Interventionen an der Trikuspidalklappe – wohin geht die Reise?

Update-- Die interventionelle Trikuspidalklapptherapie ist aktuell eines der dynamischsten Felder der Herz-Kreislauf-Medizin. Vor Kurzem gab es noch keine interventionellen Therapieansätze und wegen hoher perioperativer Mortalität wurden Trikuspidalklappenpathologien zuvor oft nur als prognostischer Faktor berücksichtigt.

Von Dr. Nina Wunderlich und Prof. Peter Lüdike Veröffentlicht:
Abb. 1-- Mögliche Therapieansätze bei schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz entsprechend des Stadiums der Rechtsherzerkrankung und der Pathophysiologie. Im progressiven Stadium kann auch der kombinierte Einsatz von Segel- und Anuloplastieverfahren diskutiert werden. Wunderlich/Lüdike; TK: Trikuspidalklappe, RA: rechtes Atrium, RV: rechter Ventrikel, PK: Pulmonalklappe; RVOT: rechtsventrikulärer Ausflusstrakt

Abb. 1-- Mögliche Therapieansätze bei schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz entsprechend des Stadiums der Rechtsherzerkrankung und der Pathophysiologie. Im progressiven Stadium kann auch der kombinierte Einsatz von Segel- und Anuloplastieverfahren diskutiert werden. Wunderlich/Lüdike; TK: Trikuspidalklappe, RA: rechtes Atrium, RV: rechter Ventrikel, PK: Pulmonalklappe; RVOT: rechtsventrikulärer Ausflusstrakt

© Wunderlich/Lüdike

Technische Innovationen haben in den letzten Jahren allerdings dazu geführt, dass entsprechend der individuellen Anatomie der Trikuspidalklappe (TK) aber auch im Hinblick auf die pathophysiologische Relevanz und die integrative Betrachtung der rechtsventrikulären Funktion, der pulmonalvaskulären Widerstände sowie deren gegenseitige Abhängigkeit zunehmend eine differenzierte Diagnostik und Therapie möglich ist.

Wenngleich noch keine prospektiven Studien existieren, die die breite Anwendung im Sinne einer Klasse-I-Empfehlung stützen, so hat die interventionelle Therapie der TK in zahlreichen publizierten Fallserien und Registerstudien neben der Sicherheit eindrückliche Effekte im Hinblick auf die Symptomverbesserung gezeigt und suggeriert darüber hinaus auch eine Reduktion der Mortalität. Auf Basis dieser Daten wird in der europäischen Leitlinie für Herzklappenerkrankungen die interventionelle Therapieoption in der Neuauflage von 2021 erstmals mit einer Klasse IIb für ausgewählte Patienten und Patientinnen empfohlen [1].

Prof. Peter Lüdike, Universitätsklinikum Essen.

Prof. Peter Lüdike, Universitätsklinikum Essen.

© Lüdike

Dr. Nina Wunderlich, Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH

Dr. Nina Wunderlich, Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH

© Wunderlich

Die Pathologien der TK sind einewachsende Herausforderung

Darüber hinaus rekrutieren aktuell zahlreiche randomisierte, kontrollierte Studien Patientinnen und Patienten, um die Evidenzgrundlage für dieses bis dato häufig unbehandelte Patientenkollektiv zu schaffen. Hervorzuheben ist hier eine Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), welche die erste industrieunabhängige, multizentrische Studie ist, die für mehrere interventionelle TK-Systeme überprüft, ob ein entsprechender Eingriff gegenüber einer rein medikamentösen Therapie den Betroffenen Vorteile bringt (TRICI-HF-DZHK24).

In diesem Kontext stellt die Auseinandersetzung mit Pathologien der TK eine wachsende Herausforderung für das Behandlungsteam dar. Eine präzise Beschreibung der Anatomie der TK, die genaue Evaluierung der zugrunde liegenden Pathophysiologie und des Schweregrades sowie die Einordnung des valvulären Befundes in den Gesamtkontext der kardialen und internistischen Grunderkrankung der oft multimorbiden Patienten bildet die Basis für die Auswahl der am besten geeigneten interventionellen Therapieform.

Neben dem am häufigsten angewandten Edge-to-Edge-Verfahren (MitraClipTM, PascalTM) hat sich für die TK ebenfalls die interventionelle Anuloplastie (CardiobandTM) etabliert und in der jüngsten Vergangenheit sind auch orthotope (EVOQUETM) und heterotrope (TricValveTM) Klappenersatzverfahren möglich geworden.

