KI für die Diagnose von Kardiomyopathien

AG 12-- Kardiomyopathien stellen eine große Herausforderung für Betroffene und viele behandelnde Ärztinnen und Ärzte dar. Die AG 12 Kardiomyopathien beschäftigt sich mit selbigen, da sie insgesamt häufig, jedoch in ihren Ursachen und Ausprägungen sehr heterogen und damit komplex zu diagnostizieren sind.

Von D. Lehmann und B. Gerull und B. Meder Veröffentlicht:
KI-Systeme können auch komplexe Fragen beantworten.

KI-Systeme können auch komplexe Fragen beantworten.

© FAMILY STOCK / Stock.adobe.com

Die Selektion und Skalierbarkeit von diagnostischen und therapeutischen Pfaden für diese wichtige Erkrankungsgruppe ist essenziell und muss in Zukunft um Früherkennung, individuelle Risikostratifizierung und zielgerichtete molekulare und genetische Therapien erweitert werden.

Hohe Anforderungen an Doktor-KI

Künstliche Intelligenz (KI) verspricht viele medizinische Probleme in Zukunft zu adressieren. Aktuell beeindruckt der Chatbot Chat-GPT des Softwareentwicklers Open-AI die ganze Welt. Chat-GPT kann beliebige Fragestellungen teils beängstigend gut beantworten, sodass man zum ersten Mal von einer breit anwendbaren künstlichen Intelligenz sprechen kann. Chat-GPT wurde mit mehr als 750 Gigabyte an Texten trainiert und besitzt in dieser Beziehung eine riesige „kristalline Intelligenz“.

Prof. Dr. Benjamin Meder Universitätsklinikum Heidelberg

Prof. Dr. Benjamin Meder Universitätsklinikum Heidelberg

© Meder

Entwicklungen wie diese beflügeln die Gedanken, dass KI die Medizin revolutionieren wird. Allerdings sind die Anforderungen an einen Doktor-KI viel größer als zum Beispiel an einen Chatbot. Als Fachgesellschaft und Experten sollten wir einfordern, dass Entscheidungen nachvollziehbar sind. Das ist gerade bei künstlichen neuronalen Netzen, der dominierenden KI-Methode, meist nicht oder nur sehr eingeschränkt der Fall. Es ist daher ein großes Forschungsgebiet erwachsen, KI-Modelle erklären zu können.

Schneller und besser als das menschliche Gehirn?

Dies führt auch unweigerlich zu einem Paradoxon: Obwohl wir den relativ simplen Algorithmus hinter Chat-GPT erklären können und dahinter keine Intelligenz im eigentlichen Sinne steckt, ist das erlebte Resultat bzw. die Vorhersage der Chat-GPT-Antwort durch einen Menschen nahezu unmöglich zu gewährleisten. In gewisser Weise überholen uns hochparallelisierte Systeme in einigen menschlichen Kernkompetenzen.

Bessere Früherkennung hyper-trophischer Kardiomyopathien

In einem Kardiomyopathie-Zentrum sehen Ärztinnen und Ärzte immer wieder Zufallsbefunde aus Musterungen oder sportmedizinischen Untersuchungen. Die Früherkennung von Kardiomyopa-thien ist dennoch schwierig, da es sich häufig um asymptomatische Patienten handelt und kardiovaskuläre Voruntersuchungen im jungen und mittleren Alter insgesamt selten sind. Bei der Früherkennung der hypertrophischen Kardiomyopathie (HCM) können KI-Ansätze helfen. Es wurden schöne Beispiele publiziert, wie eine HCM anhand von EKG und Echokardiogramm automatisiert detektiert werden kann [1-3]. In Kombination mit Wearables (z. B. optische Sensoren oder 1-Kanal-EKG einer Smartwatch) könnten solche Algorithmen in Zukunft zum millionenfach verbreiteten Screeningtool werden [4].

Speziell bei sequenziellen Daten kommen Convolutional Neural Networks (CNN) zum Einsatz. CNNs machen sich die lokalen (Echo) oder zeitlichen Abhängigkeiten (EKG) der Datenpunkte bzw. Pixel zunutze, um komplexe Muster zu erkennen. KI kann auch gerade dann helfen, wenn die Informationen zu komplex werden und eine Fusion multimodaler Daten aus EKG, Bildgebung, Laborwerten und Genetik erforderlich ist.

Die wachsende Verfügbarkeit von Smartphones und Smartwatches wird ein Enabler für KI-gestützte Diagnosen, Vorsorge und Therapiebegleitung sein. Die Skalierbarkeit ist enorm und die klare Stärke von Digital-Health-Anwendungen. Das kann insbesondere für seltene Kardiomyopathien eine Chance sein, da hier ein hoher Grad an Spezialwissen notwendig ist, das im ärztlichen Alltag nicht in der gesamten Breite vorhanden sein kann. KI-Modelle basierend auf der gesamten medizinischen Fachliteratur können hier ebenso helfen wie automatische Algorithmen in alltäglichen dia-gnostischen Geräten, wie die Detektion der seltenen kardialen Amyloidose durch KI-basierte EKG-Interpretation eindrucksvoll unterstreicht [5]. Ein Konzept zur komplexen Differenzialdiagnose anhand von multimodalen Informationen wurde entwickelt und stellt einen weiteren Baustein Richtung Doktor-KI dar [6].

Einsatz auch in der Forschung

Neben Anwendungen in der Klinik können KI-Modelle auch in der Forschung von immensem Nutzen sein. Die KI AlphaFold kann das Faltungsverhalten von Proteinen so präzise vorhersagen, dass aufwändige Laborversuche durch ein Experiment im Computer zuverlässig ersetzt werden können [7]. Dies trägt zum Verständnis von Krankheitsmechanismen bei und kann zur Entwicklung von neuen oder Optimierung von bekannten Medikamenten genutzt werden. Nach Einschätzung von Brancheninsidern benutzen inzwischen die meisten Pharmafirmen KI-Systeme zur Entwicklung von Medikamenten oder zur Vorhersage des Erfolgs der klinischen Prüfung.

Zum Zeitpunkt dieses Artikels gibt es 521 von der amerikanischen FDA zugelassene KI-Systeme für die medizinische Anwendung. Allerdings ist es auch wichtig, ihre potenziellen Limitationen richtig zu erfassen. KI-Modelle können nur das, was ihnen beigebracht wurde. Das Fehlen einer externen, kontrollierten Validierung unterstreicht bei vielen sogenannten „Lösungen“ den fehlenden Reifegrad. Auch wenn die KI „Med3R“ bereits 2017 96,3 % der Absolventen für die chinesische Approbationsprüfung hinter sich gelassen hat, bleibt es an uns, als Fachgesellschaft und Patientenvereinigung den bestmöglichen Einsatz von KI-Systemen aktiv mitzugestalten.

Kontakt-- Prof. Benjamin Meder, Universitätsklinikum Heidelberg; Prof. Brenda Gerull, Universitätsklinikum Würzburg; David Lehmann, Universitätsklinik Heidelberg,

Literatur bei den Verfassern

Schlagworte: