Betablocker bei gleichzeitigem Asthma/COPD – ja/nein/vielleicht?
Interdisziplinäre Therapie-- Während kardioselektive Betablocker einerseits einen integralen Bestandteil der Pharmakotherapie in der Kardiologie darstellen, bestehen andererseits Unsicherheiten in Bezug auf deren Einsatz bei Patientinnen und Patienten mit gleichzeitig bestehenden obstruktiven Lungenerkrankungen.
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Obstruktive Lungenerkrankungen bei Herzpatienten erfordern eine genaue interdisziplinäre Abwägung der Therapie mit Betablockern.
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Inzidenz und Prävalenz von Asthma bronchiale und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind weltweit angestiegen [1, 2, 3]. Die COPD ist global eine der drei häufigsten Todesursachen [4]. Ziel des vorliegenden Artikels ist es, einen differenzierten Überblick über die mögliche Anwendbarkeit kardioselektiver Betablocker bei Patientinnen und Patienten mit kardiologischer Indikation und gleichzeitig bestehendem Asthma oder COPD zu geben.
Asthma und Betablocker
Patienten mit einem Asthma weisen im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung eine dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, an signifikanten kardiovaskulären Komorbiditäten zu leiden [5].
Ältere Studien haben gezeigt, dass die Einnahme von Betablockern sowohl bei Asthmatikern als auch in der Normalbevölkerung mit einer Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität sowie Einschränkungen des Atemflusses einhergeht [6, 7, 8]. Eine Metaanalyse kam sogar zu dem Ergebnis, dass Betablocker selbst in selektiver Verabreichung bei bestehendem Asthma dessen Symptome und auch Exazerbationen auslösen können [9, 10]. Hierauf basierte die Annahme, dass Betablocker grundsätzlich im Falle eines vorliegenden Asthmas absolut kontraindiziert seien, was sich in vielen älteren Leitlinien wiederfindet (11, 12).

Dr. med. Franziska Sossalla, Universitätsklinikum Regensburg
© Sosalla

Prof. Dr. med. Samuel Sossalla, Universitätsklinikum Regensburg,
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Die ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz von 2021 bezieht sich auf den GINA-Report, wonach Betablocker bei einzelnen Patienten die Lungenfunktion zwar durchaus verschlechtern könnten, jedoch explizit beim Asthma nicht absolut kontraindiziert sind, sofern eine klare kardiologische Indikation vorliegt [13, 14]. Die Leitlinie empfiehlt bei Vorliegen einer obstruktiven Lungenerkrankung den Einsatz von kardioselektiven Betablockern wie Bisoprolol, Metoprololsuccinat oder Nebivolol in geringer Dosis unter engmaschiger Überwachung möglicher Symptome einer Atemwegsobstruktion.
Im GINA-Report 2021 wird dementsprechend auf den bewiesenen Nutzen von Betablockern bei der Behandlung bestimmter kardiovaskulärer Erkrankungen und die notwendige kritische Abwägung, aber fehlende absolute Kontraindikation hingewiesen [14]. Die aktuelle Leitlinie der ESC 2018 zur Behandlung der arteriellen Hypertonie stellt den Betablocker bei gleichzeitigem Vorliegen eines Asthmas als absolut kontraindiziert dar [15].
An dieser Stelle sei die schlechte Evidenz zur Sicherheit einer modernen Betablockertherapie bei Patienten mit insbesondere schweren Formen eines Asthmas erwähnt. Letztendlich dürfen kardioselektive Betablocker Menschen mit vitaler kardiologischer Indikation, wie einer HFrEF und gleichzeitig vorliegender Asthmadiagnose aufgrund der prognostischen Effekte nicht grundsätzlich vorenthalten werden.
