Welche Ursachen hat Vorhofflimmern?

Vorhofflimmern-- zählt weltweit zu den häufigsten Arrhythmien und zeigt steigende Prävalenzen und Inzidenzen. Dieser Anstieg ist bedingt durch eine verlängerte Lebenserwartung und die Akkumulation lebensstilbedingter Risikofaktoren, aber auch durch ein erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung und innovative Technologien, die eine schnellere Diagnostik von Vorhofflimmern ermöglichen.

Von Dr. Konstanze Betz und Prof. Dominik Linz Veröffentlicht:

Die Mortalität ist im ersten Jahr nach der initialen Diagnose von Vorhofflimmern (VHF) am höchsten [2, 3]. Zu diesem Zeitpunkt sind einige Risikofaktoren meist noch unbekannt und die Therapie des VHF ist noch nicht ideal [2].

Ektope elektrische Aktivität (VHF-Trigger) aus dem Bereich der Ostien der Pulmonalvenen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des VHF und die kathetergestützte Ablation (KA) zur elektrischen Isolation der Pulmonalvenen (PVI) hat einen hohen klinischen Stellenwert. Der wichtigste Effekt der KA liegt in einer Reduktion von VHF-bedingten Symptomen und der Steigerung der Lebensqualität [1].

Dr. Konstanze Betz, University Medical Center, Maastricht

Dr. Konstanze Betz, University Medical Center, Maastricht

© Betz

Prof. Dominik Linz, University Medical Center, Maastricht

Prof. Dominik Linz, University Medical Center, Maastricht

© Linz

Atriale Kardiomyopathien

Die Erfolgsrate einer KA liegt zwischen 50 % und 70 % VHF-Freiheit nach einem Jahr. Neben den Triggern im Bereich der Pulmonalvenen, die durch eine KA beeinflusst werden, können verschiedene Faktoren, die durch diese Behandlung nicht beeinflusst werden, zu atrialen Kardiomyopathien (KMP) führen. Die atriale KMP ist durch strukturelle Veränderungen des Vorhofmyokards mit Dilatation der Vorhöfe und daraus resultierenden Veränderungen der Erregungsausbreitung charakterisiert [4, 5].

Die strukturellen Veränderungen der Vorhöfe im Rahmen der atrialen KMP beeinflussen nicht nur die Erfolgsrate der KA, sondern erhöhen das thromboembolische Risiko und führen zu einem Progress des VHF von paroxysmal zu persistierend. Bekannt ist, dass verschiedene unbehandelte Komorbiditäten und kardiovaskuläre Risikofaktoren eine atriale KMP induzieren oder zu deren Entwicklung beitragen können [4].

Welche Rolle spielen Risikofaktoren und Komorbiditäten?

Übergewicht und eine schlecht eingestellte arterielle Hypertonie können zu einer Veränderung der Hämodynamik mit Erhöhung der kardialen Nachlast, nachfolgender Hypertrophie des linken Ventrikels, einer diastolischen Dysfunktion und schließlich zur Vergrößerung des linken Vorhofes (LA) führen [6]. Dilatation und Druckerhöhung im LA tragen zu einem fibrotischen Remodelingprozess bei, der durch perikardiales Fettgewebe begünstigt werden kann. Auch wenn die Pathophysiologie dessen noch nicht gänzlich verstanden ist, zeigen Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Volumen an perikardialem Fett auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines symptomatischen und therapieresistenten VHF [7]. Eine atriale Fibrosierung wird zudem durch Rauchen, übermäßigen Alkoholkonsum oder Diabetes begünstigt [6].

Abb. 1-- Interdisziplinäre Therapiestrategie für modifizierbare Risikofaktoren/Komorbiditäten zur optimalen Versorgung von VHF-Patientinnen und -Patienten. (EP = Elektrophysiologie) modifiziert nach Middeldorp ME et al. Heart. 2020 [6]

Abb. 1-- Interdisziplinäre Therapiestrategie für modifizierbare Risikofaktoren/Komorbiditäten zur optimalen Versorgung von VHF-Patientinnen und -Patienten. (EP = Elektrophysiologie) modifiziert nach Middeldorp ME et al. Heart. 2020 [6]

© Linz

Ein wichtiger, oftmals unerkannter Risikofaktor für VHF ist das Schlafapnoesyndrom. Verschiedene klinische Studien zeigen insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit VHF eine hohe Inzidenz für das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSA) [8, 9]. Intrathorakale Druckschwankungen aufgrund nächtlicher Okklusionen der oberen Atemwege können über einen erhöhten venösen Rückfluss und veränderte Hämodynamik als Trigger zu einer LA-Fibrosierung beitragen [10]. Intermittierende Hypoxämien haben zudem einen Einfluss auf die atriale effektive Refraktärzeit und erhöhen damit gemeinsam mit sympathovagalen Effekten und einer neurohumoralen Aktivierung die atriale Arrhythmogenität [6, 10, 11].

