Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft – Fluch oder Segen?
Schwangere Ärztinnen-- Gleichberechtigung und Selbstbestimmung werden auch in der Medizin zunehmend als Errungenschaften propagiert. Konfliktpotenzial und teils unbefriedigende Lösungen ergeben sich jedoch in Corona-Zeiten – mit vielerorts noch geltenden Beschäftigungsverboten für schwangere Ärztinnen.
Veröffentlicht:Seit nun fast drei Jahren begleitet uns die Corona-Pandemie. In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens konnte bereits wieder eine gewisse Normalität ohne spezielle Infektionsschutzmaßnahmen hergestellt werden – anders jedoch in vielen deutschen Kliniken und Praxen, in denen weiterhin ab Bekanntgabe der Schwangerschaft ein betriebliches Beschäftigungsverbot gilt. Erstaunlicherweise ist dies nämlich nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern vom jeweiligen Bundesland und Klinikstandort abhängig.
Zunächst wird zwischen betrieblichen, behördlichen und ärztlichen Beschäftigungsverboten unterschieden. Das betrieblich oder behördlich angeordnete Beschäftigungsverbot hängt primär von der auszuübenden Tätigkeit ab, während das ärztliche Beschäftigungsverbot den Gesundheitszustand der Mutter und den des (ungeborenen) Kindes bewerten. Da die Begriffe häufig synonym verwendet werden: Ein Beschäftigungsverbot ist kein Berufsverbot! Letzteres wird nämlich als Konsequenz für einen Rechtsverstoß gerichtlich verhängt.
Keine einheitliche COVID-Regelung
Grundsätzlich wird der Gesundheitsschutz der Frau und ihres Kindes während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und während der Stillzeit bei ihrer Arbeit durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelt. Es verfolgt sowohl das Ziel, Benachteiligungen entgegenzuwirken und, soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen.
Gemäß dem „Ausschuss für Mutterschutz“ gibt es Empfehlungen zur mutterschutzrechtlichen Bewertung von Gefährdungen speziell im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 mit letzter Aktualisierung im September 2022. Diese stellen eine fachwissenschaftliche Bewertung von Expertinnen und Experten dar und sollen so zu einer möglichst bundeseinheitlichen Entscheidungsgrundlage beitragen. Leider handelt es sich jedoch nur um Handlungsempfehlungen und keine eindeutigen Regelungen. Es fehlt zudem wie bei anderen Corona-Maßnahmen und Stufenplänen eine regelmäßige Neubewertung des Infektionsrisikos mit an die Situation angepasste Verhaltensmaßnahmen. Standortabhängige unterschiedliche Regelungen sind daher nur wenig nachvollziehbar und schaffen bei Arbeitgeber und schwangeren Ärztinnen Unsicherheit, Ärger und Verwirrung. Nach bisherigen Erkenntnissen haben Schwangere kein erhöhtes Ansteckungsrisiko für SARS-CoV-2. Bislang gibt es gemäß dem „Ausschuss für Mutterschutz“ auch keinerlei Hinweise auf virusspezifische embryotoxische oder fetotoxische Wirkungen. Infektionen mit der seit Januar 2022 dominanten Omikron-Variante verlaufen im Allgemeinen und vor allem bei Geimpften vergleichsweise mild, oft asymptomatisch. Dies gilt auch für Schwangere [1–6], besonders mit Einführung der an Omikron adaptierten Impfstoffe.
Abklärung spezieller Risiken
Sobald der Arbeitgeber von einer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt worden ist, muss eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen vorgenommen werden mit besonderem Hinblick auf schwangerschaftsbedingte Risiken (Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz). Spätestens hier kommt es mit der oft noch geltenden FFP2-Maskenpflicht für Mitarbeiterinnen in Kliniken und Praxen zu Problemen einer Weiterbeschäftigung der entsprechenden Mitarbeiterin, da das Tragen einer FFP2-Maske über einen gewissen Zeitraum als „unverantwortbare Gefährdung“ eingestuft wird. Gemäß den Angaben des „Ausschusses für Mutterschutz“ hat das Tragen einer FFP2-Maske jedoch bei leichten und mittelschweren körperlichen Belastungen keine relevanten Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System oder auf den Gasaustausch. Dennoch wird häufig bei der Gefährdungsbewertung der Kontakt zu „potenziell mit SARS-CoV-2-infektiösen Patienten“ als Grund für ein Beschäftigungsverbot angeführt, der einen Einsatz der Ärztin in einem patientennahen Bereich schlichtweg unmöglich macht.
Folgen des Beschäftigungsverbots
Kommt es zu einem betrieblichen Beschäftigungsverbot, wird dies zwar finanziell ausgeglichen. Doch für viele Ärztinnen stellt dies einen Einschnitt in das Recht auf Selbstbestimmung dar. Problematisch ist das oft für Ärztinnen in Weiterbildung, da ein Beschäftigungsverbot nicht auf die Weiterbildungszeit angerechnet wird und ohnehin eine erhebliche Zeit durch Mutterschutz- und Elternzeit für die oft lange Weiterbildung fehlt. Somit kann sich die Zeit bis zur Erlangung des Facharztes erheblich verlängern, was im Hinblick auf Chancengerechtigkeit auch negative Auswirkungen auf die Karrierechancen einer Frau haben kann. Dies kann in einigen Fällen dazu führen, dass schwangere Ärztinnen aus Sorge vor karrieretechnischen Nachteilen und Ausbildungszeiten ihre Schwangerschaft erst zu einem viel späteren Zeitpunkt bekannt geben und somit in einer sensiblen Phase der Schwangerschaft anerkannte Mutterschutzmaßnahmen nicht zum Tragen kommen.
Vielerorts gibt es bisher seitens der Klinik keine Möglichkeit, den Arbeitsplatz der betreffenden Ärztin so umzugestalten, dass eine Weiterbeschäftigung auch unter entsprechenden Schutzmaßnahmen möglich ist. Denkbar wären in einer zunehmenden Digitalisierung der Medizin. Möglichkeiten wie Videosprechstunden, Förderung von Forschungsvorhaben oder auch Supervision von jüngeren Kolleginnen und Kollegen in Funktionsbereichen mit niedrigem Infektionsrisiko. Ziel sollte es sein, dass Arbeitgeber und Schwangere gemeinsam flexible Modelle erarbeiten und diese möglichst vorausschauend umsetzen. Dies beinhaltet auch eine regelmäßige Neubewertung der aktuellen Situation.
Fazit
Eine Schwangerschaft ist eine ganz natürliche Lebensphase, die besonderen Schutz vor schädlichen Einwirkungen und Benachteiligungen verlangt. Rechtlich geregelt ist das durch das Mutterschutzgesetz.
Dieses Gesetz sollte daher primär als Errungenschaft angesehen werden, wobei dies im Einklang mit Chancengerechtigkeit und dem Recht auf Selbstbestimmung der Frau gebracht werden müsste.
Literatur bei den Verfasserinnen
Kontakt-- PD Dr. med. Anna Hohneck, Universitätsklinikum Mannheim; Dr. Franziska Koppe-Schmeißer, Universitätsmedizin Mainz,