Die wichtigsten Diagnoseschritte

Um dem Anspruch an eine optimale, individualisierte Therapie gerecht zu werden, hat ein internationales Expertengremium im Jahr 2021 ein „State-of-the-Art“-Review formuliert, in dem die wichtigsten Schritte und Aspekte zusammengefasst werden [2]:

Anatomie, Pathophysiologie und Schweregrad: Es herrscht Konsens, dass vor jeder Therapieentscheidung eine hochwertige echokardiografische Analyse der TK in 2-D und 3-D erfolgen muss. Hierbei sollte die höchst individuelle Anordnung der Klappensegel, die in knapp 50 % der Fälle aus mehr als 3 Anteilen besteht, Berücksichtigung finden, wie auch die Position des anterioren Papillarmuskels sowie die Geometrie des rechten Ventrikels.

Darüber hinaus sollte die Echokardiografie die Frage nach der Ätiologie der TK-Insuffizienz eindeutig beantworten (atrial sekundär, ventrikulär sekundär, schrittmachersondenassoziiert, primär). Bei der Einschätzung des Schweregrads einer TK-Insuffizienz ist eine Einstufung in 5 Grade – neben den konventionellen Graden I°, II°, III°, additiv Grad IV° („massive“) und V° („torrential“) – inzwischen weitreichend akzeptiert, da sich Effekte einer Intervention hierdurch differenzierter aufzeigen lassen.

Hämodynamische Charakterisierung: Bereits in der frühen Phase der interventionellen TK-Therapie konnte gezeigt werden, dass der Betrachtung der RV-Funktion unter Berücksichtigung der Nachlast (= pulmonaler Gefäßwiderstand) prognostische Bedeutung zukommt und eine Abschätzung möglich macht, ob Patienten von einer Therapie der TK profitieren oder nicht [3]. Das echokardiografisch einfach zu bestimmende Verhältnis der TAPSE zum systolischen Druck in der Pulmonalarterie (TAPSE/sPAP) erlaubt hier eine erste Einschätzung.

Da viele Patienten und Patientinnen mit einer TK-Insuffizienz Druckerhöhungen in der Lungenstrombahn aufweisen, sollte ebenfalls herausgearbeitet werden, ob eine prä- oder postkapilläre Genese zugrunde liegt, da im Falle einer präkapillären pulmonalen Hypertonie mit einer deutlich schlechteren Prognose gerechnet werden muss und primär eine medikamentöse Therapie indiziert ist. Die Rechtsherzkatheteruntersuchung ist daher in den meisten Herzklappenzentren integraler Bestandteil der Diagnostik.

Patientenmanagement und Timing einer Intervention: Da die hochgradige TK-Insuffizienz ein heterogenes Patientenkollektiv betrifft und keine validierte medikamentöse Therapie existiert, die zu einer langfristigen Reduktion einer relevanten TK-Insuffizienz führt, kommt der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen TK-Klappeneingriff eine wichtige Bedeutung zu. Es herrscht Konsens, dass ein interdisziplinäres Behandlungsteam vor einer etwaigen Intervention prüft, ob alle möglichen beeinflussbaren Faktoren optimal adressiert wurden (z. B. Volumenstatus, linksventrikuläre Vitien, Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern etc.).

Aufgrund der mangelnden medikamentösen Therapieoptionen sollte bei Patientinnen und Patienten nach Erstdiagnose eines Schweregrades der TK-Insuffizienz ≥ III° eine engmaschige Anbindung an ein Herzklappenzentrum erfolgen und frühzeitig eine Intervention diskutiert werden, um Folgeschäden möglichst zu minimieren.

Therapieoptionen: Wie bereits oben ausgeführt, existieren neben der bereits breit etablierten „Edge-to-Edge-Repair“ und Anuloplastieverfahren innovative Ansätze für einen minimalinvasiven orthotopen Klappenersatz über die Vena femoralis, bei dem das Implantat über Spangen im nativen Halteapparat fixiert wird (z. B. EVOQUETM-Klappe). Ebenfalls über die Vena femoralis werden sog. heterotope Ansätze verfolgt, bei denen stentbasierte Prothesen in die Vena Cava eingebracht werden und über die integrierten Ventile die drucktrennende Funktion der TK, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien, wiederhergestellt wird.

Abb. 1 fasst diese Verfahren unter Berücksichtigung von anatomischen und pathophysiologischen Aspekten zusammen.

Fazit

Die Zukunft der interventionellen Trikuspidalklappentherapie hat bereits begonnen.

Bisher nicht therapierbare, häufig schwer kranke Patientinnen und Patienten mit schwerer Trikuspidalinsuffizienz erhalten inzwischen effektive und vor allem sichere Optionen.

Die verschiedenen verfügbaren Technologien erfordern, dass Herzklappenzentren alle Aspekte der Erkrankung sorgfältig aufarbeiten, um die individuell am besten geeignete Therapie zu identifizieren.

Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser

Kontakt-- Dr. med. Nina Wunderlich, Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt GmbH, .net Prof. Dr. med. Peter Lüdike, Universitätsklinikum Essen,

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