Keine RCTs für positive Effekte von Sport

Pro--

Von Prof. Dr. Holger Thiele Veröffentlicht:
Keine RCTs für positive Effekte von Sport

© Thiele

Ein Pro zum Thema „Sport ist Mord“ zu schreiben stellt für einen früheren Leistungssportler und weiterhin überzeugten Sportler eine gewisse Herausforderung dar und muss natürlich auch etwas provokativ im Rahmen eines Pro/Kontra ausfallen. Aber, wenn man das Thema wissenschaftlich angeht, dann ist es doch nicht so schwer die Pro-Seite einzunehmen, da es derzeit im wesentlichen nur Assoziationsstudien bzw. Register gibt und die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) für Sport in keiner Weise überzeugend ist.

Register-Assoziations-Studien

Wie vom Kontra-Part ausgeführt, gibt es eine Vielzahl an Register-Studien, die eine Assoziation von körperlicher Aktivität zur Reduktion von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität aufzeigen [1–3].

ABER: Was ist Sport?

Bereits 15–20 Minuten kräftige körperliche Betätigung pro Woche sind mit einer Senkung der kardiovaskulären Mortalität assoziiert [4]. Also 3 Minuten körperliche Aktivität pro Tag werden hier schon als Sport bezeichnet, wobei 7 Minuten am Tag als Optimum dargestellt werden [4]. Für mich stellt sich also die Frage, ob das wirklich Sport ist (zumindest nach meiner eigenen Definition, dass man beim Sport auch mal schwitzen sollte).

Dosis-Wirkungs-Beziehung

Es gibt es Hinweise für eine adverse J-Kurve der Belastung, wie in Metaanalysen aufgezeigt [5]. So kann sehr intensiver Ausdauersport kardiale Veränderungen begünstigen, wie Myokardfibrose mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod [5, 6], rechtsventrikuläre Dysfunktion [5], Auftreten von Vorhofflimmern [7] und Atherosklerose der Koronararterien [5].

Randomisierte Studien

Generell ist ja akzeptiert, dass der Referenzstandard für Evidenz RCTs sind. Hier muss man leider konstatieren, dass es KEINE gute belastbare Evidenz mit harten Endpunkten für Sport gibt. Für die stabile KHK gibt es keine RCT mit Nachweis der Reduktion harter Endpunkte durch regelmäßigem Ausdauersport [8]. Für die HFrEF konnte regelmäßiges körperliches Ausdauertraining eine Verbesserung der VO2max und des NYHA-Stadiums aufzeigen [9]. Eine große RCT mit > 2.000 Patienten konnte aber keinen Einfluss von Ausdauersport auf Tod und Herzinsuffizienz nachweisen [10]. Ähnlich schlecht sieht die Datenlage bei HFpEF aus. Während kleinere Studien einen Effekt auf die VO2max und einen Effekt auf E/e‘ im Echo zeigten, hat die OPTIMEX-Studie des Kontra-Autors keinen Effekt von intensivem Intervalltraining oder moderatem kontinuierlichen Training auf die peak VO2 zeigen können. Es war auch kein Effekt auf die Lebensqualität sichtbar [11, 12]! Auch die Effekte von Sport als Prävention bei Jugendlichen sind fraglich. So konnte eine Intensivierung des Schulsports von 2 auf 5 Stunden pro Woche in einer Cluster-RCT einen knapp signifikanten Effekt auf die VO2max zeigen [13]. Eine kürzlich publizierte Cluster-RCT stellt jedoch klinische Effekte oder Langzeit-Effekte infrage [14].

Zusammenfassend fehlt – auch wenn das der politisch korrekten Lehrmeinung widerspricht – bisher der Nachweis aus RCTs, dass Sport die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität reduzieren kann. Wenn man die Evidenz-Kriterien, die für die Zulassung eines Medikaments nötig sind, für „Sport“ anlegt, würde Sport vermutlich keine Zulassung bekommen. Auch gibt es Hinweise, dass zumindest zu viel Sport negative Effekte auf das Herz haben kann bis möglicherweise zum plötzlichen Herztod. Daraus ergibt sich die Aufgabe, die richtige Dosis zu finden und mehr Evidenz zu generieren!

Kontakt-- Prof. Dr. Holger Thiele, Herzzentrum Leipzig, holger.thiele@medizin.uni-leipzig.de

Literatur--

1. Lear SA et al. Lancet. 2017;390:2643-54

2. Sattelmair J et al. Lancet. 2011;378:1244-53

4. Ahmadi MN et al. Eur Heart J. 2022;43:4801-14

5. O’Keefe EL et al. Missouri Med. 2020;117:355-61

6. La Gerche A et al. J Am Coll Cardiol. 2022;80:1346-62

7. Newman W et al. Br J Sports Med. 2021;55:1233-8

8. Hambrecht R et al. Circulation. 2004;109:1371-8

9. Hambrecht R et al. Jama. 2000;283:3095-101

10. O’Connor CM et al. Jama. 2009;301:1439-50

11. Kitzman DW et al. Jama. 2016;315:36-46

12. Mueller S et al. Jama. 2021;325:542-51

13. Walther C et al. Circulation. 2009;120:2251-9

14. Santos-Beneit G et al. JAMA cardiology. 2023; https://doi.org/10.1001/jamacardio.2023.2231

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