Eine Empfehlung zur vorsichtigen Titration kardioselektiver Betablocker, in Kombination mit einer Überwachung von möglichen pulmonalen Nebenwirkungen, erscheint uns essenziell in Bezug auf dieses Kollektiv von Patientinnen und Patienten mit HFrEF und Asthma. So sollten sowohl Symptome als auch eine mögliche Lungenfunktionsverschlechterung engmaschig überwacht werden, um hierauf rechtzeitig reagieren zu können.
COPD und Betablocker
Das gleichzeitige Auftreten einer Herzinsuffizienz und einer COPD ist häufig. Populationsbasierte Registerstudien zeigen, dass ca. 30 % der Patienten mit einer Herzinsuffizienz ebenfalls an einer COPD leiden [16, 17]. Patienten mit gleichzeitigem Auftreten einer COPD und kardiovaskulären Erkrankungen haben eine schlechtere Prognose verglichen mit solchen, die entweder an einer COPD oder an einer kardiovaskulären Erkrankung leiden [18, 19].
Es ist davon auszugehen, dass die COPD ca. 20 % der Patienten mit Herzinsuffizienz betrifft und einen beträchtlichen Einfluss auf deren Symptome und Prognose hat [13]. Die aktuelle ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz erwähnt explizit, dass die Behandlung einer Herzinsuffizienz grundsätzlich gut toleriert wird, bei gleichzeitigem Vorliegen einer COPD [13]. Auch bezieht sie sich auf den GOLD-Report, wonach Betablocker bei einzelnen Patienten die Lungenfunktion verschlechtern könnten, diese jedoch explizit bei Vorliegen einer COPD nicht kontraindiziert sind [4].
Bezüglich des Vorliegens kardiovaskulärer Komorbiditäten betont auch der GOLD-Report 2022 ausdrücklich, dass deren Behandlung leitliniengerecht und unabhängig vom Vorliegen einer COPD zu erfolgen hat [4]. Ferner wird darauf verwiesen, dass der Einsatz von kardioselektiven Betablockern das Überleben von Patienten mit COPD und Herzinsuffizienz verbessert und somit explizit empfohlen wird. Andererseits wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Betablocker nicht alleine bei Patienten mit COPD ohne kardiovaskuläre Indikation zur Prävention von Exazerbationen zu verabreichen sind [4, 20].
Während die Evidenz zur Sicherheit von Betablockern bei COPD eher mäßig ist, findet die 2019 im „New England Journal of Medicine“ publizierte BLOCK COPD-Studie mitunter zu wenig Erwähnung [20]. In dieser prospektiven, randomisierten klinischen Studie wurden 532 Patientinnen und Patienten mit COPD und erhöhtem Risiko für eine Exazerbation entweder mit der Zieldosis von 100 mg Metoprolol oder Placebo behandelt. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen aufgrund von Sicherheitsbedenken. Es gab keinen Unterschied zwischen der Metoprolol- und der Placebogruppe bezüglich des Auftretens einer ersten Exazerbation. Die Metoprololeinnahme war jedoch mit einem signifikant höheren Risiko bezüglich des Auftretens von schweren Exazerbationen mit Krankenhauseinweisungen assoziiert. Numerisch starben 11 Patienten in der Metoprololgruppe, im Vergleich zu 5 Patienten in der Placebogruppe.
Die Studie offenbarte somit das Gegenteil von dem, was über mehrere Jahre diverse nicht randomisierte Observationsstudien suggeriert hatten – nämlich, dass die Betablockertherapie ohne Vorliegen einer kardiovaskulären Indikation bei Patienten mit einer COPD Exazerbationen verhindere [21].
Während eine Betablockertherapie bei Indikationen wie Hypertonie, chronischem Koronarsyndrom (CCS) oder Angina pectoris mit begleitender COPD nicht angezeigt sein sollte, empfiehlt die ESC-Leitlinie bei COPD und HFrEF den Einsatz von kardioselektiven Betablockern zu Beginn in geringer Dosis, unter engmaschiger Überwachung möglicher Symptome einer Atemwegsobstruktion. Dieser Empfehlung mit vorsichtiger Titration, begleitet von regelmäßigem Monitoring pulmonaler Nebenwirkungen einschließlich Lungenfunktionsverschlechterung, schließen wir uns an.
