Kommentar zur Heart Team-Erfahrungen
„Miteinander-Heart-Teams“ – von Visionen zu Innovationen
Kommentar--Führende Professoren aus Herzchirurgie und Kardiologie haben ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit im Heart Teams geteilt. Ein Kommentar dazu von Prof. Schwinger.
Veröffentlicht:Herzchirurgen und Kardiologen von München bis Hamburg und von Köln bis Leipzig geben Einblick wie Heart-Team gelebt werden kann und soll. Das Heart-Team muss die Patientinnen und Patienten ebenso einbeziehen wie den Anästhesisten, den Hausarzt (kennt den Patienten am besten!), die zuweisende Klinik/Abteilung und ggf. weitere Fachdisziplinen (Geriater, etc.) und sollte im Konsens eine Therapieempfehlung – die individuell optimale Therapie (Prof. Reichenspurner, Hamburg) – abgeben.
Qualität der Patientenversorgung und der Patientensicherheit
Das Heart-Team ist eine wichtige Struktur im Sinne der Qualität der Patientenversorgung (Prof. Hasenfuss, Göttingen) und der Patientensicherheit (Prof. Conzelmann, Karlsruhe). Die Erwartung des aufgeklärten Patienten (Patientenwille), die Bereitschaft zur Interaktion und Diskussion und die Kenntnis der relevanten Studienlage (Prof. Massberg, München) sind dabei wesentlich.

Prof. Dr. med. Robert HG Schwinger, Medizinische Klinik II, Klinikum Weiden
© Schwinger
Dr. Google, aber auch vorgefertigte „Meinungen“ gefährden das gemeinsame Ziel (Prof. Hagl, München). Die enorme Leistungsfähigkeit der Herzmedizin hat Expertinnen und Experten hervorgebracht, die strukturelle Herzerkrankungen, KHK, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz etc. im Team als ausgebildete Kardiologen/Herzchirurgen/ Herzspezialisten behandeln und die Therapieempfehlung umsetzen können, aber auch das interdisziplinäre Komplikationsmanagement beherrschen (Prof. Massberg, München) – meist bei elektiven oder semielektiven Patienten.
Patientenwohl vs. wirtschaftliche Überlegungen
Wir brauchen keine Zweckgemeinschaft, die den Krankenkassen oder dem MDK geschuldet ist, weil diese versuchen hochprofitable Therapieoptionen, durch Strukturvorgaben zu limitieren, sondern wir wollen eine gelebte leitliniengerechte Selbstverständlichkeit (Prof. Fischlein, Nürnberg) zum Wohle unserer gemeinsamen Patienten, frei von wirtschaftlichen Überlegungen (Prof. Doll und Prof. Mönnig, Bad Rothenfelde).
Medizinische Einzelkämpfer werden umdenken und dazulernen oder sich leitliniengerecht damit „anfreunden“ müssen – denn sinnvoll war das „Miteinander-Heart-Team“ schon immer! Man denke an die Pionierleistung der ersten Herztransplantation ebenso wie an den ersten Herzschrittmacher – gemeinsames Handeln für unseren Patienten ist zeitlos. Dabei kann auch eine komplexere Prozedur eine „sinnvolle Investition“ in die Zukunft darstellen (Prof. Hagl, München).
Sowohl bei Maximalversorgern als auch in der Primärversorgung
Die Heart-Team-Entscheidung kann in Kliniken der Maximalversorgung, meist Universitätskliniken, mit institutionalisierter Abteilung für Kardiologie und Herzchirurgie vor Ort gefällt werden, muss aber auch in primär versorgenden Kliniken (meist ohne Herzchirurgie) möglich sein. Man denke an den Herzinfarkt, der nach Leitlinie eine zeitnahe Versorgung fordert. Und auch hier ist die Umsetzung nach SOP (Prof. Thiele, Leipzig) vor Ort ad hoc möglich, nämlich in der gelebten Zusammenarbeit von Interventionskardiologe vor Ort und kooperierender Herzchirurgie – oft im Maximalzentrum und häufig mehr als 60 Minuten oder 100 km entfernt.
Konsens durch Therapiestandards
Dieser „Heart-Team-Konsens“ – gelebte Team-Entscheidung – entstanden durch zahlreiche Absprachen und vereinbarte Therapiestandards (Prof. Pauschinger, Nürnberg) gibt gegenseitig Sicherheit für die zu treffende akute Entscheidungsfindung! Wird das Heart-Team mit gegenseitigem respektvollen und möglichst freundschaftlichen Umgang gelebt, stehen viele Wege offen. Und dies im Maximalzentrum genauso wie in der primärversorgenden Klinik. Nur eine enge Kooperation macht dies möglich.
Die räumliche Distanz mag erschwerend wirken, sollte aber in Zeiten der Telemedizin (Videokonferenz, Prof. Baldus und Prof. Wahlers, Köln) – das haben wir von der Corona-Pandemie gelernt – lösbar sein. Sicher sind die Anforderungen an die Akteure höher. Im Erfolgsfall – gelebtes Heart-Team – wird der Gewinn für alle aber bedeutender und „es wächst zusammen, was zusammen gehört“ (Willy Brandt, 13.12.2012).
Auch den Patienten in primärversorgenden Kardiologien (meist ohne institutionalisierte Herzchirurgie) steht im gelebten Heart-Team ein mittelbarer, oder wenn nötig ein unmittelbarer Zugang zur universitären Herzmedizin offen. Gerade dies zeichnet ein universitäres Herzzentrum aus und im optimalen Fall nicht nur unidirektional!
Das Heart-Team ist mehr als die Summe seiner Teile
Ein gelebtes Heart-Team ist eben mehr als Kardiologie plus Herzchirurgie, es ist der Zugang unserer Patienten zu dem, was Forschung, Wissenschaft und ärztliches Handeln heute und morgen ermöglichen: Wahrnehmung, Fürsorge und Hilfe für den Patienten aber auch für den behandelnden Arzt. Denn der Kardiologe braucht den Herzchirurgen und der Herzchirurg braucht den Kardiologen. Und unsere Patientinnen und Patienten brauchen beide. Dann bereichert „Herzarbeit“, also die Arbeit am Herzen mit Herz, nicht nur die Medizin, sondern verdoppelt den Gewinn und halbiert die Enttäuschung der Handelnden, falls wir gemeinsam vor der Komplexität der Aufgabe scheitern. Kardiologie bleibt spannend! Im Heart-Team doppelt!