QT-Zeit beurteilen – trotz KI ist die menschliche Intelligenz noch gefragt!

EKG-Diagnostik-- Die künstliche Intelligenz ist eine vielversprechende Technologie zur schnellen Beurteilung von großen Datenmengen und zum Vergleich von Mustern. Dabei ist die Festlegung auf wenige Parameter der limitierende Faktor. Das EKG versteckt eine enorme Zahl an Parametern, die berücksichtigt werden müssen. Was gibt es bei der QT-Zeit zu beachten?

Von PD Dr. H. Bogossian und PD Dr. Damir Erkapic Veröffentlicht:
Etwas Rechnen ist gefragt für die Ermittlung der QT-Zeit.

Etwas Rechnen ist gefragt für die Ermittlung der QT-Zeit.

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Das EKG ist eine der günstigsten und am häufigsten angewandten Untersuchungsmethoden im klinischen Alltag. Über das letzte Jahrhundert konnten verschiedene Aufzeichnungs- und Messmethoden etabliert werden. Darüber hinaus konnten viele Muster beschrieben werden, die Krankheitsbilder definieren und unerlässlich für die Planung der weiteren Therapie sind (z. B. STEMI, Brugada-Syndrom, Chapman’s Sign und viele andere).

PD Dr. Harilaos Bogossian Evangelisches Krankenhaus Hagen Bogossian

PD Dr. Harilaos Bogossian Evangelisches Krankenhaus Hagen Bogossian

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PD Dr. Damir Erkapic Diakonie Klinikum Jung Stilling, Siegen

PD Dr. Damir Erkapic Diakonie Klinikum Jung Stilling, Siegen

© Erkapic

Veränderungen im EKG, die beispielsweise durch Herzfrequenz oder QRS-Verbreiterung bedingt sind, können durch verschiedene Formeln korrigiert werden.

Insbesondere die QT-Zeit ist ein Intervall, welches – sowohl innerhalb einzelner EKGs als auch tages- und formabhängig – sehr dynamisch ist.

QT-Zeit-Messung im Ruhe-EKG

Die korrekte Beurteilung der QT-Zeit ist essenziell, da sowohl bei zu kurzem als auch bei verlängertem Intervall ein potenzielles Risiko für maligne Herzrhythmusstörungen besteht. Neben exogenen Faktoren (Ischämie, Elektrolytstörungen oder Medikamenten) können angeborene genetische Ionenkanaldefekte ursächlich dafür sein [1].

Abb. 1-- QT-Dispersion im EKG.

Abb. 1-- QT-Dispersion im EKG.

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Das QT-Intervall beinhaltet die Summe der Depolarisations- und der Repolarisationsdauer der Ventrikel. Während die Depolarisation durch den QRS abgebildet wird, ist die Repolarisation weitestgehend durch die JT-Zeit repräsentiert [2]. Die normale QT-Zeit wird bei Männern mit bis zu 450 ms und bei Frauen mit bis 460 ms beschrieben [3]. Bei QT-Zeit-Verlängerungen über 500 ms besteht ein hohes Risiko für maligne Arrhythmien.

Seit 2009 liegen amerikanischen Empfehlungen zur standardisierten EKG-Interpretation vor [3]. In diesen wird geraten für die korrekte QT-Zeit-Messung die Ableitung mit der längsten QT-Zeit zu berücksichtigen. Dabei ist eine möglicherweise gesehene U-Welle kein Bestandteil der QT-Zeit. Das längste Intervall ist dabei meist in den Ableitung V2 und V3 zu erwarten. Abb. 1 zeigt ein Beispiel für die hohe Variabilität der QT-Zeit in Abhängigkeit der gewählten Ableitung. Während die QT-Zeit in Ableitung V2 400 ms beträgt, ergibt die Messung in Ableitung II 430 ms und in Ableitung V6 sogar 480 ms [4]. Diese Variabilität wird als QT-Dispersion bezeichnet. Da diese Schwankungen auch bei gesunden Menschen gesehen werden, sollte nur eine größere Differenz (über 100 ms) als Hinweis für eine potenziell gefährliche Repolarisationsstörung gewertet werden [5]. Für eine genauere Messung sind heutzutage moderne elektronische Messtools hilfreich (Abb. 2)[4].

Abb. 2-- Messung mithilfe von elektronischen Kalippern (Software EP Calipers©).

Abb. 2-- Messung mithilfe von elektronischen Kalippern (Software EP Calipers©).

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Ableitungen mit sehr flacher QT-Zeit

In der praktischen Anwendung erschweren Ableitungen mit sehr flacher QT-Zeit die genaue Messung, während die Ableitungen mit klar definierter T-Welle die Messung vereinfachen. Um spitzere Winkel zwischen den einzelnen Wellen und der Grundlinie zu generieren und somit das Ende der T-Welle besser zu erkennen, empfiehlt sich alternativ die Schreibgeschwindigkeit zu reduzieren (z. B. von 50 mm/s auf 25 mm/s). Dadurch wird die Abgrenzung der EKG-Abschnitte einfacher; die zeitliche Genauigkeit leidet allerdings darunter (am Beispiel der oben genannten Schreibgeschwindigkeit beträgt ein Kästchen 40 ms statt 20 ms).