Wertigkeit der Indikation ist entscheidend
Auch für die alleinige Indikation CCS ohne eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF) wurde eine Prognoseverbesserung durch Betablocker nicht gezeigt. In Zeiten von exzellenten Revaskularisationsmöglichkeiten wird die Betablockertherapie auch nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) zunehmend kritisch diskutiert.
Während Daten suggerieren, dass die Betablockertherapie für die ersten zwölf Monate nach ACS prognostisch sinnvoll sein könnte, ist die Evidenz über diesen Zeitraum hinaus nicht gesichert [22]. Somit müssen Patientinnen und Patienten mit CCS, Asthma/COPD und normaler LVEF nicht aus diesem Grund mit einem Betablocker behandelt werden.
Anders verhält es sich für die symptomatische Therapie der Angina pectoris. Bei begleitendem Asthma/COPD kann z. B. auf Kalziumkanalantagonisten wie Diltiazem oder Verapamil (bei fehlender Herzinsuffizienz) oder Ivabradin zur Bradykardisierung zurückgegriffen werden. Insgesamt ist der Stellenwert des Betablockers auch in der modernen antihypertensiven Therapie gesunken [15].
Vital indiziert und nicht verhandelbar ist der kardioselektive Betablocker bei Patienten mit Asthma/COPD im Falle einer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LVEF (HFrEF und letztlich auch HFmrEF [23]) wegen der beeindruckenden prognostischen Effektstärken [13]. In diesem Fall sollte ein engmaschiges pneumologisches Monitoring mit interdisziplinärem Dialog und vorsichtiger Titration, insbesondere bei Asthma, aber auch bei COPD mit hohen Exazerbationsraten und ausgeprägten Einschränkungen der Lungenfunktion erfolgen.
Therapie mittels kardioselektiver Betablocker

Abb. 1-- Schematische Darstellung wichtiger Aspekte zur Therapie mit kardioselektiven Betablockern bei Patientinnen und Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung,
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Für die tägliche Arbeit an der Schnittstelle zwischen Pneumologie, Kardiologie und Allgemeinmedizin hat die Patientensicherheit höchste Priorität. An erster Stelle sollte die präzise Diagnosefindung einer obstruktiven Lungenerkrankung stehen.
Anschließend ist die kardiovaskuläre Indikation für einen Betablocker im Kontext von Evidenz und Leitlinien zu überprüfen. Abschließend dürfen prognoseverbessernde kardioselektive Betablocker, sofern eine klare kardiologische Indikation besteht (überwiegend HFrEF), bei gleichzeitiger Komorbidität eines Asthmas/COPD, dieser großen Patientengruppe nicht vorenthalten werden (Abb. 1).
Andererseits konnte die BLOCK-COPD-Studie zeigen, dass sich auch kardioselektive Betablocker nachteilig auf Patienten mit COPD auswirken können. Diese Thematik zeigt einmal mehr, wie wichtig die Durchführung prospektiver, randomisierter klinischer Studien in diesem Kontext ist, um vermeintlich aktuelle und allgemeingültige Therapiekonzepte in der Medizin in diesem großen Patientenkollektiv zu validieren.
Fazit
Prognoseverbessernde kardioselektive Betablocker sollten der Patientengruppe mit HFrEF und Asthma/COPD nicht grundsätzlich vorenthalten werden.
Eine indizierte Therapie mit kardioselektiven Betablockern sollte nur unter engmaschigem Monitoring mit vorsichtiger Titration insbesondere bei Asthma, aber auch bei COPD mit hohen Exazerbationsraten erfolgen.
Literatur bei der Verfasserin/dem Verfasser
Kontakt-- Dr. med. Franziska Sossalla und Prof. Dr. med. Samuel Sossalla, Universitätsklinikum Regensburg,