Ventrikuläre Arrhythmien und plötzlicher Herztod

Übersicht ESC-Leitlinie zu VT und plötzlichem Herztod

Rhythmologie-- Im Rahmen des ESC-Kongresses wurde eine neue Leitlinie zum Management ventrikulärer Arrhythmien und zur Prävention des plötzlichen Herztodes präsentiert. Die Aktualisierung beinhaltet neben neuen Kapiteln mehr als 100 neue Empfehlungen.

Von Dr. Hilke Könemann und Prof. Lars Eckardt Veröffentlicht:
Übersicht ESC-Leitlinie zu VT und plötzlichem Herztod

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Vor dem Hintergrund unverändert schlechter Überlebensraten nach außerklinischer Reanimation enthält die neue Leitlinie weiterführende Empfehlungen zur Laienreanimation, insbesondere zur breiten Verfügbarkeit von automatischen externen Defibrillatoren (AED) und Förderung der Schulung in grundlegenden Reanimationsmaßnahmen [1].

Die Leitlinie stellt zudem erstmals bedeutsame klinische Szenarien mit ventrikulären Arrhythmien (VA) bzw. im Zusammenhang mit einem plötzlichen Herztod vor. Durch Algorithmen werden konkrete Entscheidungshilfen in der Diagnostik für häufige klinische Situationen bereitgestellt. Der Kasten rechts bietet einen Überblick über wesentliche neue Entwicklungen.

Bedeutungsgewinn von genetischer Diagnostik und kardialer MRT

Dr. Hilke Könemann, Universitätsklinikum Münster

Dr. Hilke Könemann, Universitätsklinikum Münster

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Prof. Dr. Lars Eckardt, Universitätsklinikum Münster

Prof. Dr. Lars Eckardt, Universitätsklinikum Münster

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Insgesamt misst die neue Leitlinie der genetischen Diagnostik größere Bedeutung bei. Diese wird bei Diagnose einer wahrscheinlichen genetischen Erkrankung und erhöhtem Risiko für VA und plötzlichen Herztod empfohlen.

Konkret wird Gendiagnostik bei vermuteter oder bestätigter arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie (ARVC), diagnostizierter hypertropher Kardiomyopathie (HCM), klinisch diagnostiziertem langen wie kurzen QT-Syndrom (LQTS/SQTS), Brugada-Syndrom sowie bei bestätigter oder vermuteter katecholaminerger polymorpher ventrikulärer Tachykardie (VT) empfohlen.

Bedeutsam ist außerdem die Empfehlung zur genetischen Diagnostik bei DCM insbesondere bei Vorliegen verschiedener Risikomerkmale. So ermöglicht die genetische Diagnostik eine individualisierte Risikostratifizierung und unterstützt die Entscheidung hinsichtlich primärprophylaktischer Therapie mit einem implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD).

Eine besondere Aufwertung erfährt auch die kardiale MRT. Über die bisherige allgemeine Empfehlung hinaus wird diese bei Verdacht auf ARVC und HCM empfohlen und gewinnt auch bei DCM zur Risikostratifizierung an Bedeutung.

Eine signifikante Kontrastmittelanreicherung im Myokard kann zur Entscheidungsfindung für eine primärprophylaktische ICD-Versorgung, insbesondere bei DCM-Patienten mit erhaltener beziehungsweise mittelgradig reduzierter LVEF und zur Risikostratifizierung bei HCM, kardialer Sarkoidose oder neuromuskulären Erkrankungen herangezogen werden.

Übersicht ESC-Leitlinie zu VT und plötzlichem Herztod

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Akutmanagement ventrikulärer Arrhythmien

Die Behandlung des elektrischen Sturms hat in der neuen Leitlinie einen wichtigen Schwerpunkt. Ein neuer Abschnitt bündelt praxisnah die Empfehlungen, unter anderem zur Sedierung und antiarrhythmischen Pharmakotherapie. Bei therapierefraktären VA besteht die Indikation zur Katheterablation in einem erfahrenen Zentrum fort.

Unverändert wird in der Akutbehandlung hämodynamisch nicht tolerierter VA der unverzügliche Beginn von Reanimationsmaßnahmen inkl. Kardioversion beziehungsweise Defibrillation empfohlen. Neu ist die Klasse-I-Empfehlung zur elektrischen Kardioversion bei hämodynamisch tolerierter anhaltender VA.

Zur Akutbehandlung bei vermuteter oder bestätigter struktureller Herzerkrankung wird primär das in Deutschland nicht erhältliche Procainamid empfohlen, Amiodaron gilt, basierend auf der PROCAMIO-Studie, als Reservemittel. Aufgrund seiner Verfügbarkeit ist die Aufnahme von Ajmalin (in Abwesenheit struktureller Herzerkrankung) aus deutscher Sicht begrüßenswert [2].

Langzeitmanagement ventrikulärer Arrhythmien: Pharmakotherapie

Bei struktureller Herzerkrankung bildet die optimale Therapie der Grunderkrankung die Basis des Langzeitmanagements. Die Empfehlungen wurden an die aktuellen Leitlinien zur Herzinsuffizienz angeglichen, sodass SGLT2-Inhibitoren die bisherige Standardherzinsuffizienztherapie ergänzen [3, 4].

Antiarrhythmika sind als ergänzende Therapie zur Kontrolle von VA unverändert wichtig. Indem die Leitlinie erstmals Algorithmen zur Pharmakotherapie mit Natriumkanal-blockierenden sowie QT-Zeit-verlängernden Medikamenten mit Empfehlungen zu Kon- trolluntersuchungen und Therapieabbruchkriterien enthält, leistet sie einen bedeutsamen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit.

Überblick

Die neuen Entwicklungen in der aktuellen ESC-Leitlinie zu ventrikulären Arrhythmien und dem plötzlichen Herztod auf einen Blick:


Neue Inhalte

Neue Empfehlungen zur Laienreanimation und AED

Empfehlungen zur diagnostischen Evaluation anhand fünf häufiger klinischer Szenarien

Neuer Fokus auf dem Management des elektrischen Sturms


Diagnostik

Bedeutungsgewinn für genetische Beratung und Testung

Aufwertung der kardialen MRT


Therapie

Optimierung der Herzinsuffizienztherapie

Praktische Algorithmen zur antiarrhythmischen Therapie

Implementierung von Risikokalkulatoren in der Risikostratifizierung

Aufwertung der Katheterablation

Risikostratifizierung bei DCM und plötzlichem Herztod: Devicetherapie

Während die Klasse I-Empfehlung zur primärprophylaktischen ICD-Implantation bei Patienten mit KHK, linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) ≤ 35 % und klinischer Herzinsuffizienz NYHA II–III fortbesteht, wird die Empfehlung für nicht ischämische Kardiomyopathie herabgestuft (Klasse IIa), basierend auf den Ergebnissen des DANISH-Trials [5].

Neben der LVEF erhalten Risikomarker, wie bildmorphologische Kriterien, pathogene Mutationen und die Induzierbarkeit von VT eine neue Bedeutung in der Risikostratifizierung bei DCM auch bei nur mittelgradig reduzierter oder erhaltener LVEF. Dies weist auf eine schrittweise Abkehr von der LVEF als zentralem Kriterium und einer stärker personalisierteren Risikostratifizierung hin. Zur Abschätzung des plötzlichen Herztodrisikos haben weitere Risikoscores Eingang in die Leitlinie gefunden. Neben dem bereits enthaltenen HCM Risk Calculator wurde unter anderem der „1-2-3-LQTS-Risk Calculator“ implementiert [6, 7, 8].

Aufwertung der Katheterablation bei verschiedenen Indikationen

Zur Behandlung idiopathischer VT aus dem rechtsventrikulären Ausflusstrakt (RVOT) oder den linken Faszikeln des Reizleitungssystems wird die Ablation neu als Erstlinientherapie empfohlen, während medikamentöse Therapieansätze lediglich als Zweitlinientherapie eingestuft werden.

Die Katheterablation gewinnt auch bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit struktureller Herzerkrankung an Bedeutung. Basierend unter anderem auf Daten des VANISH-Trials wird die Katheterablation gegenüber einer Eskalation der medikamentösen Therapie bei Patienten mit KHK und rezidivierenden VT unter chronischer Amiodarontherapie vorrangig empfohlen [11].

Zudem wird erstmals eine Empfehlung zur Katheterablation bei Patienten mit KHK, LVEF ≥ 40% und anhaltender hämodynamisch tolerierter monomorpher VT alternativ zur ICD-Versorgung ausgesprochen. Die Tabelle fasst wesentliche Indikationen zur Katheterablation zusammen.

Fazit

Mit der neuen ESC-Leitlinie ist auf Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz eine praxis-nahe Aktualisierung gelungen.

Neben inhaltlichen Neuerungen verfolgt diese Leitlinie mit zahlreichen Übersichtstabellen und Flussdiagrammen einen unmittelbar auf die klinische Praxis zugeschnittenen, anwenderfreundlichen Ansatz.

In den „Supplementary Data“ enthält sie eine tabellarische Übersicht der zugrunde liegenden Evidenz und diskutiert die Ergebnisse ausführlich.

Die Entwicklung zu einem konkreten Handlungsleitfaden ist aus klinischer Sicht äußerst begrüßenswert.

Literatur bei den Verfassern

Kontakt-- Dr. med. Hilke Könemann und Prof. Dr. med. Lars Eckardt, Universitätsklinikum Münster

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