Daneben erhöhen auch klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Alter und Hyperlipidämie, körperliche Inaktivität oder aber genetische Prädisposition, Inflammation und Komorbiditäten wie eine COPD, Herz-, oder Niereninsuffizienz, valvuläre Herzerkrankungen, vaskuläre Erkrankungen und koronare Herzerkrankung die Inzidenz des VHF [1, 6].

Interdisziplinarität als Therapiestrategie

Werden Komorbiditäten und Risikofaktoren adäquat diagnostiziert und therapiert, kann auch die Therapie des VHF verbessert werden. In den aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des VHF ist dies im sog. „ABC-Pathway“ zur Therapie des VHF vertreten [1]:

A = Anticoagulation/Avoid Stroke,

B = Better Symptom Control,

C = Comorbidity/Cardiovascular Risk Factor Management.

Die meisten VHF-Risikofaktoren sind modifizierbar und damit durch Lebensstilveränderungen zu beeinflussen. So konnte in Studien gezeigt werden, dass durch eine intensive Gewichtsreduktion mit einem umfassenden Management begleitender kardiovaskulärer Risikofaktoren bei symptomatischen Patientinnen und Patientern mit VHF wie auch die Erfolgsrate verschiedener rhythmuskontrollierender Therapiestrategien verbessert werden konnte[12, 13, 14, 15].

In diesen Studien umfasste das Risikofaktormanagement neben Gewichtsreduktion auch ein moderates körperliches Training, Einstellung der arteriellen Hypertonie, Rauchentwöhnung, Alkoholentzug und Kontrolle des Blutzucker-, und Lipidhaushaltes. Zudem erfolgte ein OSA-Screening mit entsprechender Therapie [16]. Bei klinisch relevantem OSA weisen zudem nicht randomisierte Studien darauf hin, dass dessen Therapie die Ergebnisse von Rhythmuskontrollstrategien verbessern [10, 17, 18, 19, 20, 21] und sogar ein sogenanntes „Reverse Modeling“ begünstigen und damit die Progression des VHF aufhalten könnte [22].

Interagierende Risikofaktoren

Für die klinische Praxis ist relevant, dass sich Risikofaktoren des VHF gegenseitig beeinflussen. Der Effekt einer isolierten Reduktion eines einzelnen Risikofaktors (z. B. die alleinige Behandlung einer arteriellen Hypertonie [23] oder Gewichtsreduktion ohne intensives Management weiterer Risikofaktoren) zeigte sich daher in klinischen Studien je nach Outcome inkonsistent. Weiterhin ist es wichtig, die Risikofaktoren entsprechend adäquaten Zielen einzustellen.

Für eine ausreichende Gewichtskontrolle sollte die Reduktion zum Beispiel mindestens 10 % des Körpergewichtes betragen. Eine moderate Gewichtsreduktion von BMI 34,9 auf BMI 33,4 ohne Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness hatte in der SORT-AF-Studie keinen Einfluss auf die Erfolgsrate einer PVI [24]. Eine Lebensstilkontrolle muss außerdem langfristig aufrechterhalten werden, um einen sogenannten Rebound-Effekt und Fluktuationen des Körpergewichtes zu verhindern [6]. Ein holistisches und interdisziplinäres Therapiekonzept ist im Rahmen der Behandlung von Risikofaktoren und Komorbiditäten essenziell (Abb. 1). Der Fokus auf einen integrierten VHF-Behandlungspfad findet sich bereits heute in den aktuellen Leitlinien [1].

Eine kürzlich publizierte Studie zeigte jedoch die Problematik einer geringen Adhärenz von Patienten und Patientinnen auf, die einem integrierten VHF-Behandlungspfad folgten [25]. Daher ist es notwendig, dass der Fokus auf einem patientenorientierten, individuellen Therapiekonzept mit langfristiger Unterstützung und Aufklärung der Betroffenen liegt. Die Nutzung von mobile-Health (mHealth)-Produkten kann hierbei hilfreich sein [26, 27].

Fazit

Neben Antikoagulation und besserer Symptomkontrolle ist die kombinierte und konsequente Therapie von Komorbiditäten und Risikofaktoren eine wichtige Säule der VHF-Behandlung.

Verschiedene integrierte Behandlungspfade für Patientinnen und Patienten mit VHF wurden bereits vorgestellt [8, 28, 29, 30].

Der Effekt einer integrierten Risikofaktorreduktion muss in künftigen randomisierten klinischen Studien untersucht werden, um personalisierte Therapiepfade mit multidisziplinärem und patientenorientiertem Assessment und die Optimierung modifizierbarer Risikofaktoren in der klinischen Praxis zu implementieren [31–33].

Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser

Kontakt-- Dr. med. Konstanze Betz und Prof. Dr. Dominik Linz, University Medical Center, Maastricht, Niederlande

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