Weniger Symptome: gut – weniger Mortalität: Zukunft!
Kommentar--
Veröffentlicht:In der DIG-Studie (1997) waren 66 % (Digoxin) bzw. 67 % (Placebo) der Patientinnen und Patienten mit NYHA-Klasse I oder II eingeschlossen. Die Teilnehmenden waren symptomatisch und mit einer Einschluss-EF < 45 % als HFrEF (mittlere Ejektionsfraktion/EF Digoxin: 28,6 %; Placebo: 28,4 %) zu klassifizieren!
NT-proBNP wurde damals nicht bestimmt und die optimierte medikamentöse Therapie (OMT) war weit weg von dem, was wir heute als „The Big Five for Heart Failure“ (ACE-I/ARNI, Betablocker, MRA, SGLT2-I, Diuretika) kennen – ein Muss zur leitliniengerechten Rekompensation. „Overall Mortality“ war nicht verändert, wohl aber die Hospitalisierung bzw. Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, also eine deutliche symptomatische Verbesserung mit Digoxin.
Auch in „Absetzuntersuchungen“, also nach Absetzen der Digoxinmedikation, zeigte sich eine Verschlechterung der Symptomatik und der EF bei Herzinsuffizienzpatienten – allerdings in kleinen Studien. Auch das neue „Wundermittel“ SGLT2-Hemmer, wenigstens gilt dies für Empagliflozin, senkte in der Studie EMPEROR-Reduced weder die kardiovaskuläre Mortalität, noch die Gesamtmortalität (die Studie war hierfür „underpowert“).
Die retrospektiven Analysen zur Plasmakonzentration von Digoxin und Outcome sind „hypothesengenerierend“, aber weit weg von einer evidenzbildenden Therapiebasis; dies zeigt auch die lebensverlängernde, neutrale oder lebensverkürzende Wirkung von Digitalis in AFFIRM – in retrospektiven Analysen!
Vage Leitlinie und fehlende Evidenzen
Wie wenig wir wissen, fasst die neue ESC-Leitlinie in die Worte „Digoxin may be considered in patients with HFrEF in SR to reduce the risk of hospitalization, although its effect on those routinely treated with beta blockers has not been tested“ – und ARNI hatten diese Patienten auch nicht, also weit weg von OMT 2022! Und weiter: „the effect of digoxin in patients with HFrEF and AF have not been studied in RCT“ – also bleibt nur Eminenz und (fast) keine Evidenz zum Einsatz von Digoxin; und Digitoxin wurde gar nicht getestet.
Aber sicher ist: „Digoxin has a narrow therapeutic window“! Als junger Assistent an der Universitätsklinik durfte/musste ich erleben, wie ein Patient mit Myokardinfarkt – eine Koronarintervention im Infarkt war damals obsolet („Viel zu gefährlich !“ so der Oberarzt) – in tachykardes Vorhofflimmern konvertierte und hämodynamisch instabil wurde. Mit Digitalis i.v. wollte man den Rhythmus stabilisieren und initiierte Kammerflimmern – proarrhythmogene Wirkung Digitalis – und ich durfte reanimieren und stabilisieren (übrigens reduziert Magnesium die Bindung von Digitalis an seinen Rezeptor).
Die pharmakokinetischen Vorteile (Cave: Niere!) von Digitoxin sind entscheidend bei vergleichbarer pharmakodynamischer Wirkung wie Digoxin; nicht die positiv inotrope Wirkung, sondern die günstige Modulation des neurohumoralen Systems mit Aktivierung des Parasympathikus und Hemmung des Sympathikus scheint entscheidend – ob dies auch unter Betablocker oder OMT-Therapie gilt ist unklar – jedenfalls bisher nicht untersucht.
Genauer Wirkmechanismus ist oft unbekannt
Den genauen Mechanismus der pharmakologischen/physiologischen Wirkung einer Substanz kennen wir oft nicht – auch nicht für Empagliflozin. Die Datenlage für SGLT2-Hemmer im Spektrum von HFrEF bis HFpEF ist beeindruckend und darf als einzigartig bezeichnet werden; die Datenlage für Digoxin und noch mehr für Digitoxin, mehr als 200 Jahre nach dem Ersteinsatz entspricht nicht mehr unserem Verständnis von evidenzbasierter Medizin.
Dies zeigt, wie dringend die Daten zu DIGIT-HF und DECISION gebraucht werden! Die meisten Herzinsuffizienz-Studien untersuchen (heute) als primären Endpunkt eine Kombination aus Symptomatik und (kardiovaskulärer) Mortalität; beides, Symptomatik und Mortalität, ist für unseren Patienten wichtig.
In der DIG-Studie zeigte sich bei allen Patienten eine Reduktion „of either death or hospitalization due to worsening heart failure“ durch Digoxin; der Effekt war bei einer Einschluss-EF < 25 % am größten bei Patienten mit deutlicher Kardiomegalie im NYHA-Stadium III oder IV! Also doch effektiv bei Patienten mit 3. Herzton – Galopprhythmus – der nach „Digitalis schreit“, so Prof. Hans Blömer in seiner Lehrvorlesung für Generationen von Medizinern, der ich gespannt lauschte.
Wir sollten es bald wissen, dank Prof. Bavendiek, Prof. Bauersachs und Mitarbeitern; und damit werden wir auch mit Digitalis mit evidenzbasierter Medizin unseren herzinsuffizienten Patienten helfen können, symptomatisch und am besten auch prognostisch – so hoffe ich! Kardiologie bleibt spannend