Unsere wichtigsten Studien zu strukturellen Herzerkrankungen 2022

Strukturelle Herzerkrankungen-- Letztes Jahr wurden einige Studien im Bereich der strukturellen Herzerkrankungen publiziert, die wichtige Frage im Alltag adressieren. Wir haben eine Auswahl der für uns relevantesten Studienergebnisse zusammengestellt.

Von PD Dr. Claudia Walter und Prof. Alper Öner Veröffentlicht:
Zu den vier verschiedenen Herzklappen wurden im letzten Jahr spannende Studien publiziert.

Zu den vier verschiedenen Herzklappen wurden im letzten Jahr spannende Studien publiziert.

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Embolie-Schutzfilter bei TAVI

Das Risiko eines Schlaganfalls bei einer TAVI-Prozedur beunruhigt sowohl Patientinnen/Patienten als auch die durchführenden Ärztinnen und Ärzte. Auch wenn die Gesamtzahl dieser Komplikation als gering betrachtet werden kann, klingt die Idee eines mechanischen Schutzes vor dieser gefürchteten Komplikation in Form eines Protektions-Device in sich schlüssig und weckt Hoffnung, dass das prozedurbedingte Schlaganfallrisiko nahezu vollständig eliminiert werden kann.

PD Dr. Claudia Walther Agaplesion Krankenhaus Frankfurt

PD Dr. Claudia Walther Agaplesion Krankenhaus Frankfurt

© Walther

Prof. Alper Öner Universitätsmedizin Rostock

Prof. Alper Öner Universitätsmedizin Rostock

© Öner

Die PROTECTED TAVR-Studie [1] ist dieser Frage nachgegangen. 51 Zentren in Australien, Europa und Nordamerika haben 3.000 Patienten 1:1 randomisiert: zu einer Implantation eines Sentinel Cerebral Embolic Protection-Device von Boston Scientific oder zur Kontrollgruppe, die kein solches Device bekommen hatte. Der primäre Endpunkt – die Schlaganfallrate innerhalb von 72 Stunden nach dem Eingriff oder vor der Entlassung – unterschied sich im Ergebnis nicht: Dazu kam es bei 2,3 % der Patienten mit Schutz gegenüber 2,9 % ohne Schutz (p = 0,30). Diskriminiert man zwischen Schlaganfällen, die zur Behinderung führten und solchen ohne entsprechende Folgen, ist ein Trend zugunsten des Protection-Device zu erkennen (n = 8 vs. n = 20). Diese Studie war jedoch nicht gepowert, um hier Unterschiede aufzeigen zu können. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann wir mit einem validen mechanischen Schutz vor Schlaganfällen während TAVI-Prozeduren rechnen können.

Heparin-Antagonisierung nach TAVI

Eine Frage, die sich im klinischen Alltag immer wieder stellt, ist, ob und, falls ja, wie eine Heparin-Antagonisierung nach einer TAVI-Prozedur erfolgen sollte. Es existieren viele „Rezepte“, die mehr oder weniger auf den Erfahrungen der Interventionalistinnen bzw. Interventionalisten oder klinikinternen SOPs beruhen. Eine Arbeitsgruppe aus den Zentren Bonn-Düsseldorf-Köln hat sich mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt [2]. Auch wenn dies keine prospektiv randomisierte Studie ist, verdient sie unsere Aufmerksamkeit, da dazu bisher keine bis wenig wissenschaftlich aufgearbeitete Daten existieren. Die Studie umfasst 1.446 Patientinnen und Patienten, die sich einer TAVI unterzogen. Von diesen erhielten 623 eine partielle und 823 eine vollständige Heparin-Antagonisierung (0,4–0,6 mg vs. 0,9–1,0 mg Protamin pro 100 Einheiten Heparin).

Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus 30-Tage-Mortalität, lebensbedrohlichen und schweren Blutungen. Sicherheitsendpunkte waren Schlaganfall und Myokardinfarkt nach 30 Tagen. Im Vergleich zur partiellen Heparin-Antagonisierung führte die vollständige Heparin-Antagonisierung zu niedrigeren Raten des primären Endpunkts (5,6 % vs. 10,4 %; p < 0,01), was vornehmlich auf die Reduktion lebensbedrohlicher (0,5 % vs. 1,6 %; p = 0,05) und schwerer Blutungen (3,2% vs. 7,5%; p < 0,01) zurückzuführen war. Die Häufigkeit von Schlaganfällen und Myokardinfarkten blieb von dem Antagonisierungsschema unbeeinflusst (2,2 % vs. 2,6 %; p = 0,73 bzw. 0,2 % vs. 0,4 %; p = 0,64). Wenn wir uns für eine Heparin-Antagonisierung post-TAVI entscheiden, implizieren diese Daten, dass eine vollständige Antagonisierung angestrebt werden sollte.