QTc-Zeit: Frequenzbedingte Korrektur

Durch Frequenzschwankungen kommt es auch zu Veränderung der QT-Dauer. So kommt es bei Bradykardien zu einer absoluten Verlängerung der QT-Zeit, während bei Tachykardien die QT-Zeit verkürzt erscheint. Aufgrund dessen hat sich die Beurteilung der frequenzabhängig korrigierten QT-Zeit (QTc) durchgesetzt. Hierfür wurden verschiedene Formeln erstellt [6]. Am genauestens sind diese Formeln im Bereich der Normofrequenz (60/min).

Bei ausgeprägten Tachykardien oder Bradykardien nimmt der Fehler der Frequenzkorrekturen zu. Im klinischen Alltag hat sich die „Bazett“-Formel durchgesetzt [QTc = QT(ms)/vRR(Sek); RR = 60/Herzfrequenz (HF)]. Diese bietet im Frequenzspektrum zwischen 50 und 70/min eine ausreichende Zuverlässigkeit. Bei höheren Herzfrequenzen empfiehlt es sich, komplexere Formen anzuwenden wie zum Beispiel die „Framingham“ [QTc = QT + 0,154 (1 – RR)] oder „Hodges“ [QTc = QT + 1,75 (HF – 60)] Formel [6].

Bei sehr bradykarden Herzfrequenzen erscheint die Formel nach „Fridericia“ [QTc = QT/3vRR] sinnvoller zu sein. Auch im Falle der Kombination mit anderen Formeln (z. B. zur Schenkelblockkorrektur) empfiehlt sich, bei höheren Herzfrequenzen die Hodges-Formel anzuwenden [7].

Abb. 3-- Beurteilung der QT-Zeit im Falle von Vorhofflimmern. RR-Intervalle sind rot markiert, längste und kürzeste QT-Zeit jeweils grün, weitere drei QT-Intervalle blau markiert.Manuelle Messung in Ableitung II:RRmean = 945 ms (=> HF = 63 bpm), QTmean = 430 ms; Messung des EKG-Schreibers: HF = 64/min, QT = 424 ms

Abb. 3-- Beurteilung der QT-Zeit im Falle von Vorhofflimmern. RR-Intervalle sind rot markiert, längste und kürzeste QT-Zeit jeweils grün, weitere drei QT-Intervalle blau markiert.Manuelle Messung in Ableitung II: RRmean = 945 ms (=> HF = 63 bpm), QTmean = 430 ms; Messung des EKG-Schreibers: HF = 64/min, QT = 424 ms

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QTc-Zeit: Bei Vorhofflimmern

Aufgrund der unregelmäßigen RR-Abstände bei Vorhofflimmern variiert auch die QT-Zeit von Schlag zu Schlag. Daher empfiehlt sich die Verwendung eines Mittelwertes. Bei normfrequentem Vorhofflimmern kann die „half-RR“-Formel angewandt werden [8].

Beträgt die QT-Zeit weniger als die Hälfte des einzelnen RR-Intervalls, ist nicht von einer pathologischen QT-Verlängerung auszugehen. Zur genaueren Messung empfiehlt sich die Erstellung eines Mittelwerts von fünf aufeinanderfolgenden Komplexen wie in Abb. 3 gezeigt [4,9].

Abb. 4-- Beurteilung der QT-Zeit bei Vorliegen eines Linksschenkelbocks.

Abb. 4-- Beurteilung der QT-Zeit bei Vorliegen eines Linksschenkelbocks.

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QTc-Zeit: Bei Schenkelblockierungen

Wegen der QRS-Verbreiterung bei Schenkelblockierungen kommt es konsekutiv auch zur Verlängerung der QT-Zeit. Dabei ist die Verlängerung weitestgehend durch die Depolarisation und nicht durch die – für maligne Arrhythmien relevante – Repolarisation bedingt. Auch für dieses Phänomen liegen inzwischen verschiedene Formeln vor. Eine im klinischen Alltag leicht anwendbare Formel wurde 2014 publiziert und im Verlauf durch zahlreiche Arbeiten weiter validiert [2].

Diese Formel empfiehlt, bei Links-, Rechts- oder bifaszikulären Blöcken von der gemessenen QT-Zeit 50 % des QRS abzuziehen (Abb. 4) [4, 7, 10–12]. Nachdem somit die modifizierte QT-Zeit (QTm) ermittelt ist, kann anschließend die Frequenzkorrektur erfolgen.

Fazit

Für die Messung der QT-Zeit sollten alle Ableitungen des EKGs beurteilt werden. Die Ableitung mit dem längsten QT-Intervall ist relevant.

Bei Vorhofflimmern empfiehlt sich der Mittelwert von fünf konsekutiven QT-Intervallen. Für eine grobe Abschätzung kann die „half-RR“-Formel benutzt werden.

Schenkelblöcke können durch Einsatz der Formel QTm=QT-50%QRS auf den annähernd nativen QRS-Komplex korrigiert werden.

Niedrige und hohe Herzfrequenzen sind der limitierende Faktor bei der Verwendung von Korrekturformeln (sowohl für die Herzfrequenz als auch bei QRS-Verbreiterung).

Literatur bei den Verfassern

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