalation und Individualisierung

In einem dritten Schritt sollten andere Therapien für Untergruppen auf der Grundlage des Phänotyps der Patienten individualisiert werden [9]. Die Phänotypisierung kann zu einer personalisierten Anpassung der Pharmakotherapien führen, wobei alle Medikamentenklassen zur Verbesserung der Ergebnisse eingesetzt werden können [8]. Komorbiditäten wie KHK, Vorhofflimmern, Klappenerkrankungen, chronische Niereninsuffizienz, Diabetes und Eisenmangel sollten unabhängig vom dreistufigen Therapiealgorithmus behandelt werden [1, 7, 10]. Diuretika können in Abhängigkeit vom Volumenstatus nach Beginn der SGLT2i-Therapie und nach RAASi-Auftitration reduziert werden [48]. Weitere Patientenbesuche sollten in empfohlenen/standardmäßigen Kontrollintervallen stattfinden [7].

Fazit

Dieser praktische Behandlungsansatz kann angewandt werden, um eine leitliniengerechte Therapie für HFrEF-Patientinnen/Patienten gemäß den ESC-Empfehlungen sicherzustellen.

Dieser Algorithmus zur Entscheidungsunterstützung ist für Ärztinnen und Ärzte im stationären und ambulanten Bereich, aber auch für medizinisches und pflegerisches Personal in zertifizierten HI-Netzwerken geeignet.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Dr. Amr Abdin, Klinik für Innere Medizin III-Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes,

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