Menschen mit KHK und TAVI: keine Evidenz für die Therapie

Kommentar--

Ein Kommentar von Prof. Hüseyn Ince und Prof. Albrecht Elsässer Veröffentlicht:
Prof. Dr. med. Albrecht Elsässer-- Oldenburg

Prof. Dr. med. Albrecht Elsässer-- Oldenburg

© Elsässer

Prof. Dr. med. Hüseyin Ince-- Rostock/Berlin

Prof. Dr. med. Hüseyin Ince-- Rostock/Berlin

© Ince

Wir bedanken uns bei Frau Prof. Rudolf und Herrn Dr. Gatto für den hervorragenden Artikel.

Beschäftigt er sich doch mit einem sehr wichtigen klinischen Thema, von dem wir ausgegangen sind, dass viele Fragen bereits geklärt seien. Doch der Nachweis eines prognostischen Benefits einer myokardialen Revaskularisation bei Patientinnen und Patienten mit einer asymptomatischen koronaren Herzerkrankung im Rahmen der Behandlung der Aortenklappenstenose ist bisher nicht erfolgt. Leider konnte die ACTIVATION-Studie auch keine repräsentativen Ergebnisse zu dieser Fragestellung liefern. Die Kalkulation der Studienkohorte basierte auf der Nichtunterlegenheit der prä-TAVI PCI gegenüber keiner Koronarintervention vor Klappeneingriff. Aufgrund der verzögerten Rekrutierung wurde der Einschluss nach 235 statt der vorgesehenen 310 Probandinnen und Probanden beendet. Eine statistische Signifikanz des primären kombinierten Endpunktes bestehend aus Tod und Rehospitalisierung nach 12 Monaten wurde knapp verfehlt (p = 0,067). In der PCI-Gruppe zeigten sich jedoch erhöhte Blutungsraten. Aufgrund der am Ende nicht ausreichend großen Studienpopulation kann man die Ergebnisse der ACTIVATION-Studie lediglich als Hypothesen-generierend einstufen. Zudem gilt es zu hinterfragen, welchen klinischen Stellenwert diese Studie bei regulärer Durchführung gehabt hätte, da die Schwere und Komplexität der koronaren Herzerkrankung in diesem Kollektiv als gering eingeschätzt werden kann und somit nicht repräsentativ ist für unseren klinischen Alltag. Deshalb erwarten wir mit Spannung die noch ausstehenden Ergebnisse der Studien NOTION-3, TCW, COMPLETE TAVR. Bis dahin sollten wir in unserem Entscheidungsprozess auch folgende Inhalte mitberücksichtigen:

Unsere interventionellen Therapien dienen generell der Protektion des Myokards, denn sowohl eine hochgradige Aortenklappenstenose als auch eine relevante koronare Herzerkrankung führen zu einem Mismatch zwischen Sauerstoff-Angebot/-Bedarf und durch deren gemeinsames Vorhandensein wird der Sauerstoffverbrauch potenziert.

Die klinische Symptomatik als singuläres Therapieentscheidungskriterium zu definieren, wird der Befundkomplexität nicht gerecht, denn auch bis zu 30% unserer Patienten und Patientinnen haben eine stumme Ischämie. Deshalb sollte das Vorhandensein sowie das Ausmaß der myokardialen Ischämie objektiviert werden.

In der Abwägung zwischen der Koronarintervention vor TAVI und der durch die DAPT-Therapie bedingten erhöhten Blutungsrate sollten wir den Schweregrad und Lokalisation der Stenosierungen berücksichtigen. Die Behandlung von relevanten Stenosen in proximalen Koronarabschnitten führt zu einer effizienteren Verbesserung der myozytären energetischen Situation als die TAVI-Prozedur und reduziert dadurch das Risiko einer myokardialen Schädigung.

Bei fehlender Evidenz zu diesem Themenkomplex ist es unabdingbar, für die Betroffenen individuelle Therapiekonzepte zu entwickeln. In einem differenzierten Entscheidungsprozess sollte es und gelingen, den Umfang sowie den Zeitpunkt der Behandlung von zwei gleichzeitig vorhandenen Herzerkrankungen definieren zu können.

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