Netzwerk Herzinsuffizienz – intersektoraler Mehrwert

Herzinsuffizienz-- Netzwerke fördern die Umsetzung der leitliniengerechten Therapie und verbessern die Prognose von Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Daher müssen große Anstrengungen unternommen werden, um diese Versorgungsnetzwerke flächendeckend zu etablieren und patientenzentriert zu betreiben.

Von Prof. Jochen Müller-Ehmsen Veröffentlicht:

Die chronische Herzinsuffizienz ist von häufigen Krankenhausaufenthalten und häufigen ambulanten Arztkontakten geprägt. Zur leitliniengerechten Therapie gehören regelmäßige Anpassungen der Medikation, Laborkontrollen und die repetitive Indikationsprüfung für interventionelle Verfahren oder Device-Implantationen. Je besser dies erreicht wird, desto besser ist das Überleben der Patientinnen und Patienten [1].

Strukturierte Versorgungskonzepte („Heart Failure Management Programes“/HFMP) erhöhen die Leitlinientreue und verbessern so die Prognose von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz [2]. Daher hat die Implementierung und Anwendung solcher Programme von den aktuellen Leitlinien den Empfehlungsgrad IA [3]. Herzinsuffizienznetzwerke sind also genauso wichtig wie Betablocker!

Prof. Dr. Jochen Müller-EhmsenKardiologisch-Angiologische Praxis, Herzzentrum Bremen.

Prof. Dr. Jochen Müller-EhmsenKardiologisch-Angiologische Praxis, Herzzentrum Bremen.

© Müller-Ehmsen

Das interdisziplinäre, intersektorale Herzinsuffizienznetzwerk

Beim leitliniengerechten HFMP steht der Patient im Mittelpunkt. Zur bestmöglichen Versorgung bedarf es der Zusammenarbeit von Hausärzten, konservativen Herzinsuffizienz-Kardiologen aus Klinik und Praxis, interventionellen Kardiologen, Elektrophysiologen, Herzchirurgen, Psychologen, Physiotherapeuten und Fachärzten anderer Disziplinen wie Nephrologie, Gastroenterologe, etc. [4]. In interdisziplinären und intersektoralen Fallkonferenzen lassen sich die bestmöglichen Empfehlungen für den Patienten entwickeln.

In Deutschland werden schon seit einigen Jahren interdisziplinäre Herzinsuffizienznetzwerke aufgebaut, mit dem Ziel, Patienten mit Herzinsuffizienz in den verschiedenen Sektoren und auf den verschiedenen Ebenen der Leistungserbringer medizinisch auf höchstem fachlichem und technischem Niveau zu versorgen. Dabei sind die Übergänge zwischen den Sektoren besonders kritisch und wichtig (schneller Facharzttermin bei Entlassung, zielgerichtete klinische Versorgung bei stationärer Aufnahme).

Abb. 1-- Der Patient steht im Zentrum und wird eng begleitet von Hausarzt und von HFU-Nurse/HFU-MFA. HFU-Praxis und HFUKlinik(en) stimmen die Therapiekonzepte ab, die ambulant oder stationär umgesetzt werden. Es besteht ein kontinuierlicher Austausch auf allen Ebenen. HFU: Heart Failure Unit; TMZ: Telemedizinisches Zentrum.

Abb. 1-- Der Patient steht im Zentrum und wird eng begleitet von Hausarzt und von HFU-Nurse/HFU-MFA. HFU-Praxis und HFUKlinik(en) stimmen die Therapiekonzepte ab, die ambulant oder stationär umgesetzt werden. Es besteht ein kontinuierlicher Austausch auf allen Ebenen. HFU: Heart Failure Unit; TMZ: Telemedizinisches Zentrum.

© J. Müller-Ehmsen

Abstimmung und Kooperation

Durch Absprache und Kooperation zwischen den Leistungserbringern wird eine möglichst optimale (= leitliniengerechte) Versorgung für den Patienten gewährleistet. Gemeinsam von DGK, DGTHG, ALKK und dem BNK wurden 2016 und 2021 Strukturvorgaben festgelegt [4], nach denen in Deutschland bereits zahlreiche Schwerpunktpraxen mit Heart Failure Unit (HFU; n = 75), HFU-Schwerpunktkliniken (n = 68) und überregionale HFU-Zentren (n = 46) zertifiziert wurden. Dennoch gibt es einen beträchtlichen Bedarf, dieses System auszubauen, um entsprechend dem Empfehlungsgrad IA möglichst alle Patienten in aktive Netzwerke einzubinden. Das erfordert eine hohe Motivation auf der Seite der Leistungserbringer und der Patienten.

Stationäre und ambulante Sektoren müssen zusammenarbeiten!

Die strenge Sektorengrenze im deutschen Gesundheitswesen führt zu Interessenskonflikten, die zum Wohle der Patientenversorgung überwunden werden müssen. Um nicht nur auf den Idealismus der Leistungserbringer zu setzen, müssen die richtigen Anreize geschaffen werden, zum Beispiel durch Kooperationsmodelle, bei denen beide Sektoren – stationär und ambulant – von einer möglichst effektiven und kostenbewussten Versorgung der Patienten profitieren. Hier sind Modelle der integrierten Versorgung ein erster Ansatz.

