Kennzahlen Schlaganfall: die Lage in Deutschland

Epidemiologie-- Hirninfarkte und Hirnblutungen sind in Deutschland die dritthäufigste Todesursache. Dabei haben Männer ein höheres Mortalitätsrisiko als Frauen. Die Zahlen verraten aber noch weitere spannende Details zu Risikofaktoren und Behandlungsoptionen.

Von Prof. Ulf Ziemann Veröffentlicht:
Der Schlaganfall ist eine altersabhängige Erkrankung mit ungefähr einer Verdoppelung der Häufigkeit pro Lebensdekade.

Der Schlaganfall ist eine altersabhängige Erkrankung mit ungefähr einer Verdoppelung der Häufigkeit pro Lebensdekade.

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Der Schlaganfall umfasst ischämische Hirninfarkte und Hirnblutungen. Pro Jahr treten in Deutschland 200.000 erstmalige Schlaganfälle und 70.000 Schlaganfallrezidive auf [1]. Der Anteil der ischämischen Schlaganfälle liegt bei 84%, der Anteil der Hirnblutungen bei 16%. Die Inzidenz von Schlaganfällen liegt für Frauen bei 117 und für Männer bei 127 pro 100.000 Einwohner [1].

Prävalenz hängt von Alter und sozialem Status ab

Die Lebenszeitprävalenz des Schlaganfalls in der Altersgruppe von 40 bis 79 Jahren beträgt insgesamt 2,9% (2,5% für Frauen, 3,3% für Männer; [2]). Der Schlaganfall ist eine altersabhängige Erkrankung mit ungefähr einer Verdoppelung der Häufigkeit pro Lebensdekade. Die Prävalenz in der Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren beträgt insgesamt 0,9%, in der Altersgruppe von 70 bis 79 Jahren aber 7,1% [2].

2,5% aller Menschen in Deutschland (ca. 2 Millionen Menschen) hatten bereits einen Schlaganfall [1]. Die Prävalenz ist stark vom sozialen Status abhängig und bei niedrigem Status etwa vierfach höher als bei hohem Status [2]. Das mittlere Manifestationsalter in Deutschland liegt bei 74 Jahren [3]. Frauen erkranken später als Männer, der Anteil > 80 Jahre beträgt bei Frauen 48,3%, bei Männern nur 26,9% [3].

Schlaganfälle werden durch neurokardiovaskuläre Risikofaktoren begünstigt. 26,8% der Schlaganfallpatienten leiden an Diabetes mellitus (gegenüber 10,0% in der Allgemeinbevölkerung), 82,1% an Bluthochdruck (37,5% in der Allgemeinbevölkerung) und 27,3% an Vorhofflimmern. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland und der ansteigenden Prävalenz von Risikofaktoren wird ein Inzidenzanstieg des Schlaganfalls um ca. 30% von 2015 bis 2035 erwartet.

Stroke-Unit-Behandlung verbessert Prognose

Der Schlaganfall ist eine Erkrankung mit ungünstiger Prognose. Schlaganfälle sind in Deutschland mit 15% die dritthäufigste Todesursache, nach Myokardinfarkten und Krebserkrankungen. Innerhalb der ersten 30 Tage nach einem Schlaganfall versterben 6,8% der Betroffenen, nach drei Monaten 9,4 %, nach 12 Monaten 17% und nach 5 Jahren 45% [4]. Die Mortalität hängt stark von verschiedenen Faktoren ab. Sie nimmt mit zunehmendem Alter des Betroffenen zu, Männer haben ein höheres Sterberisiko als Frauen, und die Mortalität ist höher bei Hirnblutungen als bei ischämischen Hirninfarkten [4]. Die Mortalität wird um etwa 20% gesenkt, wenn ein akuter Schlaganfallpatient auf einer Stroke Unit behandelt wird [4].

80 Prozent aller akuten Schlaganfallpatienten werden in Stroke Units behandelt.

In Deutschland sind aktuell 342 Stroke Units nach einem Verfahren der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zertifiziert, sodass eine neurologische Akutversorgung von Schlaganfallpatienten in Stroke Units mit einer bundesweiten mittleren Anfahrtszeit < 30 Minuten weitestgehend flächendeckend möglich ist. Der Anteil von auf Stroke Units behandelten akuten Schlaganfallpatienten beträgt mittlerweile ca. 80%.

Problem: Rezidive und bleibende Behinderung

Das Risiko eines erneuten Schlaganfalls beträgt 1,2% nach 30 Tagen, 3,4% nach drei Monaten, 7,4% nach 12 Monaten und 19,4% nach 5 Jahren [4]. Die schnelle Diagnose und Klärung der Ätiologie des Schlaganfalls (ca. 30% kardioembolisch, 20% makroangiopathisch, 20% mikroangiopathisch, 5% seltene Ursachen wie Dissektionen, Gefäßentzündungen, Gerinnungsstörungen, 25% kryptogen) und die leitliniengerechte individualisierte Akuttherapie (Lysetherapie, mechanische Rekanalisation) und anschließende sekundärpräventive Therapie (z. B. frühzeitige Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern oder direkten Antikoagulanzien, optimierte medikamentöse Therapie neurokardiovaskulärer Risikofaktoren, Thrombendarteriektomie oder stentgestützte Angioplastie) können das Risiko eines erneuten Schlaganfalls um bis zu 80% senken [5].

Schlaganfälle sind die häufigste Ursache für anhaltende Behinderungen bei Erwachsenen [1]. Etwa 40% der Überlebenden weisen alltagsrelevante Beeinträchtigungen auf und sind zumindest vorübergehend auf Unterstützung im Alltag angewiesen [5]. In den ersten drei Monaten nach dem Ereignis sind 35,6% aller Betroffenen auf eine pflegerische Versorgung angewiesen [1] und ca. 25% aller Betroffenen bleiben permanent in erheblichem Umfang pflegebedürftig.

Fazit

  • Die Epidemiologie des Schlaganfalls zeigt verschiedene Probleme auf, z. B. liegt die Prävalenz bei Personen mit niedrigem sozialen Status um den Faktor 4 höher.
  • Zur besseren Versorgung und Outcome trägt die Behandlung auf einer Stroke-Unit bei, sie senkt die Mortalität nach akutem Schlaganfall um 20%.

Literatur--

1. Robert-Koch-Institut, Gesundheitsberichterstattung des Bundes. 2015;1-129

2. Busch MA et al. Bundesgesundheitsbl. 2013;56:656-60

3. Weber R et al. Stroke. 2019;50:3494-502

4. Stahmeyer JT et al. Dtsch Arztebl Int. 2019;116(42):711-7

5. Hankey GJ. Lancet. 2017;389:641-54

Kontakt-- Prof. Dr. med. Ulf Ziemann, Neurologie Universitätsklinikum Tübingen, ulf.ziemann@uni-tuebingen.de.