Interventionelle AV-Klappentherapie bei Herzinsuffizienz – wo stehen wir?

TEER bei Mitral- und Trikuspidalklappe-- Die häufig mit einer Herzinsuffizienz einhergehende Veränderung der Ventrikelgeometrie führt zu sekundären Insuffizienzen der AV-Klappen, welche die Symptome der Herzinsuffizienz verstärken und – unbehandelt – zu einem deutlichen Anstieg der Mortalität führen.

Dr. Eva Harmel, Dr. Georg Waidhauser und Prof. Philip Raake Veröffentlicht:
Für Mitralklappen-TEER gut geeignete Anatomie (COAPT-LIKE). Mehr dazu in der Bildergalerie unten. Harmel (5)

Für Mitralklappen-TEER gut geeignete Anatomie (COAPT-LIKE). Mehr dazu in der Bildergalerie unten.

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Auf dem diesjährigen Kongress europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wurde das Leitlinien Update für das Management der Herzinsuffizienz vorgestellt. Der Fokus der Überarbeitung liegt klar auf den – seit der letzten Aktualisierung im Jahr 2021 – neu hinzugekommenen medikamentösen Therapieoptionen wie den SGLT-2-Inhibitoren. Weiterhin stellt die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie mit den „Fantastic Four“, also der gleichzeitigen Gabe von vier prognoseverbessernden Medikamentenklassen (ARNI bzw. ACE-Hemmer oder ARB, Betablocker, MRA und SGLT-2-Inhibitor) den wichtigsten Therapiebaustein dar [1]. Hinzukommen supportive Maßnahmen wie eine Eisensubstitution, Lebensstiländerungen mit Gewichtsreduktion und Steigerung der sportlichen Aktivität sowie die kardiale Resynchronisationstherapie. Für alle genannten Maßnahmen konnte in randomisiert-kontrolliert prospektiven Studien zumindest bei Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) ein signifikanter prognostischer Vorteil gezeigt werden [2–6].

Dr. Eva Harmel-- Universitätsklinikum Augsburg Harmel

Dr. Eva Harmel-- Universitätsklinikum Augsburg

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Prof. Philip Raake-- Universitätsklinikum Augsburg Raake

Prof. Philip Raake-- Universitätsklinikum Augsburg

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Sowohl Folge als auch Ursache der Herzinsuffizienz ist das Bestehen relevanter Vitien der Atrioventrikular(AV) -Klappen, beide gelten mit zunehmendem Schweregrad als unabhängige Prognoseparameter [7, 8]. In Echokardiografiestudien wurde selbst bei asymptomatischen Patienten mit Herzinsuffizienz bei fast jedem dritten Patienten eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz festgestellt [9]. Ursächlich sind häufig die bei Herzinsuffizienz veränderte Ventrikelgeometrie im Sinne einer Gefügedilatation, die zu einer sekundären Koaptationsschwäche der Atrioventrikularklappen führt. Aber auch das häufig mit der Herzinsuffizienz vergesellschaftete Vorhofflimmern kann über eine Erweiterung der Vorhöfe zu einer sekundären Klappeninsuffizienz führen.

Kommt es bei bestehender Herzinsuffizienz zum Nachweis von AV-Klappenvitien, empfiehlt die ESC-Leitlinie zunächst die medikamentöse Therapie mit den „Fantastic Four“ (Klasse-I-Empfehlung), die Katheterablation eines begleitenden Vorhofflimmerns (Klasse-I-Empfehlung) sowie die Implantation eines CRT-Systems (bei QRS-Breite > 150 ms, Linksschenkelblockkonfiguration und Sinusrhythmus Klasse-I-Empfehlung) [10]. Persistieren hochgradige AV- Klappenvitien unterscheiden sich die Leitlinienempfehlungen je nach betroffener Herzklappe.