Mitralinsuffizienz: Zwei Edge-to-Edge-Verfahren im Vergleich

Die Therapie der Mitralklappeninsuffizienz mittels „Edge-to-Edge“-Verfahren (TEER) gilt inzwischen als Standardtherapie in vielen Zentren. Ob sich die beiden zugelassenen Systeme MitraClip (Abbott) und PASCAL/PASCAL-ACE (Edwards) bei der Therapie der primären Mitralklappeninsuffizienz unterscheiden, wurde in der CLASP IID-Studie untersucht [3].

Von 2018 bis 2021 wurden 180 Patienten mit hochgradiger primärer Mitralklappeninsuffizienz, welche nicht für eine chirurgische Therapie geeignet waren, aus 43 Zentren der USA in einer 2:1 Ratio randomisiert: PASCAL (P, n = 117) vs. MitraClip (M, n = 63). Die prozedurale Erfolgsrate lag bei 99,1% (P) vs. 100 % (M).

Das Edge-to-Edge- Verfahren gilt inzwischen als Standardtherapie in vielen Zentren.

Die initialen Prozedurzeiten waren bei P länger, verbesserten sich aber mit zunehmender Erfahrung der Zentren. Hinsichtlich des primären Sicherheitsendpunkts nach 30 Tagen und des primären Effektivitätsendpunkts nach sechs Monaten konnte eine Nichtunterlegenheit für P gegenüber M dokumentiert werden.

Der kombinierte primäre Sicherheitsendpunkt nach 30 Tagen (kardiovaskuläre Mortalität, Schlaganfall, Myokardinfarkt, Dialysetherapie, relevante Blutung, und nicht elektive Mitralklappen-Reintervention) ist bei 3,4 % der Patienten mit P (n = 4) vs. 4,8 % der Patienten mit M (n = 3) eingetreten. In entsprechend 96,5 % (P) vs. 96,8 % (M) der Fälle wurde der primäre Effektivitätsendpunkt (Mitralklappeninsuffizienz ≤ 2+) nach 6 Monaten erreicht. Bei Entlassung wiesen 87,2 % (P) vs. 88,5 % (M) der Patienten eine Mitralklappeninsuffizienz ≤ 1+ auf.

Nach sechs Monaten blieb der Anteil von Patienten mit einer MI ≤ 1+ bei P gleich (83,7 %; p = 0,317 vs. Entlassung), wohingegen bei M eine signifikante Abnahme des Patientenanteils mit einer MI ≤ 1+ zu beobachten war (71,2 %; p = 0,003 vs. Entlassung). Der mittlere transmitrale Gradient blieb in beiden Gruppen über den Zeitraum von sechs Monaten stabil (entsprechend 3,7 vs. 3,4 mmHg). Es zeigte sich kein Unterschied nach sechs Monaten zwischen beiden Systemen bezüglich der ereignisfreien Überlebensrate, der funktionellen Kapazität und der Lebensqualität.

Basierend auf den Ergebnissen der Interimsanalyse stehen zur „Edge-to-Edge“-Therapie der primären Mitralklappeninsuffizienz somit zwei etablierte Systeme zur Verfügung, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften eine differenzierte Therapie der Mitralklappeninsuffizienz ermöglichen. Sicherlich bleiben weitere Analysen und Langzeitbeobachtungen der CLASP IID-Studie abzuwarten. Der direkte Vergleich beider Systeme bei Patienten mit funktioneller Mitralklappeninsuffizienz (CLASP IIF-Studie) wird weitere wichtige Informationen liefern.