Für niedergelassene Ärzte, aber auch für wirtschaftlich agierende Krankenhäuser, ist es schwierig, zusätzliche Leistungen zu erbringen, die keine Erlöse generieren. Damit sind Ausbildung und Einsatz von „Heart Failure Nurses“ oder „Heart Failure MFAs“ reine Kostenfaktoren, obwohl gerade dieses Assistenzpersonal als Ansprechpartner für die Patienten und Bindeglied zwischen den Sektoren und Disziplinen besonders wichtig ist: Ohne Heart Failure Nurses oder Heart Failure MFAs kein Herzinsuffizienznetzwerk!

Herzinsuffizienznetzwerke müssen finanziert werden – genau wie die Betablockertherapie. Daran müssen wir arbeiten und andererseits aber auch jetzt schon damit beginnen, die Versorgung für unsere Patienten zu optimieren. Die intersektorale Zusammenarbeit kann auch andere Mehrwerte erzeugen, wie verbesserte Möglichkeiten des Wissenstransfers, Eröffnung weiterer Chancen für intersektorale Kooperationen, Förderung der Mitarbeitermotivation und Personalgewinnung sowie schlichtweg Freude an der Zusammenarbeit und die Gewissheit, eine optimale Versorgung anzubieten.

Motivation durch Zertifizierung

Das Zertifizierungskonzept der DGK ist ebenfalls ein wichtiger Motivationsfaktor zur intersektoralen Zusammenarbeit. Es sorgt dafür, dass sich die Leistungserbringer systematisch mit den vorgehaltenen und vorzuhaltenden Strukturen auseinandersetzen. Daher muss der Zertifizierungsdruck aufrechterhalten und im Verlauf möglicherweise sogar erhöht werden. Zukünftig könnte eine gemeinsame Zertifizierung der Netzwerkteilnehmer (Praxis und Klinik) die intersektorale Zusammenarbeit fördern.

Alle Patienten sollten in Netzwerkstrukturen versorgt werden

Wir Kardiologinnen und Kardiologen müssen dafür sorgen, dass flächendeckende Herzinsuffizienznetzwerke angeboten werden. Und wir müssen die Patienten motivieren und sie aktiv darüber aufklären, dass die Integration in ein Herzinsuffizienznetzwerk ebenso wichtig ist, wie die regelmäßige Medikamenteneinnahme.

Herzinsuffizienznetzwerke: So wichtig wie Betablocker!

Dazu müssen auch die Hausärzte zentral eingebunden werden, die zusammen mit den Heart Failure Nurses und Heart Failure MFAs, diejenigen sind, die die Patienten am engsten begleiten. Sie müssen durch zielführende und patientenorientierte Zusammenarbeit motiviert werden. Auch ein Kostenerstattungskonzept, das den Mehraufwand abbildet, ist wichtig. Hier fragt man sich, warum das Disease Management Programm (DMP) Herzinsuffizienz so lange auf sich warten lässt, obwohl der G-BA schon 2018 für seine Einführung gestimmt hat. Möglicherweise kann hier die Einführung des Telemonitorings bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine Brücke bilden.

Das Herzinsuffizienznetzwerk in Bremen – ein Beispiel

Das Herzzentrum am Klinikum Links der Weser mit großer kardiologischer und herzchirurgischer Abteilung ist als überregionales HFU-Zentrum etabliert. Linksventrikuläre Unterstützungssysteme werden in Bremen selbst implantiert und versorgt, für Herztransplantationen besteht eine enge Kooperation mit der Uniklinik Hamburg Eppendorf.

Eine große elektrophysiologische Praxis (Elektrophysiologie Bremen) ist für die ambulante und stationäre rhythmologische Versorgung der Patienten zuständig. Eine große kardiologische Praxis (Kardiologisch-Angiologische Praxis) kümmert sich als zertifizierte HFU-Praxis um die ambulante Versorgung der Patienten. Beide Praxen sind Teil des Herzzentrums und befinden sich im Gebäude des Klinikums.

Hierdurch wird eine niederschwellige und informelle intersektorale Kooperation ermöglicht. Im Rahmen des Herzinsuffizienznetzwerks finden wöchentliche intersektorale und interdisziplinäre Fallkonferenzen statt, in denen die Therapiekonzepte für ambulante und stationäre Patienten besprochen werden. Eine enge Kooperation der HFU-MFAs aus der Praxis mit den HFU-Nurses der Klinik ist noch nicht fest etabliert. Dies ist die nächste Aufgabe zum Ausbau unseres Netzwerks. Die Bremer Gegebenheiten machen das Netzwerken natürlich besonders leicht. Dieses muss andernorts bei ungünstigeren Gegebenheiten härter erarbeitet werden, am ehesten auch mithilfe virtueller Fallkonferenzen.

Fazit

Netzwerke verbessern die Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz.

Die Versorgungsstruktur ist ein wichtiger Teil der Herzinsuffizienztherapie.

Herzinsuffizienzpatienten sollten in Netzwerken behandelt werden.

Alle Versorger von Betroffenen mit Herzinsuffizienz sollten Teil eines Netzwerks sein.

Der Patient bzw. die Patientin muss stets im Mittelpunkt stehen.

Umsetzungsanreize sind erforderlich.

Literatur--

1. Ouwerkerk W et al. Eur Heart J. 2017;38:1883-90

2. Takeda A et al. Cochrane Database Syst Rev. 2019;1:CD002752

3. McDonagh TA et al. Eur Heart J. 2021;42:3599-726

4. Pauschinger M et al. Kardiologe. 2022;16:142-59

Kontakt-- Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen, Kardiologisch-Angiologische Praxis, Herzzentrum Bremen, jme@cardiohb.com

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