TEER bei Mitral- und Trikuspidalklappe

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Für Mitralklappen-TEER gut geeignete Anatomie (COAPT-LIKE)
Für Mitralklappen-TEER gut geeignete Anatomie (COAPT-LIKE)

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Für Mitralklappen-TEER suboptimale Anatomie (Non-COAPT-LIKE) bei ausgeprägter LV...
Für Mitralklappen-TEER suboptimale Anatomie (Non-COAPT-LIKE) bei ausgeprägter LV Dilatation.

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Für Mitralklappen-TEER ungeeignete Anatomie (Non-COAPT-LIKE) bei Flail des AML.
Für Mitralklappen-TEER ungeeignete Anatomie (Non-COAPT-LIKE) bei Flail des AML.

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Für Trikuspidalklappen-TEER ungeeignete Anatomie bei großem GAP und kaum vorhand...
Für Trikuspidalklappen-TEER ungeeignete Anatomie bei großem GAP und kaum vorhandenem septalen Segel.

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Für Trikuspidal-TEER geeignete Anatomie.
Für Trikuspidal-TEER geeignete Anatomie.

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Interventionelle Therapieoptionen bei Mitralklappeninsuffizienz

Im Bereich der primären Mitralklappeninsuffizienz, d. h. der Mitralklappeninsuffizienz aufgrund einer ursächlichen Pathologie der Klappe selbst (z. B. klassischer P2-Prolaps) steht weiterhin die – mittlerweile meist minimalinvasiv durchgeführte – operative Mitralklappenrekonstruktion im Vordergrund. Gegensätzlich rückt eine mögliche operative Therapie im Bereich der sekundären Mitralklappeninsuffizienz, also einer führend durch ein atriales oder ventrikuläres Remodelling verursachten Insuffizienz (z. B. im Rahmen einer dilatativen Kardiomyopathie), immer mehr in den Hintergrund (Klasse-IIb-Empfehlung bei niedrigem Operationsrisiko). Insbesondere bei Patienten mit durch die fortgeschrittene Ventrikelerkrankung erhöhtem Operationsrisiko sind die Edge-to-Edge-Verfahren aufgrund ihrer hohen periprozeduralen Sicherheit und entsprechender Datenlage mittlerweile etabliert [12, 13]. Neu wurde bereits in der Herzinsuffizienz-Leitlinienaktualisierung von 2021 die interventionelle Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER) der sekundären Mitralklappeninsuffizienz mit einer Klasse-IIa-Empfehlung aufgenommen. In einem gemeinsamen Positionspapier wurde das Vorgehen bei sekundärer Mitralklappeninsuffizienz und Herzinsuffizienz auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen der europäischen Gesellschaften für Bildgebung, Herzrhythmusstörungen und interventionelle Klappentherapie (EACVI, EHRA und EACPI) bestätigt [11].

Für wen ist die Mitralklappen-TEER geeignet?

Jeder interventionellen Klappentherapie sollte gemäß der Leitlinienempfehlungen eine interdisziplinäre Fallbesprechung im Heart-Team vorausgehen (Klasse-I-Empfehlung). Aus zwei im Jahr 2018 veröffentlichten großen randomisierten Studien zur Mitralklappen-TEER konnten geeignete Patientenkohorten identifiziert werden [12, 13]. Zusammenfassend eignen sich vor allem Patienten mit noch vorhandener Rechtsherzfunktion, systolischem pulmonal arteriellen Druck < 70 mmHg, noch bestehender kontraktiler Reserve des linken Ventrikels (LVEF > 20 %, LVESD < 70 mm) und stabilem funktionellen Status (ambulant geführte Patienten in NYHA-Klasse II–III) unter optimierter Herzinsuffizienztherapie, die eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz aufweisen (EROA > 0,4 cm2, Regurgitationsvolumen > 60 ml). Bei Zutreffen aller COAPT-Kriterien konnte durch Mitralklappen-TEER eine sehr deutliche Prognoseverbesserung (Mortalitätssenkung) nachgewiesen werden, sodass in diesem Fall eine Klasse-IIa-Empfehlung zur interventionellen Therapie mittels TEER-Verfahren besteht. Auch ohne Zutreffen der COAPT-Kriterien besteht eine Klasse-IIb-Empfehlung für eine TEER zur Symptomverbesserung (Abb. 1–3).

