Klimawandel – Auswirkung aufs Herz

Klima und Kardiologie-- Weltweit verstärkt der Klimawandel Extremwetter, besonders Hitzewellen. Die Gesundheitsrisiken hängen von Dauer, Intensität, Häufigkeit und Timing der Hitzewellen ab. Hohe Temperaturen beeinflussen Herzinfarkt- und Herzinsuffizienz-bedingte Mortalität.

Von Dr. Bastian Wein und Prof. Elke Hertig Veröffentlicht:
Mit zunehmender Temperatur steiget auch das Risiko für Dekompensationen bei Herzinsuffizienz. Günter Albers/stock.adobe.com

Mit zunehmender Temperatur steiget auch das Risiko für Dekompensationen bei Herzinsuffizienz.

© Günter Albers / Stock.adobe.com

Der Klimawandel führt weltweit zu einer Häufung und Intensivierung von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen. Dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit des Menschen abhängig von der geografischen Region, der Nutzung der Umwelt durch den Menschen und von den sozialen Determinanten [1]. Hitze betrifft nicht nur einzelne Bevölkerungsgruppen wie Jüngere oder Ältere. Die gesundheitliche Belastung hängt dabei von den Charakteristiken der Hitzewellen, ihrer Anzahl, Dauer und Intensität sowie ihrem zeitlichen Auftreten innerhalb eines Jahres ab [1]. Die Mortalität durch ischämische Herzerkrankungen, bei denen es zu einer zunehmenden Verengung der Herzkranzgefäße kommt, könnte in Deutschland entsprechend dem RCP4.5-Szenario (moderater Klimawandel) und RCP8.5 (starker Klimawandel) 2021–2050 um 90 % (RCP4.5) oder 150 % (RCP8.5) höher liegen, 2068–2097 sogar um 330 % (RCP4.5) bis maximal 900 % (RCP8.5) [1]. Dies zeigt, dass selbst unter einem moderaten Klimawandel erhebliche gesundheitliche Auswirkungen durch Hitze zu erwarten sind.

Dr. Bastian Wein, Universitätsklinikum Augsburg Wein

Dr. Bastian Wein, Universitätsklinikum Augsburg

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Prof. Dr. Elke Hertig, Universität AugsburgUni Augsburg

Prof. Dr. Elke Hertig, Universität Augsburg

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Im Rahmen der projizierten Steigerungen des kardiovaskulären Mortalitäts- und Morbiditätsrisikos in Deutschland spielen neben den klimawandelbedingten Veränderungen auch demografische Veränderungen, wie die Zunahme der älteren Bevölkerungsanteile, die besonders vulnerabel gegenüber Hitzeereignissen sind, eine Rolle.Die Herzinfarkt- und Herzinsuffizienz-bedingte Mortalität zeigt in einer großen spanischen Kohorte einen klaren Temperaturbezug: In Extrem-Kältephasen sind 9–12 additive, in Extrem-Hitzephasen 2 Todesfälle je 1.000 Todesfällen den Temperaturextremen zuzurechnen [2]. Auch wenn Kältephasen einen höheren relativen Einfluss auf die Mortalität zeigen, so wird dieser absolut durch die häufiger und länger auftretenden Hitzephasen mehr als aufgewogen. Neben der reinen Mortalität zeigt aber auch das Risiko einer akuten kardialen Dekompensation bei chronischer Herzinsuffizienz eine klare Temperaturabhängigkeit. Ausgehend von einer „Wohlfühltemperatur“ ohne thermische Belastung von 20 °C erhöht ein Temperaturplus von plus 5 °C, 10 °C oder 15 °C das Hospitalisationsrisiko um das 1,12-, 1,27-, bzw. 1,45-Fache [3].

Insbesondere Herzinsuffizienz-Patienten und -Patientinnen zeigen eine deutliche höhere Vulnerabilität während Hitzephasen. Die steigende Körpertemperatur führt über eine periphere Vasodilatation und transpirationsbedingter Volumendepletion zu einer sympathikotonen Reaktion. Diese bedingt eine Bedarfstachykardie, eine periphere Vasokonstriktion mit Nachlasterhöhung und über positiv inotrope Effekte einen vermehrten kardialen Sauerstoffbedarf mit schließlich einem hieraus resultierenden Angebot-Bedarfs-Mismatch [4]. Die in dieser Population therapienotwendigen Diuretika können die Volumendepletion verstärken und in Kombination mit den potenziell nephrotoxischen Herzinsuffizienzmedikamenten (ACE-Hemmer, Neprolysin-Inhibitoren oder Sartane) sowie den Mineralokortikoidantagonisten zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion mit Elektrolytimbalancen führen, mit zusätzlichen proarrhythmogenen Effekten [4, 5]. Die Datenlage, dass Extremwetterereignisse, deren Auftretenswahrscheinlichkeiten, Dauer und geografische Ausdehnung mit Voranschreiten des Klimawandels zunehmen und einen signifikanten Einfluss auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität hat, ist eindeutig [1, 6]. Folgende Aufgaben erwachsen hieraus für die Gesellschaft, das Gesundheitswesen sowie die Kardiologie im Besonderen:

Gesamtgesellschaftlich und weltpolitisch gilt es, das Voranschreiten des Klimawandels so gering wie möglich zu halten, denn Klimaschutz ist der effektivste Gesundheitsschutz. Die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert eine Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen, wobei zumindest netto null Emissionen erreicht werden müssen [1].

Regional gilt es, die Klimaresilienz zu stärken und damit die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten, z. B. über eine konzertierte Stadtentwicklung und Hitzeschutzpläne.

Forschung für und Entwicklung von evidenzbasierten Empfehlungen zur Versorgung und Management spezifischer Populationen und Krankheitsbilder während Extremwetterereignissen, bzw. schädlichen Umweltfaktorenkonstellationen.

Forschung für und Entwicklung von Monitoring-, Vorhersage- und Warnsystemen, um einsetzende Extremwetterereignisse frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen präventiv und nicht nur reaktiv einleiten zu können.

Verstärkung von populationsbezogenen Kommunikationsmaßnahmen zur individuellen Verhaltensprävention bei Hitzeereignissen.

Fazit

„Because the planet will warm another 1 °C by 2100 if we curtail greenhouse gases or 3.7 °C if we do not, our choices for deadly heat are now between more of it or a lot more of it.“ [6]

Kontakt-- Dr. med. Bastian Wein, Universitätsklinikum Augsburg, bastian.wein@uk-augsburg.de; Prof. Dr. Elke Hertig, Universität Augsburg, elke.hertig@med.uni-augsburg.de

Literatur--

1. Hertig E et al. J Health Monit. 2023;8(Suppl 3):6-32

2. Alahmad B et al. Circulation. 2023;147(1):35-46

3. Miró Ò et al. J Gen Intern Med. 2023;38(3):600-9

4. Desai Y et al. Yale J Biol Med. 2023;96(2):197-203

5. Aimo A et al. Int J Cardiol. 2022:365:100-5

6. Mora C et al. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2017;10(11):e004233

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