Kathetergestützte Therapien der Trikuspidalinsuffizienz

Zur Therapie der klinisch relevanten Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI) bei älteren Patienten mit hohem OP-Risiko werden aktuell unterschiedliche kathetergestützte Systeme evaluiert und weiterentwickelt. Bei der Behandlung der TI kommen insbesondere der Festlegung des optimalen Therapiezeitpunktes sowie der Patientenselektion eine besondere Bedeutung zu, diesbezüglich werden aktuell verschiedene Parameter evaluiert. Das „RV-PA-Coupling“ steht für das Verhältnis der rechtsventrikulären Kontraktilität zur Nachlast und dient somit als Parameter für die kontraktile Reserve des rechten Ventrikels. Das RV-PA-Coupling konnte bereits bei anderen Erkrankungen als prädiktiver Parameter für den Krankheitsverlauf bzw. einen Therapieerfolg identifiziert werden dienen.

Brener et al. [4] analysierten bei 444 Patienten (53,8 % Frauen) aus dem Trivalve-Register (mittleres Alter 76,9 ± 9,1 Jahre, EuroSCORE II 9,96 ± 10,4), inwieweit das RV-PA-Coupling mit der 1-Jahres-Mortalität (primärer Endpunkt), der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungsrate und der Veränderung des RV-PA-Coupling nach 30 Tagen (sekundäre Endpunkte) in Verbindung steht. Die Autoren charakterisierten das RV-PA-Coupling mittels der echokardiografischen Parameter TAPSE und PASP.

Eine Reduktion der TI auf einen Schweregrad < 2+ nach 30 Tagen konnte durch die Therapie bei 126 Patienten (30,1 %) erreicht werden. Die Patienten wurden entsprechend des Medians der TAPSE/PASP-Ratio von 0,406 mm/ mmHg in eine Gruppe mit hoher oder niedriger TAPSE/PASP-Ratio eingeteilt.

Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 198 Tagen trat der primäre Endpunkt (Tod jeglicher Ursache) bei 21 Patienten (9,5 %) in der hohen TAPSE/PASP-Gruppe und bei 42 Patienten (18,9 %) in der niedrigen TAPSE/PASP-Gruppe auf (HR: 0,61; 95%-KI: 0,38–0,99; p = 0,044). In der multivariaten Analyse stellte sich eine hohe TAPSE/PASP-Ratio im Vergleich zur niedrigen TAPSE/PASP-Ratio als unabhängiger Prädiktor für eine niedrigere Mortalität heraus.

Hinsichtlich der Hospitalisierung aufgrund von einer Herzinsuffizienz konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen beobachtet werden.

Interessanterweise hatte sich in einer Subgruppe von Patienten mit echokardiografischem Follow-up nach 30 Tagen die TAPSE/PASP-Ratio bei den Patienten mit initial hoher TAPSE/PASP signifikant reduziert (–0,13 ± 0,22 mmHg), wohingegen in der niedrigen TAPSE/PASP-Gruppe keine wesentlichen Veränderungen dieses Parameters auffielen. Der Abfall des RV-PA-Couplings nach 30 Tagen ging mit einem geringeren Mortalitätsrisiko einher (OR: 0,42; 95%-KI: 0,19–0,93; p = 0,032). Dieser wurde von den Autoren als Ausdruck einer noch vorhandenen kontraktilen Reserve des RV interpretiert, der nach Therapie der TI in der Lage ist, die Nachlast zu tolerieren und einen adäquaten Druck aufzubauen.

Auch wenn es sich bei dieser Studie „nur“ um Registerdaten handelt, ist dies ein wichtiger Beitrag zur Identifizierung möglicher nicht invasiver Prädiktoren für eine erfolgreiche und sinnvolle katheterinterventionelle Therapie der Trikuspidalklappeninsuffizienz.

Fazit

Im Jahr 2022 sind viele praxisrelevante Studien im Bereich der Klappenerkrankungen publiziert worden.

Wichtige Themen waren Embolieschutzfilter bei TAVI, Heparin-Antagonisierung nach TAVI und kathetergestützte Therapien der Trikuspidal- und Mitralklappeninsuffizienz.

Literatur--

1. Kapadia SR et al. N Engl J Med. 2022;387(14):1253-63

2. Al-Kassou Baravan et al. Clin Cardiol. 2022; https://doi.org/10.1002/clc.23936

3. Lim DS et al. JACC Cardiovasc Interv. 2022;15(24):2523-36

4. Brener MI et al. J Am Coll Cardiol. 2022;79(5):448-61


Kontakt-- PD Dr. Claudia Walther, MVZ CCB am Agaplesion Bethanien Krankenhaus Frankfurt a. M., Prof. Dr. Alper Öner, Universitätsklinik Rostock,

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