Kommentar von Prof. Schwinger

„Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll“

Kommentar--

Ein Kommentar von Prof. Robert HG Schwinger Veröffentlicht:

430 Tage nach der ersten Herztransplantation (3.12.1967) durch den südafrikanischen Herzchirurg Christiaan Barnard verpflanzten die beiden Chirurgen Werner Klinner und Fritz Sebening unter der Leitung des renommierten Chirurgen Rudolf Zenker das erste Herz in Deutschland, in München. Die erfolgreiche Operation, die den Ersatz einer „Herzpumpe“ bedeutete, hat überdies den Spitzenplatz der deutschen Herzmedizin und den Anstoß zu einer intensiven Herz-Forschung bedeutet. Herz-Medizin eingebettet in die Mutter Innere Medizin hat Gerhard Riecker (1926 bis 2022) in München-Großhadern Generationen von Medizinern vorgelebt. Das Verständnis um die Pathophysiologie der Herzerkrankungen vom Herzinfarkt bis zu dem modernen Verständnis um die Herzinsuffizienz hat zu neuen Therapieoptionen und besserem Überleben der Herzpatienten geführt!

Was heute gilt, gilt morgen vielleicht nicht mehr

Heute sind Herzinfarktnetze aus der modernen Herztherapie nicht wegzudenken; ja sie stellen gar einen Standortfaktor für lebenswertes Wohnen dar. Sie zeigen aber auch auf, wie sehr sich die Herzmedizin entwickelt hat; von der Kontraindikation Herzkatheter im Infarktgeschehen zur bestbelegten Interventions-Indikation (ACS/STEMI/Schock) mit lebensverlängernder Wirkung! Dies sollte aber auch Bescheidenheit vor dem jetzigen Wissen bedeuten, welches ja morgen schon überholt sein kann – wie wir heute wissen! Auch wenn wir den Mechanismus Hemmung der Na+/K+-ATPase durch Herzglykoside kennen, wissen wir doch wenig über die Wirkung bei Herzinsuffizienz – wohl ist die parasympathikotone Wirkung wichtiger als die inotrope Wirkung über Ca2+ und NCX. Was wir aber gelernt haben, ist die Bedeutung der prospektiven placebokontrollierten Studien, auch wenn die DIG-Studie die wohl „falschen“ Patienten/Patientinnen untersuchte. Nicht der dritte Herzton bei deutlicher linksventrikulärer Dilatation – der laut Prof. Hans Blömer, TU München (1923 bis 2020), nach Digitalis schreit – sondern Patienten im NYHA-Stadium I/II (66 %!) waren in dieser Studie eingeschlossen. Was DIG-HF bringt, wird auch von den eingeschlossenen Patienten abhängen.

Prof. Dr. med. Robert HG Schwinger, Medizinische Klinik II, Klinikum Weiden

Prof. Dr. med. Robert HG Schwinger, Medizinische Klinik II, Klinikum Weiden

© Schwinger

Und wenigstens seit CIBIS III wissen wir, dass die Kombinationstherapie entscheidend ist – bis zu den „Big Five bei HFrEF“ (Aktuel Kardiol. 2022; 11:484-9). Und in dieser Hinsicht hat die Alma Mater „Innere Medizin“ weitergeholfen, waren die SGLT2-Hemmer ja in Sicherheitsstudien für die Diabetestherapie als Herzinsuffizienz-Medikament „aufgefallen“! Wir wissen um die Wirksamkeit von Medikamenten bei Herzinsuffizienz, wissen aber oft nicht den exakten Wirkmechanismus – auch das liegt in der Natur der Sache oder der Komplexität Mensch begründet; und sollte uns Demut vor der Aufgabe, Herz zu verstehen, und Freude an der Erfolgsgeschichte „medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz“ vermitteln.

Forschergeist und kontrollierte Studien – und die eingeschlossenen Patienten – haben uns weit gebracht. Von der medikamentösen bis hin zur Interventionstherapie der Herzinsuffizienz können Kardiologen, Interventionskardiologen, Rhythmologen und Herzchirurgen helfen – oft im Heart Team. Dabei brauchen wir das freundschaftliche Miteinander von Kardiologen/Kardiologinnen und Herzchirurgen/Herzchirurginnen, benötigen aber meist Gott sei Dank nicht den „gewaschenen Herzchirurgen“.

Demut vor der Aufgabe

Aber die Demut vor der Komplexität so mancher (Interventions-)Aufgabe sollte uns bestärken, nicht „alles überall“ machen zu wollen. Oft dankt es der Patient, der die Vermittlung in das richtige Maximalzentrum der Herzmedizin (meist Universitätskliniken) gut überstanden hat. Sicher aber ist es ein Zeichen des „Könnens“, im Heart Team zu wirken. Aber auch die primär versorgende Kardiologie sollte nicht gebremst oder aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen blockiert werden – das lehrt die 24/7 Herzkatheterbereitschaft und wohl auch die Prozedursicherheit des MitraClip-Verfahrens! Die translationale Forschung wird uns weiterbringen, aber nicht alles denkbare (Xenotransplantation, Gentherapie, Stammzelltherapie) wird möglich sein, und manch Gewohntes (Kabelschrittmacher, Aortenklappenersatz) wird ersetzt werden.

Ganzheitliche Sicht

Die ganzheitliche Sicht auf die Herzinsuffizienz, wie es die neuen ESC-Leitlinien 2021 aufzeigen, macht Herzinsuffizienz aus – von der Diagnose bis zur Intervention. „Das Entscheidende am Wissen ist, dass man es beherzigt und anwendet“ (Konfuzius), quasi leitliniengerechtes Handeln für unsere Patienten. Und doch ist Medizin und Kardiologie mehr als Wissen, denn „es muss von Herzen kommen was auf Herzen wirken soll“ (Johann Wolfgang von Goethe 1749–1832). So habe ich es in München (Prof. Blömer, Prof. Riecker) und Köln (Prof. Erdmann) gelernt, und so kann ich es nur weitergeben.

Der Verlag hat mitgeteilt dass die Rubrikleitung Herzinsuffizienz in der CardioNews andere übernehmen. Ich möchte mich bei allen Autorinnen und Autoren und Wegbegleitern meiner Kommentare und bei allen Leserinnen und Lesern herzlich bedanken und versichern: Kardiologie bleibt spannend!

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