Interventionelle Therapieoptionen bei Trikuspidalklappeninsuffizienz

Im Gegensatz zur interventionellen TEER-Therapie der Mitralklappe gelang für die Trikuspidalklappenintervention (Trikuspidalklappen-TEER) bislang kein Nachweis eines prognostischen Vorteils.

Die im Jahr 2023 veröffentliche prospektiv randomisiert-kontrollierte TRILUMINATE-Pivotal-Studie konnte im 1-Jahres-Follow-up zwar einen positiven kombinierten Endpunkt aus Hospitalisierungsrate, Mortalität und Lebensqualität aufweisen, dieser wurde jedoch vorrangig durch die verbesserte Lebensqualität nach Trikuspidalklappen-TEER getrieben. Ein Unterschied in Bezug auf Mortalität oder Hospitalisierungsrate zeigte sich im kurzfristigen Verlauf nicht [14]. Genau wie bei der TEER-Therapie der Mitralklappe konnte jedoch auch bei der Trikuspidalklappentherapie eine hohe Sicherheit des Verfahrens nachgewiesen werden, sodass die Methode derzeit zur Symptomverbesserung bei Patienten mit rezidivierenden rechtsführenden kardialen Dekompensationen und ursächlicher hochgradiger sekundärer Trikuspidalklappeninsuffizienz empfohlen wird (Abb. 4 und Abb. 5) [15, 16, 17].

Fazit

Sowohl die Mitral- als auch die Trikuspidalklappeninsuffizienz erhöht bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit zunehmendem Schweregrad die Sterblichkeit.

Es gibt mittlerweile sichere, sehr gut etablierte kathetergestützte Verfahren (Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur, TEER), um die AV-Klappeninsuffizienz in den meisten Fällen effektiv zu reduzieren.

Die Reduktion der sekundären Mitralklappeninsuffizienz ist mit einer Prognoseverbesserung verbunden und daher mit einer Klasse-IIa-Indikation empfohlen.

Bei der interventionellen Trikuspidalklappentherapie konnte bisher im kurzfristigen Verlauf eine Verbesserung der Lebensqualität gezeigt werden.

Kontakt-- Dr. Eva Harmel, I. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Augsburg, Eva.Harmel@uk-augsburg.de

Literatur--

1. Mebazaa et al. Lancet. 2022;400(10367):1938-52

2. Ponikowski P et al. Lancet. 2020;396(10266):1895-904

3. Kalra PR et al. Lancet. 2022;400(10369):2199-209

4. Kozak AT et al. Congest Heart Fail. 2007;13(5):280-7

5. Moss AJ et al. N Engl J Med. 2009;361(14):1329-38

6. Cleland JG et al. Eur Heart J. 2013;34(46):3547-56

7. Koelling TM et al. Am Heart J. 2002;144(3):524-9

8. Nath J et al. J Am Coll Cardiol. 2004;43(3):405-9

9. Varadarajan P et al. J Am Soc Echocardiogr. 2006;19(12):1458-61

10. McDonagh TA et al. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-726

11. Coats AJS et al. Eur Heart J. 2021;42(13):1254-69

12. Stone GW et al. N Engl J Med. 2018;379(24):2307-18

13. Obadia JF et al. N Engl J Med. 2018;379(24):2297-306

14. Sorajja P et al. N Engl J Med. 2023;388(20):1833-42

15. Lurz P et al. J Am Coll Cardiol. 2021;77(3):229-39

16. Kitamura M et al. Catheter Cardiovasc Interv. 2021;97(6):1281-9

17. Möllmann H et al. Kardiologie 2022;16:372-82

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