Erfahrungen aus der Praxis

Gelebte Heart-Teams in Deutschland: Teil 3

Innenansicht der Herzmedizin-- Führende Professoren aus Herzchirurgie und Kardiologie verschiedener Standorte in der Bundesrepublik beurteilen die praxisorientierte Zusammenarbeit in ihren Heart-Teams und schildern ihre Erfahrungen.

Veröffentlicht:
Gelebte Heart-Teams in Deutschland: Teil 3

© designsoliman / Fotolia

Hamburg

Kooperation interdisziplinär

Gelebte Heart-Teams in Deutschland: Teil 3

© Reichenspurner

Gelebte Heart-Teams in Deutschland: Teil 3

© Blankenberg

In Hamburg haben wir 2005 das Universitäre Herzzentrum (UHZ) gegründet. Ein Jahr später konnten wir in das eigens errichtete Gebäude umziehen. Hier sind nun die Kliniken für Kardiologie, Herzchirurgie, Gefäßmedizin und Kinderherzmedizin vereint.

Für Herzchirurgen ist die engste klinische Partnerklinik die Kardiologie. Daher liegen die Büros beider Klinikdirektoren direkt nebeneinander. Ohne stets das Wort „Heart-Team“ zu gebrauchen, treffen wir uns mehrfach täglich, um einzelne Patientinnen und Patienten zu besprechen. Das Herzkatheterlabor ist ganz nah und es bereitet uns große Freunde, dort mit den Kollegen Patienten zu besprechen. Oft sind die Entscheidungen ja zeitkritsch und dulden keinen Aufschub.

In vielen Kliniken ist eine wöchentliche Herzkonferenz zwischen Kardiologie und Herzchirurgie etabliert. Wir finden das viel zu wenig. Am UHZ Hamburg halten wir täglich Herzkonferenzen ab. Es gibt eine separate Herzkatheterkonferenz, in der täglich alle Fälle mit Dreigefäßerkrankungen und Hauptstammstenosen intern und extern diskutiert werden. Hier spielen auch niedergelassene Kardiologen und Zuweiser eine wichtige Rolle. Beschlüsse der Herzkatheterkonferenz werden immer mit ihnen besprochen und dann ggf. entsprechend modifiziert. Etwas versetzt findet die strukturelle Herzkonferenz statt, in der alle Patienten mit Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklappen-Erkrankungen diskutiert werden. Alle zu besprechen ist entscheidend, denn jeder ist anders; es gibt dabei extrem selten Meinungsverschiedenheiten. Auch hier ist der Zuweiser wichtig, da alle Entscheidungen mit ihm/ihr abgesprochen werden, bzw. er/sie auch selbst dabei sein kann. Die Zukunft der Therapie von Herzerkrankungen liegt in der gemeinsamen Herzmedizin! Die Zeiten komplett getrennter Abteilungen sind Vergangenheit und alle Patientinnen und Patienten sollten interdisziplinär besprochen werden, wie dies seit Jahren in der Onkologie selbstverständlich geworden ist. Kooperation statt Kompetition ist deshalb Motto unseres Zentrums!

Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner und Prof. Dr. Stefan Blankenberg, UKE Hamburg

Leipzig

Im Konsens entscheiden

Gelebte Heart-Teams in Deutschland: Teil 3

© Thiele

Das Heart-Team, wie es bei uns im Herzzentrum Leipzig ausgesprochen gut kollegial funktioniert, stellt aus meiner Sicht einen der zentralen Pfeiler in der Therapie vieler kardiovaskulärer Erkrankungen wie bei Klappenvitien oder der Revaskularisation bei komplexer koronarer Herzerkrankung dar.

Es ist auch durch Studien belegt, dass das beste klinische Outcome bei Konsensus des Heart-Teams für eine Therapie gemäß den Leitlinienempfehlungen erreicht werden kann [1]. In manchen Bereichen, wie der TAVI, ist das Heart-Team auch nach G-BA-Vorgaben verpflichtend. Wichtig ist daher die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen, um für Patientinnen und Patienten die bestmögliche Therapie, also konservativ, interventionell oder chirurgisch anbieten zu können. Sowohl die Involvierung als auch die Entscheidung aufgeklärter Patientinnen und Patienten ist in den neuen ESC-Klappen-Leitlinien erstmalig klar beschrieben und gestärkt worden [2].

Während meiner klinischen Tätigkeit habe ich verschiedene Konstellationen von Heart Teams basierend auf den Strukturbegebenheiten von Kliniken gesehen. Dazu gehören:

1. kardiologische Abteilungen in Kliniken mit herzchirurgischer Abteilung vor Ort in typischen Krankenhäusern mit vielen verschiedenen Abteilungen,

2. eigenständige spezialisierte Herzzentren mit Kardiologie und Herzchirurgie mit/ohne zusätzliche Kinderkardiologie,

3. kardiologische Abteilungen ohne Herzchirurgie vor Ort, meist in Krankenhäusern mit vielen Abteilungen und

4. invasive kombiniert ambulante/stationäre Kardiologie, in der Regel ohne Herzchirurgie vor Ort und oft angegliedert an Krankenhäuser mit vielen verschiedenen Abteilungen.

Strukturbegebenheiten für funktionierende Heart-Teams

Diese Strukturbegebenheiten, zusammen mit der Expertise der Teams, mit der Größe der Abteilungen, leider teilweise auch wirtschaftliche Aspekte, aber auch die Charaktere der Beteiligten bedingen sich gegenseitig und haben Einfluss auf das gute oder auch nicht so gute Funktionieren eines Heart-Teams.

Heart-Teams sollten aber auch nicht unidirektional sein, d. h. primär in die Herzchirurgie eingewiesene Patienten werden operiert, primär in die Kardiologie eingewiesene Patienten werden interveniert. Das gilt aus meiner Sicht insbesondere für die oben genannten Konstellationen 1 und 2. Auch hier sollte die Expertise des lokalen Heart-Teams involviert werden, um die bestmögliche Therapie für Patienten zu erörtern.

Für die Konstellationen 3 und 4 sollten für ein lokales kardiologisches Heart-Team auch klar definierte Kriterien gelten, welche Patienten in einem Heart-Team mit großer Expertise zu evtl. OP oder Intervention vorzustellen sind. Sehr wichtig ist daher, dass man „Standard Operating Procedures“, basierend auf den aktuellen Leitlinien hat, und definiert, welche Patienten im Heart-Team besprochen werden sollten.

Prof. Dr. Holger Thiele, Herzzentrum Leipzig – Universität Leipzig

Lesen sie auch
Lesen sie auch
Schlagworte: