KHK und TAVI – was zuerst behandeln?

Relevante Komorbiditäten-- Bis zu 50 % der Patientinnen und Patienten mit einer Aortenklappenstenose leiden auch an einer koronaren Herzerkrankung. Die Evidenz für das Management solcher Fälle ist dürftig. Nichtsdestotrotz gibt es Empfehlungen, die Kardiologinnen und Kardiologen eine Orientierung geben.

Von Prof. Tanja Rudolph und Dr. Fernando Gatto Veröffentlicht:
A) 89-jähriger Patient mit distaler Haupstammstenose und Posteralateralstenose des CX. B) Intervention des HS vor TAVI, PL/CX-Stenose wurde belassen und kann bei Beschwerdepersistenz nach TAVI interveniert werden.

A) 89-jähriger Patient mit distaler Haupstammstenose und Posteralateralstenose des CX. B) Intervention des HS vor TAVI, PL/CX-Stenose wurde belassen und kann bei Beschwerdepersistenz nach TAVI interveniert werden.

© [M] Rudolph

Die Prävalenz der koronaren Herzerkrankung (KHK) bei Patienten mit Aortenklappenstenose liegt je nach Alter bei bis zu 50 %. Das Vorliegen einer KHK hat einen negativen Effekt auf das Überleben der Patienten und erhöht das periprozedurale Risiko. Der prognostische Benefit einer myokardialen Revaskularisation einer asymptomatischen KHK im Rahmen der Behandlung der Aortenklappenstenose ist jedoch nicht abschließend geklärt.

Aktuelle Datenlage

Aktuell wird in den EACTS/ESC-Leitlinien [1] eine Evaluation der Herzkranzgefäße vor Behandlung einer Aortenklappenstenose angeraten (Klasse-IC-Empfehlung). Erfolgt eine operative Versorgung der Aortenklappe, empfiehlt sich eine Revaskularisation aller Gefäße mit einer Stenose ≥ 70 bzw. ≥ 50 % (IC- bzw. IIaC-Empfehlung).

Eine Metaanalyse retrospektiver Registerdaten zeigte keinen Vorteil einer routinemäßigen perkutanen Koronarintervention (PCI) vor einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) gegenüber einer alleinigen TAVI-Behandlung hinsichtlich der Endpunkte MACE nach 30 Tagen und Mortalität nach einem Jahr [2]. In der ACTIVATION-Studie – die einzige randomisierte Studie zu dieser Indikation – hat sich die Revaskularisation als nicht vorteilhaft erwiesen; allerdings wurden überwiegend Personen ohne Angina pectoris und mit gering ausgeprägter KHK eingeschlossen [3]. Die bisher erhobenen Daten beziehen sich im Wesentlichen auf Patienten in einem Alter von über 75 Jahren, was die Aussagekraft weiter einschränkt.

Trotz geringer Evidenz wird in den EACTS/ESC-Leitlinien sowie in einem aktuelleren Statement der EAPCI bei einer geplanten interventionellen Versorgung mittels TAVI empfohlen, nur proximale Läsionen mit einer Stenose ≥ 70 % zu behandeln (IIaC-Empfehlung).

Diagnostik der KHK

Die invasive Koronarangiografie ist aktuell die Standarduntersuchung zur Diagnose einer KHK im Rahmen einer TAVI-Abklärung. So lässt sich der Schweregrad der KHK genau beurteilen und bei Bedarf eine PCI direkt durchführen. Bei intermediären Koronarstenosen empfehlen die Leitlinien eine koronarphysiologische Messung (FFR, Ruhe-Indizes) [4].

Allerdings ist die Datenlage bei Patienten mit Aortenklappenstenose begrenzt und z. T. widersprüchlich [5–7]. Obwohl es bei der Aortenklappenstenose zu einer reduzierten adenosininduzierten Hyperämie kommen kann, konnte gezeigt werden, dass eine FFR-gesteuerte PCI einer Angiografie-gesteuerten überlegen ist. Nicht auf Hyperämie basierte Indices (z. B. iFR) können bei Aortenklappenstenose aufgrund des erhöhten basalen Blutflusses die Stenose ggf. überschätzen. Aufgrund der unzureichenden Datenlage gibt es noch keine eindeutigen Empfehlungen.

Prof. Tanja Rudolph-- Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Rudolph

Prof. Tanja Rudolph-- Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Rudolph

© Rudolph

Dr. Fernando Gatto-- SHG-Kliniken Völklingen

Dr. Fernando Gatto-- SHG-Kliniken Völklingen

© Gatto

Die CT zur nicht invasiven Beurteilung der KHK hat eine hohe diagnostische Genauigkeit, insbesondere in Bezug auf den negativen Vorhersagewert, um eine signifikante Koronarstenose auszuschließen. Der Vorteil der Koronar-CT besteht darin, dass sie in die routinemäßige CT-Bewertung vor dem TAVI-Eingriff integriert werden kann, ohne dass eine zusätzliche Kontrastmittelgabe oder invasive Untersuchung erforderlich ist.

Angesichts der Tatsache, dass in der aktuellen TAVI-Population aufgrund des Alters häufig nicht stenosierende Koronarverkalkungen vorhanden sind, ist die CT allerdings nur in circa 30 % der Patienten aussagekräftig. Mit einer möglichen zukünftigen Ausweitung der TAVI-Indikationen auf jüngere Patienten könnte die CT an Bedeutung gewinnen.

PCI vor, während oder nach TAVI?

Besteht nach o. g. Kriterien bzw. aufgrund des Beschwerdebildes der Betroffenen die Indikation zur PCI, stellt sich die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt. Eine PCI vor der TAVI hat den Vorteil, dass das Risiko einer relevanten myokardialen Ischämie während des Eingriffes oder beim Auftreten von intraprozeduralen Komplikationen verringert wird. Ein potenzieller Nachteil der PCI im Vorfeld der TAVI ist die Notwendigkeit einer dualen Plättchenhemmung, die das Blutungsrisiko für die TAVI-Prozedur erhöht.

Nach aktuellen Daten des internationalen REVASC-TAVI-Registers scheint die PCI nach TAVI mit einem besseren klinischen Outcome nach 2 Jahren assoziiert zu sein. Nach der TAVI verbessert sich die Hämodynamik des linken Ventrikels, wodurch sich das Risiko einer hämodynamischen Instabilität während der PCI verringert, was speziell bei komplexen Koronarbefunden oder reduzierter LV-Funktion eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Eine TAVI-Prothese kann jedoch eine technische Herausforderung für die PCI darstellen, da der Zugang zu den Koronarostien je nach Klappenprothese und Orientierung (kommissurales Alignement) erschwert sein kann

Fazit

Bei den Voruntersuchungen zur TAVI sollte eine Diagnostik hinsichtlich einer koronaren Herzerkrankung erfolgen.

Da es für eine routinemäßige Revaskularisation keine Evidenz gibt, ist es unabdingbar, den Patienten/die Patientin individuell zu betrachten.

Hierbei spielen die Lebenserwartung und Symptomatik ebenso wie Lokalisation und Komplexität der Läsion sowie Erreichbarkeit nach TAVI-Implantation eine entscheidende Rolle.

Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser

Kontakt-- Prof. Tanja Rudolph, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Bad Oeynhausen, trudolph@hdz-nrw.de; Dr. Fernando Gatto, Medizinischen Klinik I der SHG-Kliniken Völklingen, fernando.gatto@gmx.de

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