Sport wirkt auf molekularer Ebene

Kontra--

Von Prof. Dr. Martin Halle Veröffentlicht:
Sport wirkt auf molekularer Ebene

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„No Sports“ soll Churchill auf die Frage geantwortet haben, wie er trotz Alkohol und Zigarren sein hohes Lebensalter erreichen konnte. Tatsächlich gibt es aber keinen seriösen Beleg für dieses Zitat, auch im „Oxford Dictionary of Quotations“ sucht man vergebens danach. Churchill war sogar durchaus sportlich aktiv, z. B. als Fechter, Reiter oder Polospieler.

Dass Sport im Gegenteil mit einer deutlichen Senkung der Morbidität und Mortalität einhergeht, wird durch überwältigende Evidenz aus epidemiologischen Studien gestützt [1–6]. Beginnend 1953 mit einer Studie, in der 31.000 Beschäftigte der Londoner Verkehrsbetriebe befragt wurden. Busfahrer mit sitzender Tätigkeit hatten ein fast 2-fach höheres kardiovaskuläres Risiko als Schaffner, die im Doppeldeckerbus körperlich aktiv waren [7]. Dies war die Initialzündung für eine neue Forschungsära zur Bedeutung von körperlicher Aktivität in der Prävention von Herzkrankheiten.

Eindeutig ist, dass 30 Minuten Spazierengehen pro Tag mit einer Senkung der kardiovaskulären Mortalität um 20 % einhergeht [1]. Auch kürzere Einheiten, mit höherer Intensität, haben vergleichbare Effekte: 15 Minuten intensive Belastungen pro Tag senken das Mortalitätsrisiko um 20 %, 30 Minuten sogar um 40 % [3]. Selbst mit erhöhtem genetischem Risiko wirkt körperliche Aktivität kardioprotektiv – eine Risikoreduktion von 49 % für KHK und 60 % für Vorhofflimmern kann erzielt werden, wie eine Analyse von über 500.000 Personen der UK-Biobank verdeutlicht [5]. Einschränkend sei zu bemerken, dass bislang aus randomisiert, kontrollierten Studien keine Mortalitätssenkung gezeigt werden konnte [8–11].

Kommen zur körperlichen Aktivität Faktoren wie mediterrane Ernährung, Nichtrauchen, Alkohol < 15 g/Tag und ein BMI < 25 kg/m2, steigt die prognostizierte Lebenserwartung im Alter von 50 Jahren im Durchschnitt um 12 Jahren bei US-Männern bzw. 14 Jahren bei Frauen [12]. Die Mechanismen, warum diese Zusammenhänge so konsistent zu beobachten sind, werden immer klarer. Es sind nicht nur die Effekte von Bewegung auf klassische Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Dyslipidämie, sondern diverse Anpassungen auf molekularer Ebene [13]:

1. Metabolismus: Verbesserung Insulinsensitivität, anti-inflammatorische Effekte,
2. Koronarien: Reduktion perivaskuläres Fett, Verbesserung Endothelfunktion, Reduktion Plaquebildung, Induktion der Kollateralisierung,
3. Myokard: Erhaltung diastolische Funktion, Protektion Anti-Remodeling,
4. Reizleitungssystem: Protektion Vorhofflimmern.

Sport ist Mord? – Sicher nicht!

Kontakt-- Prof. Dr. Martin Halle, Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie, Klinikum rechts der Isar, Universitätsklinikum der Technischen Universität München, Martin.Halle@mri.tum.de

Literatur--

1. Sattelmair J et al. Circulation. 2011;124(7):789-95

2. Lear SA et al. Lancet. 2017;390(10113):2643-54

3. Wen CP et al. Lancet. 2011;378(9798):1244-53

4. Ahmadi MN et al. Eur Heart J. 2022;43(46):4801-4

5. Tikkanen E et al. Circulation. 2018;137(24):2583-91

6. Jeong SW et al. Eur Heart J. 2019;40(43):3547-55

7. Morris JN et al. Lancet. 1953;262(6795):1053-7

8. Stensvold D et al. BMJ. 2020;371:m3485

9. Look AHEAD Research Group et al. N Engl J Med. 2013;369(2):145-54

10. O’Connor CM et al. JAMA. 2009;301(14):1439-50

11. Anding-Rost K et al. N Engl J Med Evid. 2023; https://doi.org/10.1056/EVIDoa2300057

12. Li Y et al. Circulation. 2018;138(4):345-55

13. Tucker WJ et al. J Am Coll Cardiol. 2022;80(11):1091-106

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